Sexten – Die Dolomitenregion 3 Zinnen steht im heurigen Sommer ganz im Zeichen des 150-Jahre-Jubiläums der Alpingeschichte. Der Sachse Reiner Kauschke und seine Bergkameraden Gerd Uhner und Peter Siegert haben die Geschichte rund um die 3 Zinnen mit ihrer Winterbesteigung 1963 mitgestaltet. Der Puschtra hat mit dem Alpinpionier Reiner Kauschke über das großartige Erlebnis gesprochen.
Bei eisigen Temperaturen und viel Wind steigen drei junge Sachsen im Jänner 1963 in die große Zinne ein und wählen den direkten Weg nach oben. Reiner Kauschke, Peter Siegert und Gerd Uhner sind gewillt die „Direttissima“ im Winter zu schaffen. „Wenn es wir nicht gemacht hätten, hätten es andere gemacht“, sagte Reiner Kauschke im Rückblick. Die Umstände, unter denen dieses Unterfangen zustande gekommen ist, waren mehr als widrig: „Wir hatten weder Material noch Ausrüstung und kein Geld“, berichtet der Alpinist. Kein Kreditinstitut hätte die drei jungen Burschen damals unterstützen wollen, schließlich erklärte sich der Chef von Kauschke und Siegert – beide damals als Blitzableitermonteure bei einer Firma in Deutschland beschäftigt – bereit das Unterfangen zu finanzieren. „Im Winter 1962, ein Jahr vor der Winterbesteigung, waren Wulf Scheffler, Gerd Uhner, Peter Siegert und ich in der Ostwand der Cima del Bancon im Civettamassiv in den Dolomiten unterwegs“, erzählte Reiner Kauschke. Dort sei die Idee zur Winterbesteigung der großen Zinne geboren. Ein Unglück, bei dem Wulf Scheffler und Gerd Uhner vor den beiden anderen abstürzen und wie
durch ein Wunder überlebt haben, ging der Idee voraus. „Wulf Scheffler wollte die Zinne im Sommer besteigen, aber er hatte sich durch den Sturz so arg am Knie verletzt. So kam uns die Idee, dass wir es machen konnten. Werner Bittner konnte nicht mit, weil er im Winter vorher an der Matterhornnordwand Erfrierungen erlitten hat, aber Siegert, Uhner und ich.“ Siegert und Uhner hätten sich aufgemacht die Wand von oben zu erforschen. Das Ziel der drei Wagemutigen eine „Superdirettissima“.
17 Tage in der Wand
„17 Tage lang minus 30 Grad und ein eisiger Wind“, daran kann sich Reiner Kauschke noch gut erinnern. „Als ich das erste Mal, 5 Jahre vorher, am Fuße der großen Zinne stand, hätte ich es mir niemals träumen lassen, dass ich das einmal machen würde. Wir wollten möglichst kerzengerade rauf. Das, was uns dort entgegengetreten ist, war zu überwinden“, resümierte Reiner Kauschke über die Winterbesteigung. Nach den ersten fünf Tagen habe Peter Siegert gemeint es wäre vielleicht besser abzusteigen und in der Hütte auf besseres Wetter zu warten, erzählte Reiner Kauschke, der dagegen war, weil laut ihm sich die Temperaturen nicht ändern würden. So blieben die Buschen in der Wand und wurden von Werner Bittner und dem Bruder von Peter Siegert, Horst Siegert verpflegt. „Zwei Mal am Tag brachten sie das Frühstück und das Abendessen von der Auronzo Hütte zum Einstieg an die Zinne.“ Gut im Gedächtnis von Reiner Kauschke verankert hat sich auch das Krachen von herabstürzenden Felsbrocken in der Nacht. „Als ob jemand an die große Glocke schlagen würde.“ Als die drei Bergsteiger nach 17 Tagen am Gipfel der großen Zinne ankommen werden sie von Bergsteigern aus der ganzen Umgebung in Empfang genommen.
Mit 80 nochmal hinauf
Der 15. August 2018 sollte es sein. Am Tag, an dem Reiner Kauschke seinen 80. Geburtstag feierte, wollte er erneut in die „Superdirettissima“ einsteigen. „Der 15. August ging sich leider nicht aus.“ Aber am 30. Juli stieg Reiner Kauschke, diesmal mit dem Bergführer Christoph Hainz, der Kauschke seit Jahren kennt, in den „Sachsenweg“ ein, dieselbe Route wie vor 55 Jahren. „Wir sind zusammen bereits vor 30 Jahren und dann abermals zehn Jahre später, als ich 60 war, auf die Zinne. Dann 2018 das dritte Mal“, erzählte Reiner Kauschke. Seit er 80 ist, gehe er nicht mehr alleine, sondern nur in Begleitung, das hätte ihm ein Freund geraten. Über seine Leistung schmunzelt Kauschke mit dem Kommentar „Ist doch a gute Zeit, 17 Stunden, statt 17 Tage.“
1997 ist der Bergführer Christoph Hainz die „Superdirettissima“ im Winter geklettert und hat Reiner Kauschke kennengelernt. „Zum 60-jährigen führe ich dich durch deine Tour“, versprach Christoph Hainz Reiner Kauschke. Gesagt, getan und bei einem Glas Wein haben die zwei Bergsteiger später dann ausgemacht auch mit 80 Jahren noch die Zinne zu besteigen, was 2018 in Erfüllung ging. Seit 2018 laufen auch die Aufnahmen des Films über die Wiederholung der „Superdirettissima“, der am 7. Juni im Kulturzentrum in Toblach zu sehen sein wird. „Nachdem wir die Route Ende Juli gemacht hatten, sind Reiner und ich im Herbst zu Filmaufnahmen nochmal an die Zinnen, wo gefilmt wurde. In erster Linie geht es um die Leistung der Erstbegehung im Winter, wo sie 17 Tage in der Wand waren, was für mich bei minus 25 bis 30 Grad fast nicht vorstellbar ist“, sagte Christoph Hainz. Weiters würde auch die Begehung mit 80 Jahren nochmals in den Fokus der Kamera gerückt. „Es ist außergewöhnlich, dass jemand mit 80 seine eigene Route noch nachklettern kann. Die Zinnen Nordwand haben schließlich 500 Höhenmeter, die zu überwinden sind und diese in einer bestimmten Schwierigkeit. Das ist eine super Leistung. Für mich war es eine psychologische Herausforderung, aber ich hatte das Vertrauen in ihn, weil er es einfach drauf hat. Wir haben dann 15 Stunden für den Auf- und zwei Stunden für den Abstieg gebraucht.“
150 Jahre Alpingeschichte
Der Wiener Paul Grohmann, der Kärtner Peter Salcher und der Sextner Steinmetz Franz Innerkofler gingen als die Erstbesteiger der 3 Zinnen in die Geschichte ein. Am 21.August 1869 haben die drei Bergpioniere die 2999 Meter hohe große Zinne über den heutigen Normalweg bestiegen und damit einen Meilenstein in der Alpingeschichte gesetzt. Bis heute sind die „bleichen Berge“ aus dem Bergsport nicht mehr wegzudenken und zahlreiche Pioniersleistungen folgten: Darunter die Besteigung der Nordwand an der Großen Zinne durch Emilio Comici, die Eroberung der Westkante der Großen Zinne durch Hans Dülfer und die Seilschaft von Dieter Hasse und Lothar Brandler. 1961 durchstieg Claudio Barbier im Alleintag an einem Tag die Nordwände aller 3 Zinnen, sowie der Punta di Frida und des Preußturms gefolgt von der Free-Solo-Begehung von Alexander Huber im Jahre 2002 auch an der Nordwand der Großen Zinne. Jüngste Erstbesteigungen folgten von Christoph Hainz und Kurt Astner, die gemeinsam vier weitere neue Routen bestiegen haben.
Das Jubiläum
Zu Ehren der Geburtsstunde des Alpintourismus werden in der gesamten Dolomitenregion verschiedenste Initiativen und Veranstaltungen ausgetragen. Am 7. Juni hält Erwin Steiner in Toblach im EUREGIO Kulturzentrum Gustav Mahler einen Vortrag zur Alpingeschichte. Anschließend folgt die Uraufführung des Films über die Wiederholung der „Superdirettissima“ im Jahre 1963. Im Juni und Juli wird eine Inszenierung der Sextner Sonnenuhr, welche als ein riesiges, steinernes Uhrwerk bekannt ist und mit ihren Gipfeln Neuner, Zehner (Sextner Rotwand), Elfer, Zwölfer und Einser die Zeit angibt, zu sehen sein. Die Eröffnung findet am 9. Juni im Rahmen des Dolomites UNESCO Fests statt. Vom 13. bis 16. Juni finden in Toblach die Feierlichkeiten zu 150 Jahren Geschichte des Südtiroler Alpenvereines statt. Ab dem 26. Juni holt Sexten die Gipfelbücher ins Tal und macht sie als begehbare Kunstinstallation erlebbar. Vom 13. bis 20. Juli begrüßt Sexten alle Bergwanderer zur Bergsteigerwoche. Es wird ein vielfältiges Programm an geführten Touren und Wanderungen, sowie diversen Abendveranstaltungen geboten. Am 18 Juli heißt es PEAKnick mit Aussicht mit authentischer Live-Musik und einem Gourmet-Picknick im „Stadile Winkl“, zu Füßen der Dreischusterspitze – die Originalroute wird spektakulär beleuchtet. Am 20. Juli wird es in der Vertical Arena Sexten III ein Stelldichein von internationalen Größen aus dem Alpinismus geben: Podiumsdiskussion und Möglichkeit zum direkten Austausch mit den Bergsteigern. Am 16 August präsentiert der Schauspieler Carlo-Emanuele Esposito seine szenische Erzählung über den Kletter-Pionier Emilio Comici im Euregio Kulturzentrum. Vom 19. bis zum 26. August findet eine Jubiläumswoche mit verschiedenen Veranstaltungen statt. Der große Tag ist der 21. August 2019: Großes Bergfest zu Ehren der Erstbesteiger der 3 Zinnen. Besondere Attraktionen sind dabei die Zeitkapsel-Installation an der 3 Zinnen Hütte, sowie das „historisch erlebbare Fischleintal“. Am Abend wird die Filmpremiere des Bergfilms „Die Große Zinne“ von und mit Reinhold Messner in der Eishalle von Toblach gezeigt. (TL)
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