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Vom Bergbub zum Millionär

Dr. Georg Kofler

TRAUMKARRIERE DES OBERRASNERS GEORG KOFLER
Er wird in den Medien betitelt als „Manager“, „Unternehmer“, „Medienmogul“, „mediales Urgestein“, „alter Hase im TV-Geschäft“, als „erfolgreichster Manager im deutschen Privatfernsehen“: Georg Kofler. Er, der am 26. April 1957 in Oberrasen geboren ist und im Vorjahr seinen 60. Geburtstag feierte, hat erreicht, wovon so mancher träumen mag. Mit Überzeugung, konstanter Zielstrebigkeit, harter Arbeit und einem Quäntchen Glück gelang dem Pustertaler Bergbub der wirtschaftliche und soziale Aufstieg.

 

Puschtra: Wenn Sie heute Ihr Leben Revue passieren lassen, welche Gefühle stellen sich ein?
Georg Kofler: Eine Mischung aus Dankbarkeit und Zufriedenheit. Dankbar bin ich, weil ich bisher viel Glück in meinem Leben hatte. Ich habe viel riskiert und meistens ging es gut, einige Male sogar besser als in meinen kühnsten Erwartungen. Ich war allerdings auch immer bestrebt, dem Glück die Tür zu öffnen: Ich bin als junger Kerl recht unerschrocken in die Welt hinausgegangen, habe mich auf unbekannte Wege getraut, war offen für Veränderungen und teilweise radikale Neuerungen. Zufrieden bin ich, weil ich das Gefühl habe, das ich meine Chancen im Spiel des Lebens erkannt und ein paar Mal gut genutzt habe.

Wie würden Sie sich charakterisieren?
Ich sehe mich selbst als Unternehmer. Unternehmertum ist für mich viel mehr als nur eine ökonomische Beschäftigung. Es ist eine geistige Grundhaltung, eine Lebensform. Firmen bauen, Mitarbeiter begeistern, Marken schaffen, interessante Deals kombinieren, Risiken für Zukunftsprojekte einzugehen, das ist meine Welt – am liebsten im Medien- und Marketingbereich. So richtig für die unternehmerische Lebenseinstellung entflammt hat mich Leo Kirch, dessen Assistent ich war und der mir die großartige Chance eröffnet hat, im Alter von 31 Jahren als Geschäftsführer den Fernsehsender ProSieben zu gründen.

Die markantesten Aufs und Abs in Ihrer Traumkarriere?
Traumkarriere klingt ja etwas kitschig, so als ob einem jeden Tag in strahlender Glückseligkeit neue Erfolge zufliegen würden. In Wirklichkeit hat so eine Karriere ja auch mit viel Einsatz, Mut, Ausdauer, Rückschlägen, Risiken und der schon erwähnten Portion Glück zu tun. Aber im Ergebnis, da gebe ich Ihnen recht, ist es für mich bisher schon sehr gut gelaufen. Zu den Höhepunkten zählen sicher die Börsengänge von ProSieben und Premiere, beides Riesenerfolge. Der in der Öffentlichkeit meistbeachtete Tiefpunkt war der Verlust der Bundesligarechte für Premiere im Dezember 2005.

Ihr Elternhaus war bescheiden?
Ich wurde 1957 als erster Sohn von Josef Kofler und Kreszenz (Zenzi) Gatterer geboren. 1958 folgte mein Bruder David, 1959 meine Schwester Monika. Mein Vater, eines von 18 (!!!) Kindern der „Müller“ Familie in Oberrasen, verdiente sein Geld als Holzfäller und später als selbstständiger Holzunternehmer. 1959 ging er zu Mannesmann Rohrbau als Gastarbeiter nach München, arbeitete hart, bildete sich weiter und qualifizierte sich recht bald zum Baustellenleiter. Aber völlig überraschend starb er im Alter von 36 Jahren an einem Herzinfarkt. Meine Mutter stand mit uns, ich vier Jahre alt, David drei, Monika eineinhalb, alleine da. Sie fand Anstellung als Näherin bei Moessmer in Bruneck, arbeitete dort 24 Jahre lang. Im Rückblick kann ich sagen, dass uns die Mutter auch in den ersten schweren Jahren nach dem Tod unseres Vaters eine schöne und sorgenfreie Kindheit ermöglicht hat, auch dank ihrer Mutter, unserer geliebten Oma, die bei uns zu Hause eingezogen ist und den Haushalt geschmissen hat. Besonders hoch rechne ich meiner Mutter an, dass sie es schaffte, alle drei Kinder aufs Gymnasium zu schicken. Wir haben alle auch an diversen Universitäten studiert.

Georg Kofler:“Jeder ist seines Glückes Schmied!“

 

Wie verlief Ihre Kindheit in Oberrasen?
Daran erinnere ich mich gerne zurück. Es war eine unbeschwerte Zeit. Ich war Ministrant und musste das Confiteor Deo Omnipotenti natürlich auf Latein auswendig lernen. In den Schulpausen spielten wir Fußball und Völkerball. Besonders gerne habe ich mit den „Speckern“ (Murmeln) gespielt. Unvergesslich die Erfolgserlebnisse, wenn ich mit den Hosentaschen voller Specker, die ich von meinen Mitspielern gewonnen hatte, nach Hause kam! Noch heute steht ein großes Einweckglas voller Glasmurmeln aus meiner Kindheit auf meinem Schreibtisch.

Ihre prägendsten Erinnerungen an Ihre Schulzeit?
Im Alter von elf Jahren war ich in den Sommerferien drei Monate ohne Unterbrechung als Hüterjunge auf einer Alm im Defreggental. Alleine mit einem Senner und 36 Stück Rindern und Kälbern, die ich jeden Tag auf die Weide trieb. Ein ziemlich einsamer Job! Allerdings wurde ich durch das viele Laufen, die Stallarbeit und die Ernährung mit Milch, Butter, Speck und hartem Brot ziemlich kräftig. Das zahlte sich in meinen ersten Jahren im Vinzentinum aus, wo ich mich bei den üblichen Raufereien unter den Jungs gut behaupten konnte. Dass ich ins Vinzentinum kam, war allein das Verdienst meiner Mutter, die dafür eigens nach Brixen gefahren ist. Im Vinzentinum blieb ich sieben Jahre, bis ein Jahr vor der Matura. Da wurde ich entlassen mit der Begründung, ich sei „zu selbständig“. Ab dem ersten Jahr Gymnasium war ich im Heim der „Fernsehsprecher“. In dieser Funktion verhandelte ich mit den Präfekten, welche Fernsehprogramme unsere Klasse am Abend schauen durfte. Mein größter Verhandlungserfolg war „Bonanza“, das am Freitagabend um 20.15 Uhr lief, natürlich schwarz-weiß. Als ich viele Jahre später mit Leo Kirch den Kauf aller 525 Folgen Bonanza für Kabel 1 verhandelte, habe ich diese Geschichte erzählt und auf dieser Grundlage einen Sonderrabatt von fünf Prozent beantragt, den mir Kirch, damals der größte Film- und Serienhändler Europas, unter lautem Lachen auch zugestanden hat!

Ihr Studium führte Sie nach Wien?
Im Alter von 18 Jahren war mir klar, was ich werden wollte: Journalist. Traumjob: Wirtschaftsredakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Daher das Publizistikstudium dazu noch Politikwissenschaft. Auch Wien war bewusst gewählt: weit weg von zu Hause. Anders als Innsbruck. Die Innsbrucker Studenten haben wir „Wiener“ verspöttelt, sie würden mit den tiefgefrorenen Knödeln von zu Hause am Sonntagabend über den Brenner fahren und mit einem Sack Schmutzwäsche am Freitagabend zur Mami wieder zurückkehren. Finanziert habe ich mein Studium durch Stipendien und Ferienjobs: Akkordarbeit beim Wasserleitungsbau, Ofenwerker in der Aluminiumhütte in Töging am Inn. Schichtzulage, Hitzezulage, Dreckzulage, so ziemlich alles, was ein Tarifvertrag für körperliche Schwerarbeit hergibt. Aber im Gegenzug gab’s für meine Verhältnisse viel Geld.

Mit dem Studienende 1983 begann Ihr Aufstieg in der Medienwelt. Wie gelangen Ihnen die Karrieresprünge?
Drei Faktoren waren entscheidend: Erstens habe ich meine jeweilige Arbeit mit Engagement und Zuverlässigkeit erledigt. Damit schafft man Vertrauen. Zweitens habe ich eine gute Intuition, einen Blick für Chancen. Und drittens habe ich diese Chancen mit Entschlossenheit und Mut verfolgt. Zum Beispiel ProSieben. Ich wusste, das ist mein Job. Ich war 31 Jahre alt, hatte keinerlei Führungserfahrung, aber ich spürte innerlich, das kann ich und ich kann es besser als andere. Ich war Leo Kirchs Assistent und ich konnte ihn überzeugen, mir die Führung des neuen TV-Senders zu übertragen. Im Oktober 1988 wurde ich zum Geschäftsführer bestellt und am 1. Januar 1989, eine Minute nach Mitternacht, ging ein neuer Fernsehkanal namens ProSieben auf Sendung.

In den 1990er Jahren galten Sie als wichtiger TV-Manager. Wie kamen Sie in der Medienwelt zurecht?
Der Umgang mit Öffentlichkeit fiel mir leicht. Podiumsdiskussionen vor tausend Leuten oder Fernsehdebatten vor Millionen Zuschauern haben mich nie eingeschüchtert, sondern eher angespornt. Zudem war ich mit ProSieben Jahr für Jahr erfolgreicher, und das war natürlich für Motivation und Selbstbewusstsein durchaus förderlich. Eine spezielle Herausforderung war der Börsengang von ProSieben. Es war der erste große Börsengang eines deutschen Medienunternehmens. Die Skepsis war groß. Als dann die ProSieben Aktie in den Handel ging, betrug der Emissionserlös 1,1 Milliarden D-Mark. Das war eine Zahl, die selbst erfahrenen Börsenprofis die Sprache verschlug: Wir hatten in unserem Orderbuch Bestellungen für ProSieben Aktien im Gesamtwert von 60 Milliarden D-Mark, wir waren 52-fach überzeichnet – bis heute einer der Bestwerte in der deutschen Börsengeschichte.

Bei Premiere fiel der Börsenwert kurz nach dem erfolgreichen Börsengang um 40 Prozent. Von „Verzocken“ und geschönten Abozahlen war die Rede. Ihnen wurde keine Schuld nachgewiesen, aber doch folgte Ihr Rückzug aus der medialen Öffentlichkeit?
Premiere war zweifelsohne das schwierigste Projekt in meinem Berufsleben. Ich übernahm die Geschäftsführung von Premiere, im vielleicht kritischsten Moment, zwei Monate vor der Insolvenz der Kirchgruppe. In der Tat wurde die Sanierung von Premiere zu einem einzigen Hindernisparcours. Doch der Turnaround gelang. Drei Jahre nach meinem Einstieg führte ich Premiere an die Börse. Nun wollte ich das positive Momentum nutzen, um bei der Vergabe der Übertragungsrechte für die Fußball Bundesliga mehr Exklusivität für Premiere zu erreichen. Aber Premiere verlor die Bundesliga Rechte, die Aktie halbierte sich. Die Zeitungen schrieben, ich hätte mich verzockt. Wir bei Premiere gaben nicht auf und eineinhalb Jahre später, Mitte 2007, kapitulierte der eigens gegründete Konkurrenzsender Arena. Premiere bekam alle Rechte wieder zurück, und dies noch zu deutlich besseren Bedingungen als vorher. An diesem Punkt entschloss ich mich, aus dem Mediengeschäft auszusteigen, nach 25 Jahren in der Fernsehbranche, davon fast 20 Jahre als Vorstandschef. Ich wollte mich neuen Themen zuwenden, mich als Unternehmer neu erfinden.

Welche waren die neuen Herausforderungen?
Ich entschied mich für das Thema Energie, genauer: Energieeffizienz. Mit meiner bisherigen Tätigkeit in der Fernsehbranche hatte dies natürlich gar nichts zu tun. Ich hatte da auch keine Kompetenz, also kaufte ich eine Reihe von Ingenieurfirmen mit ausgewiesenen Referenzen und gründete die Kofler Energies Gruppe, die heute mit über 200 Mitarbeitern an sieben Standorten in Deutschland zu den führenden Ingenieurunternehmen für technische Gebäudeplanung und Energieeffizienz gehört. Ich bin Alleingesellschafter und Vorsitzender des Aufsichtsrats, Vorstandsvorsitzender mit der operativen Verantwortung ist mein ältester Sohn Philipp.

Im Herbst 2017 waren Sie als Gastjuror in der VOX-Show „Höhle der Löwen“. Hat die Medienwelt Sie zurückgeholt?
Als Judith Williams kurz vor einer geplanten Produktion für die Höhle der Löwen erkrankte, wurde ich gefragt, ob ich kurzfristig für sie als „Gastlöwe“ einspringen könnte. Ich habe spontan zugesagt. Die Höhle der Löwen ist ein sensationeller Erfolg bei VOX: Jeden Dienstagabend, wenn die Sendung ausgestrahlt wird, ist VOX mit Abstand Marktführer. Außerdem gefällt mir die Sendung gut, weil sie den Unternehmergeist propagiert und Menschen, eben Gründer und Erfinder, in den Mittelpunkt stellt, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ich habe mich in der Sendung vom Start weg wohl gefühlt, weil ich mich keinen Millimeter verstellen musste und genauso sein konnte wie im normalen Leben, in dem ich mich ja auch ständig mit Firmengründern unterhalte. Also keine Schauspielerei, keine vordefinierte Rolle.

Gibt es weitere Pläne in der Medienwelt?
Ich hatte eigentlich nicht mehr vor, in das Mediengeschäft zurückzukehren. Aber dann eröffneten das Internet und die Sozialen Medien innerhalb kurzer Zeit eine völlig neue Medien- und Kommunikationswelt. Ähnlich wie das Satelliten- und Kabelfernsehen vor dreißig Jahren. Nur ist jetzt alles noch interaktiver, internationaler, vielfältiger. Ich bin jetzt gerade dabei, als Hauptaktionär ein neues, internationales Medienhaus zu formieren: die Social Chain Group. Unter dieser Marke werden über zwanzig junge Unternehmen aus den Bereichen Social Media Publishing, Social Media Marketing und Ecommerce zusammengefasst. Wir sind auf dem deutschen, englischen und amerikanischen Markt bereits aktiv. Wir kombinieren Hunderte von Social Media und Ecommerce Spezialisten zu einem Team mit Spitzen-Know-how, Durchschnittsalter um die dreißig. Das wird mein neues ProSieben.

Woher nehmen Sie Ihre Energie?
Die beste Quelle für Entspannung und neue Kraft ist für mich die Natur. Auf dem Golfplatz oder in den Bergen beim Klettern, Skifahren oder Biken. Und zu Hause in meinem Fitnessraum.

Sie leben mit Ihrer Familie in Bayern?
Ich bin mit Christiane zu Salm in zweiter Ehe verheiratet und habe vier Kinder: zwei Söhne aus erster Ehe (31 und 27) und zwei Töchter aus zweiter Ehe (13 und 8 Jahre alt). Hauptwohnsitz ist Rottach Egern am Tegernsee, Zweitwohnsitz Berlin Mitte. Wir mögen die Kombination aus ländlichem Leben und der Dynamik und Inspiration von Deutschlands Hauptstadt.

Was verbindet Sie noch mit Oberrasen?
Ich verbringe pro Jahr mindestens vier Wochen in Südtirol, Tendenz eher steigend. In Oberrasen steht mein Heimathaus, meine Mutter und mein Bruder wohnen da, es gibt jede Menge Verwandte, Bekannte, Bergkameraden und das Wichtigste: ein buntes, helles Gedankenbild voller Erinnerungen und Heimatgefühle. Natürlich fühle ich mich unverändert als Rasner und Pustertaler. Der beste Beweis: Nach ein paar Tagen zu Hause rede ich Puschtrisch fast so, als ob ich niemals weg gewesen wäre.

Vielen Dank für das Gespräch. (SP)