Alex Huber Lieblingsort ist eine ziemlich enge, schwimmende Plastikschale. Darin fährt er über Flüsse und Gewässer, die ihm einen völlig anderen Blick auf die Welt eröffnen. Und mit diesem Kajak-Boot aus Plastik macht er sich auf Reisen rund um den Globus.
Was machen Sie eigentlich so, wenn draußen schlechtes Wetter herrscht? Mit Sport läuft dann nicht viel, oder? Außer dem Fitnessstudio oder dem Fernseher bleibt einem nur wenig übrig. Schlecht Wetter sind schlechte Zeiten für Freiluftsportler. Nun ja, nicht für alle. Da wäre zum Beispiel Alex Huber aus St. Lorenzen, dem es einerlei ist, ob draußen vor der Tür die Sonne scheint, Regen prasselt oder sogar Schnee fällt. Alex kann seinem Sport immer nachgehen, denn Alex fährt Kajak. Ihm kann das Wetter egal sein, denn das Wasser im Fluss ist immer nass, es ist immer kalt, es ist für ihn immer eine herrliches ‚Planschbecken‘. Begonnen hat alles vor fünf Jahren mit einem beiläufigen Gespräch zu später Stunde im Lärm und Trubel einer Diskothek. Ein paar von Alex Kollegen erzählten ihm von dem Kajak-Kurs, den sie neulich mal eben schnell gemacht hatten, nur so zum Spaß. Zwischen einem Getränk und dem anderen ließ sich Alex von ihnen dazu überreden, sie bei einer Bootsfahrt zu begleiten – eine Entscheidung mit gravierenden Folgen. Das Boot, das Gleiten über den Fluss, das Reiten über die Wellen, das Spritzen der Gischt – für Alex war das Fahren mit dem Kajak Liebe auf den ersten Blick. Es dauerte nicht lange und er betrieb den Sport regelmäßig. Wenig später traten er und seine Kollegen der Sektion Kajak im SSV Bruneck bei, wo sie von erfahrenen Leuten wie Roland Walch und Roland Oberleiter allerhand lernten. Heute ist Alex selbst ein Routinier mit dem Kajak. Seine Erfahrung erlaubt es ihm, Bootsfahrten in den entlegensten Winkeln der Welt zu unternehmen. Der ‚Puschtra‘ hat ihn zum Interview getroffen und dabei einiges über andere Welten, das nahe Paradies und das Dasein als sportlicher Exot erfahren.
Puschtra: Die Puschtra leben in den Bergen, mit Leidenschaft verehren und begehen sie den festen, felsigen Boden unter ihren Füßen. Wie würdest einem Wanderer und Bergsteiger den Kajak-Sport schmackhaft machen?
Alex Huber: Wenn man sich aufs Wasser begibt erreicht man Orte, die ein Landsportler nie erreichen kann. Da eröffnet sich eine neue Welt. Und zudem ist es völlig egal, welches Wetter herrscht, wenn man mit dem Boot unterwegs ist – Regen, Schnee, Sonne, alles geht. Neues entdecken und der Natur ausgesetzt sein – das sind doch ziemlich starke Argumente.
Allerdings, das klingt nicht schlecht. Wie oft folgst du dem Ruf deines Bootes?
Ich versuche so oft wie möglich mit dem Kajak zu fahren, vor allem im Frühling wenn die Wasserstände hoch sind. Sofern es meine Arbeit zulässt, bin ich bis zu vier Mal pro Woche mit dem Boot unterwegs. Im Winter ist die Frequenz etwas niedriger, aber auch in den kalten Monaten kann man aufs Wasser gehen. Ich war schon mal bei -8°C in den Wellen.
Da muss man wohl ganz schön ‚kaltblütig‘ sein. Was sind die anspruchvollsten Strecken, die du bis dato gemeistert hast?
Also, im näheren Umkreis, hier bei uns, denke ich dabei vor allem an den Schlosskatarakt auf der Ahr bei Sand in Taufers, an die Rienzschlucht von Mühlbach bis Brixen und das Teilstück der Gader von Zwischenwasser bis nach Montal. Das sind Strecken, die fordern und gleichzeitig Spaß machen. Wenn ich hingegen über die Grenzen Südtirols hinaus denke, dann sind mir die Bootsfahrten in Neuseeland, in der Kaituna Schlucht sowie auf dem Tutoku im dortigen Fjordland besonders in Erinnerung geblieben. Das gleiche gilt aber auch für den Fluss Codi auf Korsika und den Fuy in Chile.
Moment mal, das heißt, du warst sogar am anderen Ende der Welt, um dort Kajak zu fahren. Wie fährt es sich mit dem Boot ‚down under‘?
Die Fahrt durch die Kaituna Schlucht werde ich wohl nie mehr vergessen. Die Strecke ist 25 km lang und beansprucht den ganzen Tag. Teilweise verengt sich der Fluss auf eine Breite von zwei Metern, mit Felswänden, die links und rechts von dir senkrecht nach oben streben. In einer dieser Engstellen hab ich mir mein Boot an einem Stein aufgeschlitzt – kurz bevor wir zur Schlüsselstelle der gesamten Strecke gekommen sind. Mein Kajak hat sich sofort mit Wasser gefüllt, in einer kleinen Nische konnte ich es notdürftig kleben. Acht Reparaturen später und nach einer nervenaufreibenden Fahrt hab ich es dann doch noch heil aus der Schlucht geschafft. Es war toll wie wir als Gruppe mit dieser schwierigen Situation umgegangen sind. Der Zusammenhalt war enorm, wir haben die Schwierigkeiten zusammen gemeistert. Das sind prägende Erlebnisse.
Neuseeland, Südamerika, Südeuropa. Ihr nehmt für euer Hobby große Strecken auf euch. Warum eigentlich? Das Kajak-Eldorado Alpen-Bäche liegt für euch doch zum Greifen nah.
Ich arbeite in einer Tiefbaufirma und habe also im Winter eine längere Zeit frei. Diese Zeit nutze ich, um zu reisen. Wenn bei uns die Wasserstände sehr niedrig sind, herrschen auf der anderen Seite der Weltkugel beste Bedingungen. Aber sobald die Saison bei uns halbwegs los geht, nutze ich natürlich die perfekten Bedingungen und naheliegenden Flüsse hier in den Alpen. Osttirol, Ötztal, Piemont, Tessin, Slovenien, Tschechien, Korsika oder Frankreich – wir haben das Kajak-Paradies direkt vor der Haustür, immer leicht mit dem Auto zu erreichen.
Man findet euch Kajak-Fahrer meist dort, wo sonst kaum ein Sportler unterwegs ist: auf Flüssen, in unzugänglichem Gelände. Ist das für euch auch eine Art Flucht vor den Massen an Outdoorsportlern, die sonst so unterwegs sind?
Ja sicher, auf den Flüssen muss man nie irgendwo in einer Schlange anstehen oder gar Tagestickets kaufen, man muss sich auch nicht an Öffnungszeiten halten und kann fahren sobald man Lust hat.
Boot, Ausrüstung, Anfahrt: Ist dieser Sport zu aufwändig, als dass er in Südtirol irgendwann zu einem Breitensport werden könnte, wie etwa das Bergsteigen?
Klar braucht man einiges an Ausrüstung, aber das ist bei anderen Sportarten auch so. Was mich reizt, ist die Tatsache, beim Kajak etwas zu tun, was nicht jeder macht. Die Stille und Einsamkeit in gewissen Flüssen, fernab von Hektik, auf die eigenen Fähigkeiten und das Können deiner Begleiter gestellt zu sein ist ein super Gefühl. Und mit dem Boot kann es manchmal ganz schön aufregend, um nicht zu sagen brenzlig werden. So hab ich mir einmal bei einen Wasserfall einen Wirbel angebrochen und bei der Fahrt über den Schlosskatarakt in Taufers konnte ich mich mal nur noch mit Ach und Krach ans Ufer retten.
Du hast es vorhin angesprochen: Südtirol bietet eigentlich beste Voraussetzungen fürs Kajak. Wieso fristet dieser Sport nach wie vor ein Nischendasein?
Ich denke, dass geeignete Trainingstätten fehlen. Der Sport kann sich nur entwickeln, wenn Infrastrukturen vorhanden sind, die es den Jugendlichen erlauben, den Sport sicher und mit geringem Aufwand zu betreiben. Es bräuchte eigentlich nur eine kurze Strecke mit einem Boothaus, wo man die Ausrüstung deponieren kann. Die Sektion Kajak des SSV Bruneck bemüht sich schon seit Jahren um einen solchen Wildwasserpark.
Kommen wir noch zum Thema Extremsport. Auch Kajak-Profis stehen immer mehr unter Druck, halsbrecherische Bilder und Aufnahmen zu liefern. Wie stehst du zu dieser „Red-Bullisierung“ des Sports?
Ich beneide niemanden der mit solchen Videos sein Geld verdienen muss, der Druck auf die Sportler wird immer größer. Wenn sie nicht liefern, macht es halt ein anderer, da führt zu immer größerem Druck und notgedrungen auch zu Unfällen. Ich bin froh, da nicht mit machen zu müssen. Ich bin glücklich, einer geregelten Arbeit nachgehen zu dürfen und in meiner Freizeit ohne Druck das zu tun, was mir gefällt.
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