Gustav Hofer aus Luttach / Rom

Willkommen auf der Gröberhütte
28. Juni 2019
Gasthäuser in Bruneck und Umgebung
28. Juni 2019
Alle anzeigen

Gustav Hofer aus Luttach / Rom

„Man könnte mich als die personifizierte Leidenschaft nach Neuem nennen.“

Im Sarntal aufgewachsen, im Ahrntal die Jugendzeit verbracht, dann Zwischenstopp bei BBC in London und bei n-tv in Berlin. Seit 2000 freier Korrespondent für “arte” in Rom. Dies die Eckpunkte des Journalisten Gustav Hofer aus Luttach.

Sie haben einen Großteil Ihrer Lebenszeit in Luttach verbracht und sind nun Wahlrömer geworden, wie kam das?
Für meine Diplomarbeit „Writing“ und „Graffiti Kunst“ zog ich 1999 nach Rom, wo ich seitdem lebe. Bald darauf ergab sich der Kontakt zu arte in Strassburg. Seit nunmehr 18 Jahren bin ich freier Korrespondent, und habe auch einige Sendungen moderiert. Mit der Arbeit bei arte ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen, der deutschfranzösische Sender hat keine nationalbezogenen Vorgaben, sondern versteht sich gesamteuropäisch.

Großes Aufsehen machen Sie immer wieder mit Ihren Filmprojekten…
Es sind gesellschaftliche Tabuthemen oder zumindest Streitthemen, die ich zusammen mit meinem Ehemann Luca Ragazzi in Dokumentarfilmen immer gerne anspreche. Unser erster Film „Improvvisamente l’inverno scorso“ befasste sich mit eingetragenen Lebenspartnerschaften, die Italien unter der Regierung Prodi einführen sollte, was dann aber nicht passierte. 2011 folgte die Doku-Roadmovie „Italy: Love it, or Leave it“. Hierzu reisten wir in einem Fiat 500er durch Italien und stellten uns die Frage, ob es besser sei, hier zu leben oder das Land zu verlassen. Der Film war bei Festivals von Brasilien bis Neuseeland und von Norwegen bis Südafrika sehr erfolgreich. Im Film „What is Left?“ von 2014 beschäftigen wir uns
mit der Situation der italienischen Linken. Ich versuche immer, Dinge zu hinterfragen.

Worum geht es Ihnen in Ihrem jüngsten Film “Dicktatorship”?
Luca und ich stellen uns die Frage, wie sexistisch Italien eigentlich ist. Es geht um frauenfeindliche Ausdrücke und Auffassungen, um erzkonservative Katholiken und um die Frage, ob unsere Gesellschaft und unsere Politik immer noch im maskulinen Denken verhaftet ist. In Umfragen herausgekommen sind teilweise recht skurrile, ernsthaft-witzige Sichtweisen. Die Filmdokumentation zeigt, wie das Land im Patriarchat und Chauvinismus und wie sehr im geschlechterspezifischen Machtkampf behaftet ist. Es ist ein Film für Männer und Frauen, die von Maschilismus geheilt werden möchten.

Welche Macht steckt in den modernen Medien?
Wir leben in einer Zeit, wo die Anzahl an Medien immer größer wird, die Anzahl der Quellen aber immer geringer, da sich immer weniger Sender oder Zeitungen Auslandskorrespondenten leisten. Die meisten Redaktionen beschränken sich auf die Infos von Agenturen als einzige Quelle. Das ist sehr bedenklich. Es braucht unbedingt den Journalisten vor Ort. Über die sozialen Medien kann jeder Blödsinn verbreitet werden, vieles ist nicht recherchiert, geschweige denn überprüft. Demokratie funktioniert aber nur, wenn es einen freien Journalismus gibt.
Die meisten Menschen informieren sich online durch Suchmaschinen. Dies gibt den Suchmaschinen-Betreibern wie Google eine unglaubliche Macht, weil sie mit dem Algorithmus die Interessen ihrer User kennen. Im Internet geben Leute dermaßen viel von sich preis, ohne sich der Konsequenzen nur annähernd bewusst zu sein. Deshalb mein Rat, Browser und Suchmaschinen zu verwenden, die keine Daten sammeln. Positiv ist in jedem Fall: Durch die vernetzte Welt, ist auch die kleinste Alm im hintersten Tal ein Teil des weltweiten Online-Netzes.

Die freie Presse kommt weltweit immer mehr unter politischen Druck, wie sehen Sie die Zukunft?
Mit den Populisten an der Macht werden Journalisten, Zeitungen und etablierte Medien immer häufiger angegriffen und diese “Politiker” versuchen, die Glaubwürdigkeit der Medien zu untergraben. Das machen sie, um freie Hand zu haben, in der Aufteilung des Kuchens der Macht – denn eine freie Presse könnte ihnen da ja einen Schnitt durch die Rechnung machen. Immer mehr Menschen werden den Posts der Machthaber mehr glauben, als jenen, die sie unabhängig informieren.

Südtirol, ein gesegnetes Land?
Ich komme immer wieder gerne zu meinen Eltern nach Luttach. Ich liebe die Leute, die Landschaft. Im Sommer verbringe ich gerne ein paar Tage auf einer Alm in Weißenbach, da lebst du wie in einer anderen Welt. Dort in der Nacht den Sternenhimmel zu bewundern, den du wegen der Lichtdurchflutung in den Städten nicht mehr siehst, ist einzigartig. Bedenken habe ich, ob der steigende Tourismus unserem Bergtal, diesem sensiblen Ökosystem, gut tut. In Südtirol haben wir generell einen Punkt erreicht, wo ein Umdenken geschehen sollte. Ich verstehe die wirtschaftlichen Perspektiven, aber sie nur auf Übernachtungszahlen zu setzen und mit Riesenhotels zu zu betonieren, ist der falsche Weg. Südtirol ist ein gesegnetes Land, wo sich die Leute kaum bewusst sind, in welch positiver Situation sie leben. Dies sollte jenen Menschen bewusst werden, die ständig kritisieren.

Was ist Ihre Devise?
Meine Leidenschaft nach Neuem und Schönen erfüllt mein Leben. Ich will mir immer die Neugier behalten und Lust und Mut auf Neues zu haben. Das Leben ist so spannend und es bereichert umso mehr, wenn man mit Freude auf die Menschen und auf das Leben zugeht und nicht mit Angst. Wir alle können von einander doch so viel lernen! (IB)