Wie der Bergbau das Ahrntal veränderte

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Wie der Bergbau das Ahrntal veränderte

Prettau – Die Majorisierung der bäuerliche Bevölkerung durch die Knappen und deren Auswirkungen auf die Besiedlung der Ortschaft Prettau.

Da bis Mitte des 16. Jahrhunderts Namenslisten von Arbeitern des Prettauer Bergwerkes fehlen, kann man vorher weder über deren Anzahl noch über deren Herkunft etwas erfahren. Als Beweis für die starke Zuwanderung muss der Anstieg der Zahl der Söllhäuser in Prettau von 16 auf 37 in der Zeit von 1429 bis 1483 gelten. Es bestand nämlich für zugewanderte Bergleute ein Recht auf Bau eines Söllhauses auf der Gemain, wenn sie sich an einem Bergbauort niederlassen wollten. Das sah bereits der Artikel 24 der Schwazer Bergordnung von 1449 vor und dann auch der Artikel 4 der Ferdinandeischen Bergordnung von 1553. In Letzterem heißt es, dass den Knappen und Arbeitern, die an einen Bergwerksort kommen und sich dort niederlassen und Häuser bauen wollen, „von dem Bergk-Richter, Landt-Richter oder Statt-Richter […] Hoffstett auff der Gmain außgezaigt werde. Dauon soll dem Gerichts-Herren […] nach Rath Unserer Bergk-Richter ein zimblicher Zins gegeben werden.  […] Sonst sollen berürte Knappen und Arbaiter Steur frey seyn.“ Von diesem Recht ist auch in Prettau Gebrauch gemacht worden, und zwar zunächst auch gegen den Willen der Bauern, die ja die ersten Nutzungsberechtigten auf der Gemain waren. Es gelang dann in der Herrschaft Taufers schon sehr früh, das Recht der Bergleute auf Zuweisung von Baugrund auf der Gemain einzuschränken. In der ersten für die Herrschaft Taufers erstellten Waldordung von 1521 werden zwei diesbezügliche Vorschläge gemacht. Einmal sollte versucht werden, die wohnungsuchenden Arbeiter des Berg- und Schmelzwerkes gegen entsprechenden Zins bei den Nachbarn unterzubringen. Erst wenn das nicht gelang, sollte man ihnen einen Baugrund samt Bauholz auszeigen, aber einen „zimblich Zins darauf schlagen und denselben Zins in unser Pfleg- und Ambt Taufers jehrlich zuanndtwurten verordnen.“  Diese Maßnahmen wirkten anscheinend, denn die ziemlich ausführliche „Beschreibung  in Perckhgericht Taufers der besteuerten und unbesteuerten Behausungen samt derselben Zugehörungen“  aus dem Jahre 1630 listet in Prettau 43 Söllhäuser auf, also nur 6 mehr als 1483. Davon hatten 20 einen Besitzer, 22 zwei Besitzer und eines drei Besitzer; insgesamt boten die vorhandenen Söllhäuser also 67 Familien Platz.

Nach dem gewaltigen Niedergang des Bergwerkes ab den 40er Jahren des 17. Jahrhunderts infolge zweier Gewerkenkonkurse innerhalb von nicht einmal zehn Jahren (Freiherren von Wolkenstein-Rodenegg 1650 und Ludwig Perkhofer 1660) spiegelt sich dessen Wiederaufstieg natürlich vor allem in den Produktionszahlen und auch in der Zunahme der Beschäftigtenzahlen und dementsprechend der Söllhäuser. Diesbezüglich sind im Steinhauser Archiv befindliche Häuserlisten von Bedeutung, einmal jene von 1700 und dann jene von 1752. Die erste Liste enthält 55 Söll- und 30 Bauernhäuser.

Dass die Zahl von 30 Bauernhäusern mit der Prettauer Wirklichkeit einigermaßen während es die Kammer zu Innsbruck im Jahre 1539 noch ausdrücklich verboten hatte, Salz von Schellenberg und Hallein über den Tauern nach Prettau zu führen, erlaubte sie es den überteyrischen (über den Tauern) Säumern im Jahre 1621, Salz aus Salzburg nach Prettau zu führen. In diesem Zusammenhang ist davon die Rede, dass dieses Salz nur für die unentbehrliche Hausnotdurft der Knappen und Untertanen bestimmt und daher dessen Menge nicht groß sei, weil „der orthen ausser den Knappen über 30 angesessne Paursleut nit zu befinden“. Außerdem liege Prettau direkt an der Grenze zu Salzburg und das Salz sei dort wohlfeiler zu haben als das Haller Salz. Das Salzburger Salz durfte aber nur auf dem Gemeindegebiet von Prettau verbraucht werden und nicht im Ahrntal außerhalb der Klamme.

Von den 55 im Häuserverzeichnis von 1700 erwähnten Söllhäusern weisen 29 zwei, 3 drei und eines vier Besitzer auf. Die zweite Liste – jene von 1752 – enthält 62 Söllhäuser, von denen 28 mehrere Besitzer aufwiesen und 24 zumindest teilweise nicht von Bergleuten bewohnt waren, und daher als landgerichtlich gekennzeichnet sind gegenüber den anderen, die der Berggerichtsbarkeit unterstanden. Wenn die in der Liste von 1752 genannten Häuser über zwei Besitzer verfügten, wiesen sie meist auch zwei Stuben auf. Wenn die Häuser geteilt waren, geschah das immer in Hälften oder Viertel. Auch Häuser mit drei Besitzern waren nie genau gedrittelt, sondern in eine Hälfte und in zwei Viertel geteilt. In Prettau erinnern sich ältere Leute noch an diese Wohnverhältnisse, die teilweise bis Mitte des letzten Jahrhunderts gang und gäbe waren. Wenn sich zwei Familien eine Stube teilen mussten, wurde nicht selten die Grenze des jeweiligen Familienterritoriums mit Kreide in den Stubenboden geritzt.

Da das Bergwerk am Rötbach lag, einem orografisch links der Ahr zufließenden Seitenbach am nördlichen Dorfende von Prettau, trug man bei der Ausstellung der Baugenehmigungen für die Knappensöllhäuser dem Rechnung. So entstanden besonders viele der später sogenannten Knappenhütten  am Knappenegge, das vom untersten Stollenbereich des Bergwerkes nur durch die Felder des Bruggerhofes getrennt ist, dessen Lage auf der Schattenseite des sehr engen Tales an sich aber keine ideale Wohnbauzone abgab. Ganz sicher galt aber dieser Baugrund als für die Söllbehausungen der Knappen am wenigsten schade, zumindest in den Augen der Bauern, die ja mit Argwohn über die Nutzung eines jeden Quadratklafters der Gemain achteten. Die Beschreibung von 1752 zählt 10 Söllhäuser auf, die alle am Knappenegge stehen. Es sind dies: das Mösernhaus mit 2 Stuben und 3 Erzknappen als Besitzer, das Pranterhaus, ebenfalls mit 3 Besitzern, von denen zwei Erzknappen waren und eine die Schwester eines der beiden Knappen, das Kuchlhaus im Besitz von 2 Erzknappen, das Marxhaus, das einem Erzknappen allein gehörte, das Möslhaus, das zwei Erzknappen zu gleichen Teilen gehörte, dann folgen drei Häuser mit dem Namen Rindlhaus, und zwar das Rindlhaus, das andere Rindlhaus und das dritte Rindlhaus, die alle drei im Besitz von je zwei Erzknappen waren, schließlich das Schlipferhaus und das Schüsslhaus, beide im Besitz von je einem Erzknappen. Was die Lage der anderen Söllhäuser anging, galt, dass ihre Anzahl mit der Entfernung vom Bergwerk abnahm. So wurde im äußeren Prettau etwa ab dem Walderhof die Mehrzahl der Söllhäuser von Leuten bewohnt, die nicht zu den Bergverwandten  gehörten und also landgerichtlich waren. Vergleicht man die Häusernamen aus dem Jahre 1700 mit jenen von 1752, fällt auf, dass sich viele von ihnen allein schon in diesem halben Jahrhundert verändert haben, was wohl die Folge von häufigem Besitzerwechsel war. Es ist an sich schon bemerkenswert, dass in einem Bauerndorf wie Prettau am Ende des Mittelalters die Anzahl der Söllhäuser jene der Bauernhäuser übertraf und sich in der Folge dann noch weiter vergrößerte. Ohne den Bergbau im Hintergrund wäre es dazu nie gekommen. Im äußeren Ahrntal konnte diese Entwicklung viel mehr eingebremst werden, als ab dem 16. Jahrhundert mit der Verlegung der Schmelzwerke talauswärts nach St. Peter, nach Steinhaus und nach St. Johann auch immer mehr Arbeiter, vor allem Schmelzer, Holzknechte und Köhler, aus dem äußeren Ahrntal zum Zuge kamen. Auch diese versuchten, in den Dörfern unterzukommen, wo ihr Arbeitsplatz war. Aber lange nicht allen gelang es, ein Söllhaus zu bauen oder zu kaufen. So waren 1752 in St. Johann, wo ja zunächst mehrere kleine und dann das große Schmelzwerk von Arzbach standen, nur 19 ½ Soldhäuser von Bergwerksarbeitern oder deren Witwen bewohnt, in Steinhaus/St. Jakob  gar nur 7 ½.

Auch wenn im Artikel 4 der Ferdinandeischen Bergordnung den Knappen Steuerfreiheit zugebilligt wurde – sie sollten ja nur dann einen „zimblichen Zins“ zu geben schuldig sein, wenn ihnen auf der Gemain Baugrund für ein Söllhaus ausgewiesen wurde , hielt dieses Versprechen nicht. Schon im 15. Jahrhundert wurden z. B. für die „ordinari Landsteuer“ alle alten Exemptionen für die von der Landschaft bewilligten neuen Steuern abgeschafft. (RT)