Olang – Wasser ist Leben und damit ist es für uns Menschen eines der wichtigsten Rohstoffe überhaupt. Doch was passiert, wenn in Zukunft das Wasser knapp wird? Schlittern wir in eine Wasserkrise? Die diesjährigen [Um]welttage in Olang haben dieses aktuelle Thema aufgegriffen, informieren und bieten neue Denkansätze für eine lebenswerte Zukunft.
Die Umweltgruppe Olang lud vom 16. bis zum 18. November bereits zum fünften Mal zu den Olanger [Um]welttage ins Kongresshaus in Olang. „Die [Um]welttage bieten Information und Diskussion zu Umweltthemen und gehören mittlerweile im Pustertal zu einem Fixtermin für alle, die sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzen“, erklärte Elisabeth Brunner, die Vizepräsidentin der Umweltgruppe Olang. Mit einem dreitägigen Programm zum Thema Wasser wollen die Organisatoren das Publikum für dieses Thema sensibilisieren. Dazu referierten am Freitag Dr. Giacomo Bertoldi vom Institut für Alpine Umwelt der Eurac Bozen über „Forschungsergebnisse des Klimareports“ in Südtirol und die Ergebnisse des Kunst-Workshops „Platschnoss“ wurden präsentiert. Am Samstag hat die Umweltgruppe einen nachhaltigen Nachmittag mit Kleidertauschmarkt, Nähwerkstatt und Farb- und Stilberatung organisiert. Am Abend trat der international bekannte Umweltschützer, Fotograf und Buchautor Matthias Schickhofer auf die Bühne und begeisterte das Publikum mit seiner Multivisionsschau „Die Alpen am Scheideweg“. Am Sonntag wurden die [Um]welttage mit dem traditionellen Bio-Bauern- und -Textilmarkt beendet.
Dr. Giacomo Bertoldi referierte den Klimawandel in Südtirol. Dass sich das Klima in Südtirol verändere, sehe man deutlich an der Entwicklung der Temperaturen. „Seit den 1960er-Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur um 1,5 Grad angestiegen. Im Sommer ist es zum Beispiel in Bozen und Brixen sogar um drei Grad wärmer geworden. Nach dem pessimistischsten Szenario muss man bis 2050 für den Sommer mit einer weiteren Erwärmung um 1,5 Grad rechnen, bis 2100 um fünf Grad“, zitierte Bertoldi aus dem aktuellen Klimareport für Südtirol. Gleichzeitig mit den Temperaturen würden sich auch die Niederschläge, überhaupt alle Naturphänomene verändern. So zum Beispiel der schnelle Rückgang der Gletscher in Südtirol – allein zwischen 1983 und 2006 um ein Drittel ihrer Fläche. Es gebe weniger Schnee, Permafrost taue auf; dadurch würden Berghänge instabil und es komme häufiger zu Rutschungen und Bergstürzen, wie im Sommer 2016 an der Kleinen Gaisl in den Sextner Dolomiten, erklärte Bertoldi. „Ein anderes, weniger offensichtliches Beispiel: In den vergangenen 20 Jahren haben Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum zunehmend in höhere Regionen verlagert, um der Wärme auszuweichen“, gab Bertoldi zu bedenken.
Immer weniger Wasser zur Verfügung
Ein gutes Beispiel sei das Wasser. Mit zunehmender Erwärmung gedeihe Obst auch in höheren Lagen, was zu einer größeren Anbaufläche führe. Schon heute aber würden 60 Prozent der Bewässerung auf den Obstanbau fallen. Da die Sommer tendenziell trockener würden, werde der Wasserbedarf beträchtlich zunehmen. Dazu komme die Wasserknappheit, so Bertoldi. Die Zukunft des Klimas lasse sich nicht exakt vorhersagen, aber aus Langzeitdaten, wie etwa der Temperatur, Bodenfeuchtigkeit oder Niederschlägen ließen sich Trends ablesen. In Südtirol würden wir über zuverlässige Messungen für die vergangenen 50 Jahre, dank der meteorologischen Stationen des Hydrographischen Amtes der Autonomen Provinz Bozen, verfügen. „Dass die Temperaturen auch in Zukunft steigen werden, gilt als sicher. Weniger sicher sind die Wissenschaftler sich bei anderen Vorhersagen, etwa in Bezug auf Niederschläge, doch Trends lassen sich auch hier erkennen“, sagte Bertoldi. Der Klimareport zeigt, dass es im Winter aufgrund der steigenden Temperaturen weniger schneien, dafür mehr regnen wird. Auf 1500 Metern wird Schätzungen zufolge im Jahr 2100 80 bis 90 Prozent weniger Schnee fallen. Das heißt, dass im Sommer immer weniger Wasser zur Verfügung stehen wird.
Klimaveränderungen aufhalten
Laut Klimareport ist es zu spät, um die Klimaveränderungen noch aufzuhalten, selbst wenn die Menschheit ab sofort keine Treibhausgase mehr freisetzt. In Südtirol ist der Verkehr, der Transitverkehr auf der Brennerachse eingerechnet, für 44 Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich, seine Emissionen liegen über dem italienischen Durchschnitt. Gefolgt von der Produktion von Wärmeenergie: 36 Prozent der Emissionen entstehen beim Heizen. An dritter Stelle steht die Landwirtschaft mit 18 Prozent der Emissionen. Auch dieser Wert liegt über dem italienischen Durchschnitt. In Südtirol gibt es viele Initiativen zum Umweltschutz, aber noch nicht genug, um den Klimawandel abzuschwächen, müssten wir die Emissionen bis 2050 um zwei Drittel senken. Was die Anpassung betrifft, stehen wir erst ganz am Anfang. Sowohl die internationale Wissenschaftsgemeinde wie die EU empfiehlt seit Jahren Klimaschutz und Klimaanpassung in einer umfassenden Strategie zu verbinden, die alle Sektoren einschließe. Laut Klimareport soll an erster Stelle beim Wassermanagement angesetzt werden; hier geht es vor allem um eines: weniger zu verbrauchen. Entscheidend ist außerdem, die Emissionen zu reduzieren, die durch den Verkehr und den Tourismus entstehen.
Was kann ich tun?
Auch darauf gibt der Klimareport eine Antwort: Der erste Schritt ist, uns bewusst zu werden, wie viel Treibhausgase wir ausstoßen und wie viel Energie wir verbrauchen. Der CO2-Rechner auf der Webseite der KlimaHaus-Agentur (casaclima.co2-rechner.de/de_IT) macht es leicht, unseren ökologischen Fußabdruck zu bestimmen und Einsparpotenziale zu entdecken. Ein Flug von Verona nach Palermo und zurück belastet unsere Bilanz zum Beispiel mit 0,5 Tonnen. Wer vegetarisch isst und jahreszeitliche Lebensmittel aus der Umgebung verwendet, kann dagegen seine Klimabilanz um 0,2 Tonnen verbessern.
Die Alpen am Scheideweg
Der international bekannte Umweltschützer, Fotograf und Buchautor Matthias Schickhofer präsentierte seine Multivisionsschau „Die Alpen am Scheideweg“. Matthias Schickhofer hat die Alpen seit mehreren Jahrzehnten bereist und dabei Veränderungen beobachtet und mit seiner Kamera festgehalten. Die brennendsten Zukunftsthemen, Probleme aber auch Lösungsansäte aus diesen Erfahrungen brachte er mit nach Olang. Die Gebirgskette zwischen Nizza und Wien sei der bedeutendste wildnisnahe Raum in Europa, gleichzeitig seien die Alpen aber auch das touristisch am intensivsten erschlossene Gebirge unseres Planeten. Kaum ein anderes Gebirge der Welt sei dichter besiedelt und werde intensiver wirtschaftlich genutzt, sagte Schickhofer und leitete mit einer 8 minütigen Bildershow sein Referat ein, das einerseits die Wildnis und andererseits die von Menschen zerstörte Seite der Natur eindrucksvoll aufzeigte.
Tropf der Alpen
Der Klimawandel und die fortschreitende Erschließung alpiner Naturlandschaften würden unsere Berge an ihre Grenze bringen, sagte Schickhofer und belegte diese These durch eindrucksvolle Fotos von unberührten und zerstörten Naturlandschaften aus ganz Europa. „Wenn es stimmt, was Klimaforscher sagen, werden in den nächsten 25 Jahren die Gletscher verschwunden sein. Die Abschmelzraten sind dramatisch“, hielt Schickhofer fest und zeigte Fotos der Gletscherschmelze vom Ankogel aus den hohen Tauern und der Pasterze, des größten Gletschers Österreichs. „Alles was nicht über 3.500 Metern Meereshöhe liegt wird Ende des Jahrhunderts verschwunden sein, der größte Gletscher Österreichs ist bald nicht mehr da“, erklärte Schickhofer. Mitteleuropa hänge am Tropf der Alpen, erklärte Schickhofer der darauf aufmerksam machte, dass der zukünftige Schneemangel und die Gletscherschmelze zusammengenommen zu einem Wassermangel führen würden, der verheerende Auswirkungen auf unser Leben haben werde.
Spaßkulisse und Massenbetrieb
Schickhofer ging auch auf die Probleme des intensiv-Tourismus im Gebirge ein. In keinem Gebirge werde mehr Ski- und Auto gefahren, als in den Alpen. „Die Berge sind zur Spaßkulisse und zum Massenbetrieb geworden. Es gilt, sich nach Alternativen umzusehen, anstatt immer größere Lifte und mehr Pisten auszubauen“, meinte Schickhofer. Schnee werde Mangelware und die verbaute Landschaft bliebe, sei aber für den Wanderer unattraktiv. Deshalb müssten sich die Verantwortlichen früh genug Gedanken machen, wie sie die Landschaft für die Zukunft gut nutzen, wenn der Skitourismus aufgrund des Klimawandels zunehmend zurückginge. „Die Zukunft wird harte Veränderungen bringen und der ganze Alpenraum wird davon betroffen sein“, ist sich der Umweltschützer sicher.
Systemwechsel gefordert
Doch was wären Alternativen, die auch wirtschaftlich funktionieren würden? „Unsere Alpen brauchen einen deutlichen Systemwechsel. „Die Bewirtschaftung muss ökologischer werden, dass wir ökonomisch bestehen können“, dieses Zitat habe Schickhofer fasziniert, da es den Kern erfasst, sagte der Buchautor. Der Mensch habe heute durch die zunehmende Digitalisierung und Urbanisierung ein Bedürfnis nach der Natur, nach der Wildnis. „Können wir es schaffen, die Natur sich selbst zu überlassen?, fragte der Referent. Ein Patentrezept gebe es nicht, aber es gebe gute Ansätze und erprobte Alternativen. Für Südtirol könnten zum Beispiel die regional und nachhaltige Wirtschaft gefördert werden, nicht die großen Ketten und Filialen. Die Sehnsucht des Menschen nach Wildnis, könnte ein neues Standbein schaffen für Regionen, die touristisch auf Konzepte setzten wie es die Bergsteigerdörfer machen, anstatt auf Massentourismus. „Mit dem auskommen, was da ist. So ein Konzept ist auch weniger krisenanfällig“, erklärte der Autor. Es könne Natur- und Gesundheitstourismus mehr gefördert werden und die kommende Klimahitze könnte dem Begriff “Sommer-Frische“ eine völlig neue Bedeutung verleihen, meinte der Umweltschützer. Naturnahe Freiräume gelte es zu bewahren und Erschließungen zu begrenzen. Gefordert sei die Politik, die dahingehende Gesetze und Verordnungen in die Wege leiten müssten, denn „wir haben eine dramatische Situation, die dramatische Situationen hervorruft“, schließt Schickhofer. (TL)
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