Rein in Taufers – Es gibt sie noch, die echten Almabtriebe, bei denen Hirten und Bauern das Vieh ohne großes Gedöns, aber dankbar und feierlich von der Alm zurück zum Hof treiben. Eine Jahrhunderte alte Tradition, wie sie beispielsweise auf der Jagdhausalm noch in ihrer ursprünglichen Form alljährlich neu auflebt.
Sie heißen zwar Almabtriebe, sind es aber genaugenommen nicht wirklich. Bei Herbstfesten oder Kirchtagen werden oftmals Umzüge unter diesem Namen veranstaltet, bei denen Kühe, Schafe und Ziegen herausgeputzt und mit Glocken, Schnüren und anderem Zierrat versehen aus dem Stall bis zur Hauptstraße getrieben werden, um dort den Zuschauern eine Idee davon zu geben, wie ein echter Almabtrieb aussehen könnte. Nur mehr selten hat man die Gelegenheit, einen wirklichen Almabtrieb zu sehen. Aber es gibt es noch, das traditionelle „Huamfouhrn“; so wie auf der Jagdhausalpe, ein im hinteren Osttiroler Defereggental liegendes Almdorf, mit dem vor allem die Tauferer eng verbunden sind. Die Alm wird, aufgrund jahrhundertealter Weiderechte, von insgesamt fünfzehn Südtiroler Bauern bewirtschaftet. Acht dieser Besitzer der urig anmutenden Steinhäuser kommen aus dem Tauferer Raum, genaugenommen aus Rein, Kematen, Ahornach und Mühlen, die anderen sieben aus Uttenheim, Gais, Percha und Olang. Sie alle bewirtschaften auf der Jagdhausalm Flächen, treiben ihr Vieh auf und halten ihre Alm instand. Seit 1970 besteht eine Agrargemeinschaft, deren Obmann seit bereits acht Jahren Andreas Eppacher aus Rein in Taufers ist. „Die Jagdhausalm unterliegt von alters her strengen Gesetzen und Ritualen, die sich bis in die heutige Zeit gerettet haben“, erzählt er. Den Sommer über werden dort von Ende Juni bis Mitte September ca. 360 Stück Vieh gealpt. Die Arbeit der Jagdhaushirten endet um Heilig Kreuz, am 14. September. „Die Hirten treiben dann das Lehnvieh – also Tiere, die nicht den Almbauern gehören, sondern gegen ein Entgelt eingenommen worden sind – bis zum Parkplatz nach Rein. Dort findet anschließend die „Viehschoade“ statt“, erklärt Andreas Eppacher. Die anderen Tiere verbleiben noch auf der Alm, wo jeder Almbauer sein eigenes Vieh betreut. Die Senner füttern um diese Zeit das Heu an das Vieh, welches in den Mähwiesen in der Nähe der Almhütten und in den Bergmähdern den Sommer über gemäht wurde und bereiten sich auf den Almabtrieb vor. Dieser findet, je nachdem wie groß der Heustock ist, etwas früher oder später statt. Meistens wird aber am ersten oder zweiten Samstag im Oktober abgetrieben. „Die Tradition will es, dass das „Huamfouhrn“ an einem Samstag stattfindet“, so der Obmann der Agrargemeinschaft.
Topfnudeln, Glockengeläut und „Juchiza“
Die letzte Woche vor dem Abtrieb gibt es auf der Alm noch viel zu tun. Es werden Rauschbeeren, Wacholderzweige und blühendes Weidekraut gesammelt, um daraus einen schönen Kranz zu binden, den die schönste Kuh zum Abtrieb tragen darf. In einer Almhütte treffen sich die Almleute, um die sogenannten Topfnudeln zu machen, die es nur zu diesem Anlass gibt. Am Tag vor dem Abtrieb werden die Tiere sauber gestriegelt und herausgeputzt; die Almhütten werden gereinigt und winterfest gemacht. Alle warten schon gespannt bis es losgeht. „Am Abtriebstag in der Früh werden den Tieren die Glocken mit fein bestickten Riemen umgehängt, die Männer stecken sich eine rote Nelke an den Hut. Die Kranzkuh bekommt den Kranz festgemacht, die dann der Hütebub treiben darf, und als Letzter bekommt der Stier den Türschlüssel der Almhütte statt einer Glocke umgebunden“, beschreibt Andreas Eppacher den großen Tag. „Es ist jedes Mal ein ganz besonderer Moment, wenn dann voller Inbrunst „gejuzt“ wird, die Hüte zum Abschied geschwenkt werden, das Zauntor aufgeht und alle die Alm verlassen“, beschreibt Frieda Eder aus Ahornach, Almbesitzerin in Jagdhaus, das alljährliche Abschied nehmen vom Almvieh und damit auch vom Sommer. Entlang des Weges warten Bauern, Händler und Schaulustige auf das Vieh, um dieses zu begutachten und natürlich auf die leckeren Topfnudeln. „Voraussetzung für das Fest des „Heimfahren“ ist allerdings, dass alle Tiere wieder von der Alm zurückkehren und keines abgestürzt ist“, betont der Obmann der Agrargemeinschaft. Am Heimathof angekommen lässt man das „Huamfouhrn“ bei einem gemütlichen Beisammensein mit Musik und Tanz ausklingen. Und über die Dächer der sechszehn Steinhäuser auf der Jagdhausalm legt sich nach einem sonnigen Almsommer wieder herbstliche Ruhe. (SH)
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