Wenn wir die Technikgeschichte nach bedeutenden Köpfen durchsuchten, von deren Bedeutung wir überzeugt wären, dann würden wir wohl kaum die Geschichte Tirols durchkämmen, sondern uns viel eher bei jenen Ländern umtun, die von Beginn der industriellen Revolution an bei der Sache waren und den damals innegehabten Rang bis heute nicht abgelegt haben.
Eine der Ursachen dafür, dass wir vom jeweiligen Status der technischen Entwicklung unseres Landes nicht allzu viel halten, ist der Tatsache geschuldet, dass wir darüber nicht allzu viel wissen. Kümmern wir uns allerdings um diesbezügliche Quellen, wird relativ schnell sichtbar, dass es durchaus auch Zeiten gegeben hat, in denen es Tirol an Spitzentechnikern nicht gefehlt hat. Einer davon war der aus Graun im Vinschgau stammende Joseph Duile (1776-1863), der es zum stellvertretenden Landesbaudirektor brachte und im Straßenbau Großes geleistet hat. Er war der erste, der Asphalt als Straßenbelag verwendet hat, für dessen Produktion aus einheimischen Materialien er ein „Privileg“ erwarb. Er gilt auch als der Erfinder der Wildbachverbauung. Noch berühmter als Duile war Luigi Negrelli, der aus Fiera di Primiero (Primör) stammte, wo er am 23. Jänner 1799 als sechstes von elf Kindern des Angelo Michele Negrelli und der Elisabeth Würtemberger, die nach dem Tirol-Lexikon (S. 384) aus Bruneck stammte, nach dem Aufsatz von Paul Herre im Südtiroler Almanach (1949, S. 67) aber aus dem Weiler Tonadico bei Fiera di Primiero. Im Jahre 1809 kämpfte Angelo Michele Negrelli gemeinsam mit seiner Tochter Josefine auf der Seite der Tiroler Freiheitskämpfer. Er wurde von den Franzosen gefangen genommen und verbrachte neun Monate im Staatsgefängnis von Monza (nach Paul Herre waren es fünf Jahre). Die Zeit nach dem Wiener Kongress war eine Zeit des technischen Neubeginns. So fiel die Erfindung der Schiffsschraube durch den aus Heinersdorf in Böhmen stammenden Joseph Ressel in die 20er Jahre des 19. Jh. Luigi Negrelli besuchte damals mit einem kaiserlichen Stipendium das Gymnasium in Feltre und studierte dann zwei Jahre in Padua und in Innsbruck. 1819 trat er als Baupraktikant in den Landesdienst ein, machte daneben sämtliche technischen Prüfungen mit Auszeichnung und wurde mit 21 Jahren Ingenieur. Er hatte sowohl mit Straßen- und Brückenbauten als auch mit Wasserbauten zu tun. Sein Vorgesetzter und Förderer war der schon genannte Josef Duile, der 1826 mit ihm Vermessungen für die Rheinregulierung in Vorarlberg durchführte. 1821 kam Negrelli als Staatsingenieur ins Puster- und ins Etschtal. Sein erstes großes Werk war die Planung der Reichsstraße von Toblach nach Verona. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde über der alten Holazbrücke, die in Rasen über den Antholzer Bach führte, eine Steinbogenbrücke erbaut, die bis 2008 ihren Dienst tat. Der damals erfolgte Bau einer Stahl- und Betonbrücke machte es möglich, die alte Steinbogenbrücke zu restaurieren und sie als Dokument neuzeitlicher Straßenbaukunst zu erhalten. Dadurch gelang es, an diesem Ort drei Abschnitte der Pustertaler Straßen- und Brückengeschichte zu dokumentieren. Der hintere (östliche) Teil der Brücke wurde in dem Bauzustand belassen, wie er bis 2008 war. Der Mittelteil bestätigt den Ausbau von 1938 und der vordere Abschnitt wurde in den historischen Zustand von 1847 zurückgeführt, als die Steinbogenbrücke erbaut wurde. Viel Gewicht wurde auf die museale Darstellung der Brücke und ihrer Geschichte gelegt.
Luigi Negrelli war von Beginn seiner Tätigkeit an ein vielbeschäftigter Mann. So war er 1822 mit dem Bau der neuen Arlbergstraße beschäftigt. 1823 baut er in Venetien Straßen und Brücken. 1824 arbeitet er in Vorarlberg an der Nivellierung des Rheingebietes. Es verging kaum ein Jahr, in dem nicht ein technisches Meisterwerk entstand, an dem er beteiligt war. 1832 trat er in den Dienst der St. Gallener Kantonsregierung. In den nächsten Jahren gelang es ihm, die wichtigsten Verkehrsprobleme der Schweiz zu lösen. Er bildete sich zum Eisenbahnbau-Experten aus, ein Fachgebiet, das ihn immer schon interessiert hatte. 1841 holte man Negrelli als Eisenbahnfachmann nach Österreich zurück und machte ihn ein Jahr später zum Leiter des neugegründeten Staatseisenbahnbaues. Er erstellte das Vorprojekt für die Eisenbahnstrecke Kufstein-Innsbruck, das dann beim späteren Bau verwendet wurde. In den folgenden Jahren entstand eine Reihe von Bahnstrecken in den von der Moldau und der Elbe durchzogenen Tälern von Prag abwärts bis zur sächsischen Grenze.
Im Jahre 1829 heiratete Negrelli die Kärntnerin Amalie von Pirkenau und 1847 in zweiter Ehe Karoline von Weiß-Starkenfels. 1849 wurde er geadelt und erhielt das Prädikat „von Moldelbe“. Von da an ließ Negrelli auch seinen Rufnamen Luigi fallen und ersetzt ihn durch den deutschen Namen Alois. 1849-55 war Negrelli Vorstand der Baudirektion des lombardo-venezianischen Königreiches, womit ihm der gesamte Wasser-, Straßen- und Eisenbahnbau in Oberitalien unterstand. Zusätzlich wurde er Vorsitzender der Kommission für die freie Po-Schifffahrt und Mitglied der Internationalen Kommission für den Bau der italienischen Zentralbahn, die die Adriaküste mit der des Ligurischen Meeres verbinden sollte. Diese Bahn wurde nach Negrellis Plänen gebaut. Ab 1855 wirkte er in Wien als Ministerialrat und Generalinspektor der österreichischen Staatsbahnen. Sein Ruf als Verkehrssachverständiger war längst international. Viele Länder ließen sich von ihm beraten, so die Schweiz beim Bau der Eisenbahnstrecke Zürich-Baden (1847). Seit einer Begegnung mit Alexander von Humboldt im Jahre 1836 hatte sich Negrelli mit der Möglichkeit einer Verbindung des Mittelmeeres mit dem Roten Meer beschäftigt. Als Mitglied der 1855 gegründeten Internationalen Kommission für den Bau des Suezkanals entwickelte er eine große Aktivität. 1856 wurden seine Pläne nach hartem Kampf einstimmig angenommen. Genau nach diesen Plänen wurde der Kanal dann auch gebaut, zunächst unter Negrellis Leitung. Sein Verdienst war es, den Suezkanal ohne Schleusen geplant zu haben. Als er starb, gelang es dem Franzosen Ferdinand Lesseps, sich der Pläne Negrellis zu bemächtigen, sodass er zum allseits anerkannten Suezkanalerbauer wurde. 1857 ernannte der ägyptische Vizekönig Negrelli zum Generalinspektor für den Kanalbau. Seine Gesundheit war aber schon stark angegriffen. Nach seinem Tode im Jahr darauf verschaffte sich Lesseps, der als ehemaliger Erzieher des ägyptischen Vizekönigs und Verwandter der Gemahlin Kaiser Napoleons III. großen Einfluss hatte, die Baupläne des Suezkanals, wobei Negrellis Name nicht mehr genannt wurde. Bei der prunkvollen Eröffnung des Kanals 1869 ließ sich Lesseps als dessen Erbauer feiern. Erst durch den Prozess, den Maria Grois, eine Tochter Negrellis, in Paris führte, kam der wahre Sachverhalt ans Tageslicht. Geschadet dürfte Negrelli auch die Tatsache haben, dass Kaiser Franz Josef gegen ihn eine Abneigung hegte, seit er es gewagt hatte, die österreichische Italienpolitik zu kritisieren. Negrelli wäre damals wohl aus dem Staatsdienst entlassen worden, wenn nicht Feldmarschall Radetzky für ihn eingetreten wäre, mit dem ihn eine väterliche Freundschaft verband. Der Kaiser lehnte es auch ab, dem berühmten Ingenieur ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof zuzugestehen. Zum Ehrengrab kam Negrelli erst im Jahre 1929. Der Grabstein trägt die Inschrift: „Ihm verdankt die Welt die Schaffung des Suezkanals.“ (RT)
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