1919 bis 2019: Der „Friedensvertrag“

Bis an die Spitze
12. September 2019
Regina Egarter Holzer aus Sexten
12. September 2019
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1919 bis 2019: Der „Friedensvertrag“

Der 10. September 1919 ging in die Geschichtsbücher als der Friedensvertrag von Saint Germain ein. Vor genau 100 Jahren wurde dieser Vertrag unterschrieben und ein weiteres Kapitel des Ersten Weltkriegs geschlossen.

Doch wie es so schön in einem Sprichwort heißt: “Geht eine Türe zu, gehen fünf andere Türen auf“. So wurden im Vertrag von Saint Germain und im Vertrag von Versailles Österreich und Deutschland zu einem fragwürdigen Friedensabkommen gezwungen. Diese einseitigen Verträge wurden zum Grundstein für sehr viele kleinere Konflikte, durch welche die Menschheit unaufhaltsam einem Zweiten Weltkrieg entgegentreiben sollte.

Der Weltkrieg endet was passiert Nun?
Als der 1. Weltkrieg für Österreich-Ungarn endete und in der Villa Giusti am 3. November 1918 der Waffenstillstand unterschrieben wurde und somit die kampflose Besetzung Südtirols begann, ahnten nur wenige, dass diese Situation, dass ein deutschsprachiges Gebiet bei Italien bleiben sollte, ein Fixum wurde. Bereits am 4. November waren italienische Truppen in Salurn, auf dem Mendelpass und in Schluderns. Am 12. November um 15 Uhr wurde die Republik Deutschösterreich ausgerufen. Kaiser Karl hatte am 16. Oktober noch ein Völkermanifest verfasst, um den Umbau der Monarchie in einen Bundestaat einzuleiten, dies jedoch zu spät. Die Habsburgermonarchie war somit nicht mehr zu retten. Die deutschsprachigen Abgeordneten des letzten monarchischen Reichrates waren am 21. Oktober als “Provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs” in Wien zusammengetroffen und am 30. Oktober wählten besagte Abgeordnete den Staatsrat der die Staatsregierung Renner I (benannt nach Karl Renner) berief. Am 12. November 1918 erklärte der Kaiser seinen Verzicht und die Enthebung seiner letzten Regierung, wodurch ein Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung die “Deutschösterreichische Republik” ausgerufen wurde. Der neue Staat wurde als “demokratische Republik” bezeichnet. Der Name Deutschösterreich wurde am 10. September im Vertrag von Saint Germain in Republik Österreich geändert und zusätzlich beschlossen, dass weder Deutschland noch Österreich das Recht hätten, sich zu einem Staat zusammenzuschließen.

Saint Germain und Österreich
Das wichtigste Ereignis dieses Vertrages für Österreich, vormals Österreich-Ungarns, war die Teilung und somit Auflösung der österreichischen Reichshälfte. Das heißt das alte Königreich Österreich-Ungarn wurde getrennt, um den Grundstein für eine neue österreichische Republik zu legen: Deutschösterreich. Dieser Begriff sollte alle deutschsprachigen Völker unter der neuen Republik vereinen. Es sollte ein Staat entstehen mit 118.311Quadratkilometer und ca. 10,37 Millionen Einwohnern. Tirol inklusive Südtirol und das gesamte Ladinien sollte dort miteinbegriffen sein, das Trentino bei Italien bleiben.
Bereits zu Beginn des Jahres 1919 erkannte man, dass das Konzept „Deutschösterreich“ nicht zu realisieren wäre, da die alten k.u.k.-Gebiete mit mehrheitlich deutschsprachigem Anteil unter den Siegermächten aufgeteilt waren. Italien hatte Südtirol bereits seit 3. November 1918 besetzt und wurde annektiert, so wie es bereits 1915 von den Siegermächten an Italien angeboten wurde, wenn es dafür in den Krieg gegen die Achsenmächte eintreten würde. Die Gebiete Böhmens und Mährens waren nun tschechisch geworden. Effektiv konnten vier Millionen deutschsprachige Einwohner nicht das neue Parlament der Republik Österreich wählen, da diese unter anderes Herrschaftsgebiet fielen. Darunter Südtirol mit 250.861 Einwohnern. Doch nicht nur in Südtirol, auch in Böhmen, im Sudetenland und Südmähren brodelten die Gemüter. Sie alle wurden indirekt links liegengelassen und sollten akzeptieren, was von einigen Personen in Frankreich beschlossen wurde. Eine auf langfristige Zeit gesehen äußerst kritische Situation wurde somit geschaffen und obwohl dies von einigen Politikern jener Zeit erkannt wurde, war man nicht imstande diese Fehler zu korrigieren.

Was wird aus dem südlichen Tirol?
Der Amerikanische Präsident Woodrow Wilson verkündete im Januar 1918 in einem 14 Punkte enthaltenen Manifest, welches die Grundlage für die Selbstbestimmung der Völker garantieren sollte, dass jedes Volk anrecht habe, gemeinsam mit Recht auf Frieden zu leben. In Punkt 9 von 14 hatte es geheißen: „Es sollte eine Berichtigung der Grenzen Italiens nach den klar erkennbaren Linien der Nationalität durchgeführt werden.” Würde man genau diesen Punkt befolgen, so wären neben vielen anderen Gebieten Südtirol zu keiner Zeit an Italien gefallen. Jedoch verpflichtender als diese Grundsatzerklärungen Wilsons war der Londoner Vertrag, welcher am 26. April 1915 unterzeichnet wurde und in welchem Italien zum Kriegseintritt gekauft wurde, wenn es innerhalb Mai seine Verbündeten angreife.
Der Rest ist Geschichte.
Warum ist das jetzt für Südtirol so wichtig? Allein durch diese Folge von Entscheidungen sollte in Südtirol ein Konflikt entbrennen der im Grunde genommen bis heute andauert. Oft wird vergessen, auf was alle Nationen in dieser Zeit damals gehofft hatten, auf einen stabilen Frieden und ein Leben ohne Krieg. Und genau das ist es, was wir als Lehre aus den zwei Weltkriegen ziehen sollten: Das Streben nach Frieden und friedlichem Zusammenleben in einem großen Europa. (JR)