Pustertal – Ist die aktuelle Situation noch tragbar, müssen öffentliche Verkehrsmittel verbessert und ausgebaut werden oder braucht es neue und effizientere Verkehrslösungen für das Pustertal? Diese und andere Verkehrsfragen beschäftigen die Pustertaler seit geraumer Zeit. In einem runden Tisch diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Heimatpflege und Arbeitnehmer in Bruneck.
Entlang der Brenner Autobahn werden konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxid-Grenzwerte gefordert. Dem steigenden Verkehrsaufkommen wird durch Blockabfertigung und Transitverbote an den Leib gerückt. Alternative Antriebsmodelle und Förderungen im Bereich E-Mobilität sind dringend angesagt. Das Problem Verkehr ist nicht nur in ganz Südtirol ein zunehmend wichtiges Thema, denn es macht vor keiner Grenze halt.
VERKEHRS-STILLSTAND IM PUSTERTAL
Im Pustertal wird der Verkehr auf der Staatsstraße von Jahr zu Jahr mehr: an Spitzentagen schlängeln sich an die 20.000 bis 30.000 Verkehrsteilnehmer durch das grüne Tal. Staus und lange Wartezeiten sind längst zum Alltag geworden, obwohl die Pustertal Bahn schon seit Jahren im Halbstundentakt fährt, die gesamte Strecke saniert und modernisiert wurde und Umfahrungen Abhilfe schaffen sollten. „Das Pustertal vor dem Stillstand – wo sind die Alternativen?
Diese aktuellen Probleme und die Zukunftssorgen rund um den zunehmenden Verkehr und die eingeschränkte Mobilität im Pustertal“ seien die Beweggründe der Mitglieder der Bauhütte Südtirol für eine Veranstaltung gewesen. Die Diskussionsteilnehmer kamen aus Wirtschaft, Politik, Heimatpflege und Arbeitnehmer und sollten laut den Veranstaltern, voran Gründungsmitglied Maria Niederstätter, über die vorherrschende Situation „laut nachdenken“.
DIE ERSTE RUNDE
Alexander Rieper, Geschäftsführer der Rieper AG betonte, dass die Erreichbarkeit des Pustertales nun einmal durch die Brennerachse bedingt und deshalb vernünftige Verkehrskonzepte für die Zukunft unabdingbar seien. Christian Gartner, der Bürgermeister der Gemeinde Gais, war davon überzeugt, dass Mobilität heute ein „großes Feld“ ist, das durch drei Fragen gekennzeichnet sei: was brauchen wir? Was wollen wir? Was ertragen wir? Für ihn stehe fest, dass die Gesellschaft weitergehen müsse „wir können nicht zurück.“ Seit Jahrzehnten Gedanken gemacht, hätten sich die Mitglieder des Heimatpflegeverbandes, so die Obfrau Claudia Plaikner. Einschneidend seien die Jahre 2005 bis 2007 gewesen, als die Diskussion um die Anbindung des Gadertales geführt wurde. Für die Obfrau sei klar: „Die Straßen sind nicht zu schmal, der Verkehr ist zu viel.“ Anton Tschurtschenthaler, Obmann des Südtiroler Bauernbundes Bezirk Bruneck war der Meinung, dass vor allem die öffentlichen Verkehrsmittel zu verbessern seien und jeder von uns gefordert sei diese zu benutzen. Arbeitnehmervertreter Gerhard Elzenbaumer plädierte ebenfalls für die Verbesserung des bestehenden Straßen- und Bahnnetzes. Thomas Walch der HGV-Bezirksvorsitzende des Pustertals, betonte: „Wir sind selbst gefordert Lösungsansätze in der Mobilität zu finden.
EINE SCHNELLSTRAßE FÜR DAS PUSTERTAL?
Zur Frage von Moderator Eberhard Daum, ob eine Schnellstraße, wie sie bereits vor Jahren schon einmal zur Diskussion stand, nun doch die Lösung für das Pustertal sei, waren sich die Diskussionsteilnehmer nicht einig. Der Bürgermeister von Gais betonte: „Wir waren damals der Meinung, dass wir wirklich keine zweite MeBo im Pustertal brauchen, sondern eine flüssige, gut ausgebaute Straße.“ Im Nachhinein sei diese jedoch eine Überlegung wert, wie auch eine zweite Schiene für das Pustertal, so Christian Gartner. Auch Thomas Walch meinte: „es ist fünf vor zwölf. Wir müssen nachdenken, ob wir es nicht schaffen von Bruneck nach Brixen eine neue Straßentrasse zu bauen, denn so geht es nicht weiter.“ Eine zweigleisige Bahntrasse sei für Thomas Walch ebenfalls ein Punkt, der dem steigenden Verkehr entgegenwirken könnte. Ganz andere Ansätze forderte Claudia Plaikner: „wir brauchen keine zusätzlichen Straßen. Ich frage mich, warum wir immer von Erreichbarkeit sprechen, sollten wir nicht an anderen Stellen ansetzen? Wir müssen den Gästen Entschleunigung anbieten, nicht die Situation noch weiter anheizen.“ Dieses Verhalten zerstöre die Struktur des Landes. Es sei „ein Mythos, überall ständig hinkommen zu müssen“, so die Obfrau. Der Tourismus sei ein Verkehrs-Verursacher, räumte Thomas Walch ein, man biete den Gästen allerdings Alternativen, betonte er. Die Nachfrage für Südtirol sei im Steigen: die Ankünfte in den letzten zehn Jahren um 36 Prozent gestiegen und die Nächtigungen um 16 Prozent. Wie solle man jedoch die Gäste davon überzeugen, zu kommen, wann es die Straße zulässt? Ein Treffen der österreichischen, deutschen und italienischen Bahnbeauftragten stehe bereits, um über mögliche Sonderzüge für den Tourismus zu sprechen, erklärte Thomas Walch.
LÖSUNG DURCH EXPERTEN, TECHNIK UND WISSENSCHAFT
Gerhard Elzenbaumer betonte, „wir müssen bei uns selbst anfangen“ und zitierte einen Klima Report der Forschungseinrichtung Eurac Research Bozen wo Experten zu Wort kommen. In diesen Studien läge viel Potenzial die aktuellen Probleme zu lösen, ist Gerhard Elzenbaumer überzeugt. Anton Tschurtschenthaler war ebenfalls der Meinung, dass jeder von uns seinen Beitrag leisten kann und anstatt online zu bestellen, regional einkaufen könne und damit nicht nur den Verkehr reduzieren, sondern auch die regionale Wirtschaft stärken. „Wir haben eine Wirtschaft, die funktioniert und wir haben Wohlstand, die Menschen wollen auch Infrastrukturen, die funktionieren“, forderte Christian Gartner. Diese Lösungen seien in den Bereichen Technik und Wissenschaft zu suchen und nicht emotional zu lösen. Weiter betonte der Bürgermeister: „Wir müssen den Mut haben für unsere Kinder kurzfristige Lösungen zu finden“ und stellte fest, dass es heute extrem schwierig geworden sei Projekte im Bereich Mobilität umzusetzen. Alexander Rieper meinte, es ginge darum auch das Niveau unseres Wohlstandes zu halten, Globalisierung fände auch ohne uns statt. Thomas Walch unterstrich die Wichtigkeit der Schiene. Für den Tourismus gäbe es bereits Bemühungen mit Flughäfen und Zubringerdiensten zusammenzuarbeiten, um die Gäste auf diese Art nach Südtirol zu bringen. Die Gäste sollten zu diesem Thema zusätzlich sensibilisiert werden. Die Zunahme des Schwerverkehrs im Pustertal müsse unbedingt gelöst werden, so Thomas Walch.
EINE OBERGRENZE FÜR DIE WIRTSCHAFT
Moderator Eberhard Daum warf die Frage auf, ob es denn überhaupt eine wirtschaftliche Obergrenze gäbe und Verkehrsbeschränkungen der falsche Weg sind? Alexander Rieper betonte, dass der Markt nicht aggressiv erobert werden sollte und Nachhaltigkeit wichtig sei. Aber, dass Rohstoffe, die nicht im Lande sind, importiert werden müssten. Im konkreten Falle der Rieper AG sei es so, dass diese ihre Rohstoffe vorwiegend aus Deutschland und Österreich importiere und dies müsste heute mittels Lkw passieren, da es seit dem Ausbau der Schien im Pustertal über die Schiene nicht mehr möglich sei. Anton Tschurtschenthaler war der Meinung, dass heute kaum jemand mehr ein Lager habe und die Kosten für den Transport heute relativ niedrig seien und dass sich das ändern müsse. „Irgendwann muss es Grenzen geben“, mahnte der SBB Bezirks-Obmann. Christian Gartner sagte, „man kann vieles besser und einfacher koordinieren.“ Dass der Preis für den Transport anders gestaltet werden muss, davon war auch der Bürgermeister überzeugt.
GESPENST ALEMAGNA
„Kommt die Alemagna?“, fragte Eberhard Daum. Auch in dieser Frage waren sich die Diskutierenden uneins. Für Anton Tschurtschenthaler und Gerhard Elzenbaumer wäre das Thema dieser Autobahn nicht vom Tisch. Christian Gartner und Alexander Rieper waren davon überzeugt, dass die Autobahn nicht mehr gebaut wird. Christian Gartner betonte, dass dies ein Problem mit dem Tourismus erzeugen würde, „der Ausbau wäre für das Pustertal eine Katastrophe.“ Es brauche gemeinsame, gesamtheitliche Verkehrs-Konzepte, die nicht an der Grenze aufhören, so Alexander Rieper. „Für den Tourismus wäre es kein Mehrwert“, betonte auch Thomas Walch.
VERKEHRSPROBLEM GELÖST?
Abschließend lautete der gemeinsame Konsens der Diskutierenden: Es müsse etwas getan werden, denn so könne es nicht weitergehen. Eine einheitliche Lösung des Problems Verkehr wurde an diesem Abend allerdings nicht gefunden. Im Michael-Bacher-Saal saßen gut über 120 Menschen, die am Ende des Abends aufgefordert war ihre Meinung kund zu tun. Man wünschte sich von den politischen Vertretern Verantwortung zu übernehmen, innovative Projekte und dass jeder von uns seinen Beitrag zu einer besseren Mobilität leistet. (TL)
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