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Ingo Irsara aus St. Leonhard in Abtei

“Ich habe einen wunderbaren Beruf: Mein Arbeitsplatz sind die Berge.”

Seit Juni ist Ingo Irsara Präsident des Verbandes der Südtiroler Berg- und Skiführer, dem rund 200 Bergführer im Lande angehören. Der Weg am Berg ist für Irsara das wirkliche Erlebnis, der Gipfel kein „Muss“, sondern nur eine zusätzliche Erfüllung.

Wie kamen sie zum Bergsteigen?
Mein Vater nahm mich schon als Kind immer mit zu Klettersteigtouren, wir haben zusammen sehr viele gemacht. Mit etwa 14 Jahren am Alleghesi-Klettersteig an der Civetta sah ich zwei Kletterer. Das hat mich so fasziniert, dass ich es auch probieren wollte. Ich hatte weder Ausrüstung noch eine Ahnung und fing halt an, mit Turnschuhen an kleineren Felsen herumzukraxeln. Auch die Steinmauern bei unserer Dorfstraße waren ein gutes Übungsfeld für mich. Mit der Zeit wagte ich mich mit Freunden auf unsere erste Tour, den Piz da Lec. Es war eine wahre Expedition für uns.

 …und zum Bergführen?
Später war ich mit Simon Kehrer viel unterwegs, er hatte die Ausscheidung zur Bergführerprüfung gemacht und so wollte auch ich es probieren. 2002 war es dann so weit und gemeinsam mit Simon machte ich die Ausbildung zum Bergführer. Beruflich bin ich Elektriker und arbeitete im Betrieb meines Vaters, aber meine Freude dafür war nie groß. Mein Vater murrte, wenn mir das Klettern wichtiger war als der Beruf, aber im Endeffekt war er auch stolz, wenn mir besondere Touren gelangen. Am Anfang musste ich daheim immer ein bisschen lügen: Ich erinnere mich an eine Tour mit einem Kollegen an der Gardenaccia. Wir hatten nur einen Tischlerhammer dabei und zwei Haken, fanden am Einstieg dann noch einen weiteren, somit hatten wir plötzlich drei Haken. Hätte ich daheim von unserem Vorhaben erzählt, hätte ich nicht gehen dürfen, denn an der Gardenaccia gab es damals aufgrund der Brüchigkeit des Felsens mehrere Unfälle. Als ich 23 Jahre alt war, starb mein Vater und ich musste den Betrieb alleine weiterführen und das Klettern zurückstecken. Im Winter arbeitete ich auch als freiberuflicher Skilehrer. Ich fühlte aber, dass das Klettern mein Leben sei und habe mich mit etwa 29 Jahren endgültig für den Bergführerberuf entschieden und es bis heute nicht bereut.

Was macht einen guten Bergführer aus?
Voraussetzung ist eine fundierte Ausbildung. Dann muss man dem Kunden gegenüber oft auch ein wenig Psychologe sein und ihn motivieren und seine Fähigkeit und seinen Gemütszustand einschätzen können. Man ermöglicht ihm Ziele, die ohne Hilfe für ihn nicht möglich wären. Vom Kunden erhält man eine große Dankbarkeit, wenn er ein schönes Ziel geschafft hat. Unser Beruf ist sehr vielseitig und geht von Wanderungen über Klettersteige bis zu Kletter- oder Gletschertouren. Ein guter Bergführer ist ein alter Bergführer, denn das heißt, dass ich meine Arbeit gut gemacht und auch ein bisschen Glück gehabt habe.

Der Beruf birgt aber viele Gefahren…
Ich habe mehr Angst, auf der Autobahn unterwegs zu sein. Auf dem Berg fühle ich mich weitaus sicherer. Die objektiven Gefahren, das Restrisiko bleibt, das ist ganz klar. Aber man kann die Gefahr weitgehend vermeiden.

Haben Sie auch Angst?
Zum Glück habe ich Angst. Sie hilft, eine Situation zu überdenken, einen Rückweg einzuschlagen oder nicht über das Limit zu gehen. Wenn ich in eine Situation gerate, wo mir eine Umkehr nicht möglich ist, ziehe ich alle Register meiner Ausbildung und Erfahrung. Ich darf mich nicht aus der Fassung bringen lassen, kann vernünftig handeln und so die Angst überwinden.

Was sagt Ihre Familie zu Ihrem Beruf?
Ich habe meine Lebenspartnerin durch eine Bergbesteigung kennen gelernt. Sie weiß also schon einzuschätzen, was ich tue. Ich kann durch meinen Beruf die Zeit mit meiner Frau und meiner Tochter einteilen, vor allem in den Nebensaisonen wie jetzt ist es ja relativ ruhig.

Gibt es für Sie einen Lieblingsberg?
Jeder Berg hat seinen Charakter, seinen Reiz. Mit meinem Hausberg, dem Heiligkreuzofel, verbinden mich am meisten emotionale Erlebnisse, da mein Onkel das Heiligkreuzkofel-Hospiz betrieb und ich dort viele Tage meiner Kindheit verbrachte. Später gelangen mir am Heiligkreuzkofel die Erstbesteigungen der Routen „Menhir“ im Schwierigkeitsgrad 9- und „Quo Vadis“ im 10-. Ob mein Name mit einer neuen Route verknüpft ist, bedeutet mir nicht so viel, aber es ist für mich eine persönliche Freude, wenn ich hinaufschaue und „meine“ Linie am Berg sehe.

 Aber der Berg an sich, was bedeutet er für Sie?
Freiheit. Es ist für mich ein emotionales Erlebnis. Mein Arbeitsplatz ist mitten in der Natur. Bergsteigen ist für mich Leben, ein Leben ohne Berge kann ich mir nicht vorstellen.