Beim Verkehrsunfall, bei Notfällen im Gebirge, beim Lawinenunglück, bei großen und kleinen Ereignissen sind die Rettungsmannschaften als Helfer rund um die Uhr im Einsatz. Dass wir in Not auf schnelle Hilfe vertrauen dürfen, nehmen wir als selbstverständlich, ist aber ein Privileg, das uns zuteilwird, weil sich andere freiwillig und unentgeltlich in ihrer Freizeit für Menschen in Notlagen einsetzen und sich dabei nicht selten selbst in erhöhte Gefahr begeben.
„Bei den Rettungseinsätzen geht es nicht darum, welche Organisation oder welche Position des Einzelnen wichtiger ist oder dass man sich durch das Ehrenamt einen persönlichen Vorteil verschafft, sondern es geht darum, Menschenleben zu retten. Dazu bedarf es der Teamarbeit draußen an den Unfallstellen bei jeder Witterung und zu jeder Tages- und Nachtzeit. Man muss die Berufstechniken beherrschen, man muss körperlich und psychisch belastbar sein. Man muss Idealist sein und man muss Menschen mögen, um den Dienst in einer Rettungsmannschaft überhaupt machen zu können“, ist Hans Peter Forer überzeugt. Seit 33 Jahren ist Forer, der hauptberuflich als Technischer Zeichner in einem Ingenieurbüro tätig ist, beim Weißen Kreuz (WK) aktives Mitglied und seit sieben Jahren der Leiter der Sektion Bruneck. Zu seiner Sektion gehören neun Gemeinden, 16 Angestellte, vier freiwillige Zivildiener und 173 Freiwillige. „Um der Bevölkerung rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr die bestmögliche Versorgung zu garantieren, braucht es eine geregelte Diensteinteilung. Die Angestellten und Zivildiener sind hauptsächlich an Werktagen im Dienst. Die Freiwilligen werden tagsüber, an den Wochenenden und in den Nachtstunden zum Dienst eingeteilt. Unser Ehrenamt ist zeitintensiv, aber dass unsere Freiwilligen Zeit mitbringen, setze ich voraus. Man findet Zeit, für das, was einem wichtig ist“, weiß Forer. Die Bereitschaft sich für andere einzusetzen nennt Josef Auer, Pustertaler Bezirksvertreter der Bergrettung, als Beweggrund für sein anspruchsvolles und gelegentlich auch gefährliches Ehrenamt, zudem „bin ich der Meinung, jeder Mensch sollte einen Teil seiner Fähigkeiten für eine Zeitlang der Gemeinschaft zur Verfügung stellen.“ Auer, hauptamtlich als Lehrer tätig, stellt seine Fähigkeiten als Bergretter bereits seit 27 Jahren der Gemeinschaft zur Verfügung und seit vier Jahren ist er als Bezirksvertreter im Vorstand des Bergrettungsdienstes im AVS. Aktuell gibt es 201 Mitglieder in seinem Bezirk, zu dem alle Pustertaler Gemeinden zählen bis auf die fünf Gemeinden des Gadertals, Vintl und Sexten, welche Mitgliedsgemeinden des Aiut Alpin Dolomites (AAD) sind. „Der AAD ist die Flugrettung in den Dolomitengebieten. Auf Bestreben von Raffael Kostner, heute Technischer Leiter beim AAD, wurde 1989 ein Hubschrauber angemietet und 1990 haben neun, heute sind es 17, Rettungsmannschaften aus Südtirol sowie Belluno und Trentino den AAD gegründet, um die Bergrettung mit dem eigenen Hubschrauber besser zu koordinieren. Vorher wurde bei Bergeinsätzen ein Militärhubschrauber angefordert. Diese Piloten konnten zwar einen Hubschrauber steuern, aber vom Gebirge hatten sie meist wenig Ahnung, und gerade das ist unbedingte Voraussetzung, um einen Bergeinsatz gut zu fliegen. Jetzt, mit unserem Hubschrauber, bestimmen wir, wer mitfliegt: Ein guter Pilot, ein ausgebildeter Notarzt, ein Bergretter und ein Windenmann, der Bergführer ist und den Einsatz koordiniert. Für Lawinenunfälle ist im Winter auch ein Hundeführer mit seinem Hund in Bereitschaft, die ebenso mitfliegen“, erläutert Bergführer Adam Holzknecht, der seit 32 Jahren Bergretter ist und seit 2014 Präsident des AAD.
FINANZIERUNG
Bei der Bergrettung gibt es nur ehrenamtliche Mitglieder, beim AAD und beim WK ist es bei Weitem der überwiegende Teil. Die Vereine finanzieren sich durch Landes- und Mitgliederbeiträge, durch die fünf Promille der Steuerzahler, durch Spendengelder und Unkostenbeiträge, die etwa für Fahrten beim WK für Nichtmitglieder selbst übernommen werden müssen oder bei der Flugrettung, wie Holzknecht anführt: „Jede Flugminute, die wir fliegen, kostet uns 84 Euro. Vom Sanitätswesen bekommen wir nur 62 Euro, obwohl die Sanität selbst 140 Euro pro Flugminute Provinz- und Staatsfremden verrechnet. Die Kosten für den Notarzt werden auch von uns übernommen. Und so belaufen sich unsere Selbstkosten pro Jahr auf 400.000 Euro, die nicht leicht zu beschaffen sind.“
FLUGRETTUNG
Die Landesflugrettung wurde im Jahr 1986 mit einem Hubschrauber Pelikan 1 in Bozen in Betrieb genommen, 1988 folgte die Basis in Brixen mit Pelikan 2. Im Jahr 1998 wurde der Dienst des AAD mit Sitz in Gröden als saisongebundener dritter Rettungshubschrauber in den Landesflugrettungsdienst aufgenommen. Für dessen reibungslosen Ablauf sorgt seit 2010 der privatrechtliche Verein „HELI Flugrettung Südtirol – Elisoccorso Alto Adige“. Die Mitglieder sind das WK, die Bergrettung im AVS, der Alpenverein Südtirol, die Südtiroler Berg- und Höhlenrettung des CNSAS und der Club Alpino Italiano Alto Adige. „Wird bei einem Bergeinsatz ein Hubschrauber benötigt, entscheidet die HELI Flugrettung, welcher von den drei Hubschraubern zum Einsatz kommt. Um in einem Rettungshubschrauber mitzufliegen, muss man zunächst Mitglied bei einer Bergrettungsorganisation sein, dann folgt die vierjährige Ausbildung zum technischen Flugretter. Diese wird von der Bergrettung im AVS oder dem CNSAS organisiert und vom Land finanziert. Der AAD organisieren gemeinsam mit den CNSAS die Bergausbildung der Notärzte“, informiert Holzknecht.
VORAUSSETZUNGEN
„Die Fähigkeit, sich in Fels, Eis und Schnee sicher bewegen zu können, alpinistische Erfahrungen, die bei einem Aufnahmetest überprüft werden, und die Bereitschaft, mindestens 21 Tage Ausbildung in den Bereichen alpinistische und Rettungstechnik sowie Notfallmedizin in zwei Jahren zu absolvieren. Den Abschluss bildet eine Aufnahmeprüfung“, nennt Auer die nicht wenigen Voraussetzungen, um ein Mitglied der Bergrettung zu werden. Beim WK ist die Ausbildung in drei Stufen unterteilt. Die erste Stufe ermöglicht das Mitfahren im Krankentransport, Stufe zwei im Rettungstransport und Stufe drei im Notarztwagen. „Wir brauchen keine Draufgänger. Als Freiwilliger in der WK-Montur ist man den Hauptamtlichen gleichgestellt, man hat Vorbildfunktion und trägt Verantwortung“, so Forer.
SEIN LEBEN IN GEFAHR?
„Natürlich macht man sich Gedanken“, so Auer, „dass man bei einem Einsatz auch sein Leben in Gefahr bringen könnte. Wir (glauben zu) wissen, welches Risiko wir eingehen. Lebensgefahr besteht allerdings bei den wenigsten Einsätzen. Wenn doch, muss entschieden werden, ob der Einsatz überhaupt durchgeführt wird bzw. wie das Risiko minimiert werden kann. Nicht jeder Rettungsversuch muss um jeden Preis unternommen werden. Als Bergretter schaut man zuerst auf seine eigene Sicherheit, dann auf die Sicherheit der Kameraden, dann kommt mal eine Weile nix und dann kommt der oder die Notfallbetroffenen. Jede Änderung dieser Reihenfolge erhöht das Risiko. Ein Restrisiko bleibt immer. Und das einzig sichere am Restrisiko ist, dass es irgendwann eintritt.“
STÄRKUNG DER MORAL
Besonders Einsätze mit Toten sind schwere Belastungsproben, die sich auf die Moral auswirken können. „Es gibt eine PEER-Gruppe, die die Einsatznachgespräche mit den Einzelnen, wenn gewünscht, führen. Ich möchte nie, dass ein Freiwillier deshalb ausscheidet, weil er mit einem Erlebnis im Dienst nicht zurechtgekommen ist,“ betont Forer. „Große und anspruchsvolle Einsätze erhöhen erfahrungsgemäß die Moral der Mannschaften, egal wie sie ausgehen, weil sich alle voll einbringen und das tun können, wozu sie zur Bergrettung gekommen sind“, ist Auer überzeugt und fügt hinzu, „egal wie ein Einsatz für die Notfallbetroffenen ausgeht, wir haben das getan, was technisch und menschlich möglich und vertretbar ist. Insofern kann ein Todesfall zwar tragisch sein, ist aber leider nicht immer zu verhindern. Bei Bedarf gibt es eigens psychologisch ausgebildete Bergretter, die anonym von unseren Mitgliedern zur Bewältigung individuell belastender Ereignisse kontaktiert werden können. Grundsätzlich ist aber die Rettung schwer verletzter Personen anspruchsvoller, als eine Totenbergung.“ Gerade wenn die Bergretter noch unerfahren seien, wäre eine Totenbergung besonders schlimm, bestätigt Holzknecht: „Wir kümmern uns dann, fragen nach, wie es gelaufen ist. Tote vom Berg zu holen ist immer beeindruckend.“
SCHLIMME ERFAHRUNGEN
Als sein schlimmstes Erlebnis bei der Bergrettung nennt Auer: „Die Bergung eines Kindes nach einem Steinschlag, und nachher den Eltern die Todesnachricht zu überbringen.“ Holzknecht nennt kritische Momente, „wenn die Laichenteile der Toten in den Felsen geborgen werden müssen. Wie 2013 beim Absturz der drei in der Langkofel Nordwand oder vorigen Sommer die zwei Pusterer an der Santnerspitze. Letzen Oktober beim Unglück auf dem Hochferner, als unter den vier Toten auch drei Bergretter waren, war der AAD gar nicht im Dienst. Da die Suchaktion aber wegen des schlechten Wetters nach fünf Tagen noch andauerte, haben wir angeboten, unser neues Suchgerät, den Recco-Sar, einzusetzen. Die Verunglückten waren mit Recco-Reflektoren ausgerüstet, und bereits nach fünf Minuten Suchzeit wurden wir fündig.“ Die Freude sei aufgrund der Totbergung dennoch gedämpft gewesen, aber „die Einstellung, nicht aufzugeben, muss man haben. Auch für die Angehörigen. Solange man nicht die Gewissheit hat, sind die Vermissten nicht tot.“
WAS FRUSTRIERT
Auch wenn beim Einsatz das Zustandekommen des Notfalls keine Rolle spiele, so Auer, so frustriere doch, „wenn allgemein gültige alpine Verhaltensregeln sehenden Auges missachtet werden, vor allem wenn größere Gruppen unterwegs sind. Und das ‚gscheide Reden‘, wenn ein riskantes Verhalten ohne Schaden ausgegangen ist.“ Dem pflichtet Holzknecht bei: „Heute muss alles schnell gehen. Man informiert sich in den neuen Medien über Touren und lässt die eigene Erfahrung außer Acht. Die Kondition mag gut sein, aber die holt man sich nicht mehr wie früher am Berg selbst, sondern auf den Skipisten oder in den Kletterhallen. Kommt man dann nicht mehr weiter und es wird dunkel, ist man sofort verzweifelt. Die Menschen wollen nichts mehr aushalten. Wenn es keine Verletzten gibt und die Ausrüstung passt, kann man ruhig mal die Nacht im Freien verbringen. Etwas mehr Mut täte gut.“
WORAUF ES ANKOMMT
Die Helden der Rettungsmannschaften sehen sich selbst in bescheidener Manier als Menschen, die sich professionell dafür einsetzen, dass Menschen aus misslichen Lagen gerettet werden können. Und dass gelinge, so Forer, weil „alle Rettungsmannschaften eine gute Freundschaft verbindet. Da wird keine ‚Kirchturmpolitik‘ betrieben, sondern wir pflegen respektvollen Umgang miteinander und Wertschätzung füreinander. Jede Organisation hat ihr Spezialgebiet, aber der Erfolg gelingt erst durch die gute Zusammenarbeit.“ (SP)
Hans Peter Forer, WK Sektionsleiter Bruneck:
„Rettungsmannschaften sind nichts für Einzelkämpfer.“
Josef Auer, Bergrettung Bezirksvertreter Pustertal:
„Helden gibt es nur auf dem Friedhof.“
Adam Holzknecht, Präsident Aiut Alpin Dolomites:
„Unsere Einstellung: Suchen, bis man Vermisste findet.“
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