Seit nunmehr 20 Jahren gilt das Jugend- und Kulturzentrum UFO in Bruneck als kultureller Treffpunkt für Generationen mit vielfältigem Angebot. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums hat der Puschtra mit dem Leiter des UFOs Gunther Niedermair über Kulturarbeit in Zeiten der Coronakrise, die Ideen zum Jubiläum und die Jugend von heute gesprochen.
Puschtra: Wie geht das UFO mit der Coronakrise um?
Gunther Niedermair: Zu Beginn mussten wir leider das gesamte Frühjahrsprogramm absagen bzw. auf den Herbst verschieben. Es mussten schnell gute betriebliche Lösungen für unsere MitarbeiterInnen gefunden werden. Zudem sind wir dabei, unsere drei Sommerprojekte, das Open-Air-Kino, das Betreuungsprojekt ‘Sommerbeschäftigung‘ und die Workshops beim ‘Puschtra Sommer‘ zu planen. Momentan überarbeiten wir in Videokonferenzen und im Homeoffice unser inhaltliches Konzept im Jugendtreff und bieten virtuelle Jugendarbeit an. Wir reflektieren also unsere Arbeit und versuchen, den Kontakt mit den Jugendlichen aufrecht zu erhalten.
Was kann man sich unter virtueller Jugendarbeit vorstellen?
Das ist ein Mix von unterschiedlichen Online-Angeboten. Dabei möchten wir mit jugendgerechter Information einerseits Solidarität für unsere älteren Mitmenschen erwirken und andererseits mit verschiedenen Tools den Alltag der Jugendlichen in der Isolation bunter gestalten. Das reicht von Spielangeboten wie Watten und Schnitzeljagd, von Foto- und Video-Wettbewerben bis hin zum Online-Jugendtreff und Tipps für internetfreie Angebote.
Können Sie sich vorstellen, diese Kommunikationsform mit den Jugendlichen in irgendeiner Form auch nach der Coronakrise in ihr Programm aufzunehmen?
Die Jugendlichen halten sich so oder so sehr lange in den sozialen Medien und Spielplattformen auf. Es ist also gut, diese zu kennen, um mit den Jugendlichen darüber sprechen und reflektieren zu können. Über attraktive Apps können auch neue Kontakte aufgebaut werden. Dieser Digitalisierungsschub bringt also einige Vorteile für die Zukunft. Die medienpädagogische Arbeit wird vertieft, die Bewerbung unserer Angebote wird jugendgerechter. Der direkte Austausch mit den Jugendlichen wird aber nach wie vor das Herzstück der Jugendarbeit bleiben.
Wie schaut es mit dem Sommerprogramm aus? Wird das Open-Air Kino angesichts der Veränderungen durch die Coronakrise wie geplant stattfinden oder gibt es einen Plan B?
Wir hoffen, dass unser achtwöchiges Open-Air Kino Anfang Juli starten kann. Es findet bei kostenlosem Eintritt unter freiem Himmel in unserer großen Naturarena statt. Das wären so gesehen gute Startbedingungen für unser Kulturprogramm, da die Menschen noch länger Bedenken haben werden, sich gemeinsam in Räumen zu begeben und auch weniger Geld für Kulturausgaben vorhanden sein wird. Heuer findet Ende Juli im Rahmen unserer Jubiläumsaktionen das dreitägige ‘Filmfeschtl‘. mit dem Filmproduzenten Georg Tschurtschenthaler statt. Und wir sind auch schon gespannt auf eine Kunstperformance von Leonard Alberti.
Im Jahr 2000 wurde das Jugend- und Kulturzentrums UFO mit einem zweiwöchigen Festival der Jugendkultur eröffnet. Welche Visionen begleiteten diese Anfänge?
Von Anfang an war es das Ziel, unterschiedliche Ideen und Generationen miteinander in Verbindung zu bringen und somit einen kulturellen Begegnungsort zu schaffen. Hier treffen viele Menschen aufeinander und Erwachsene sehen, dass Jugendliche interessante Projekte gestalten und Jugendliche sehen, dass es auch interessante Erwachsene gibt. Der generationsübergreifende Ansatz schafft also eine Atmosphäre des Respekts.
Welche Ideen konnten in diesen 20 Jahren umgesetzt werden, welche wurden wieder verworfen?
Als wir vor zwanzig Jahren mit diesem für Südtirol einzigartigen Konzept starteten, meinten viele Kritiker, dass Jugendarbeit und Kulturarbeit nicht zusammenpassen, da die verschiedenen Zielgruppen unterschiedliche Interessen hätten. Aber genau dieser Punkt ist ja das Spannende. Es ist gelungen, unsere zentrale Vision umzusetzen und zu einem Treffpunkt der Generationen und zu einer Plattform für viele Kulturschaffende dieses Landes zu werden. Die Vielfalt ist im Haus und in den Angeboten sichtbar. In den zwanzig Jahren wurden immer wieder neue Formate entwickelt. Viele haben sich bewährt, andere wurden wieder vom Programm genommen.
Mittlerweile ist das Jugend- und Kulturzentrum UFO zu einem stattlichen Betrieb herangewachsen, welches sind die tragenden Säulen?
Unsere Arbeit baut auf mehreren Säulen. Im Mittelpunkt steht unsere Jugendarbeit. Dazu bieten wir einen Jugendtreff, Proberäume für Bands und Projekte und Workshops. Für die SportlerInnen haben wir einen Skate- und Slacklinepark und einen Fußball-Bolzplatz. Zunehmend spannend wird der Bereich Jugendsozialarbeit, bei dem wir uns in Zukunft verstärkt mit aufsuchender Jugendarbeit auseinandersetzen werden. In der Öffentlichkeit wird am stärksten unsere Kulturarbeit mit jährlich über 110 Eigen- und Gastveranstaltungen in unserem Saal und in der Sommer-Arena wahrgenommen. Für den hohen Anteil an Eigenfinanzierung ist auch unser Dienstleistungsbereich mit Raumvermietung und Café wichtig. Das Groove-Café ist die kommunikative Schnittstelle für all diese Angebote.
Wird das Gebäude der vielfältigen Nutzung 20 Jahre später noch gerecht?
Wir sind privilegiert, eine Struktur führen zu können, die mit coolen Räumen und modernster Veranstaltungstechnik ausgestattet ist. Die Jugendarbeiter und die Jugendlichen wurden durch die Verantwortlichen in Gemeinde und Land und durch das Architektenteam in alle Planungsschritte eingebunden. Das macht sich immer noch bezahlt. Zudem haben wir in den letzten Jahren die Strukturen ständig an neue Herausforderungen angepasst. Erst kürzlich wurde die Lichtanlage auf LED-Technologie umgerüstet und die Musikanlage digitalisiert.
Wie hat sich Kulturarbeit in diesen 20 Jahren verändert?
Kultur ist Leben und bedeutet stets eine Auseinandersetzung mit aktuellen, gesellschaftlichen Themen. Natürlich haben sich die kulturelle Kommunikation und die Auseinandersetzung durch die sozialen Medien verändert. In den letzten Jahren haben sich die kulturellen Ausdrucksformen wie Musik, Design, Architektur, Tanz, Theater, Literatur, Film, Kunst, junge Sportarten immer mehr ineinander verwoben. Durch diese spartenübergreifende Herangehensweise werden neue Sichtweisen entwickelt. Natürlich hat sich die kulturelle Kommunikation und Auseinandersetzung durch die sozialen Medien verändert. Auffallend ist, dass Menschen zunehmend die inhaltliche Auseinandersetzung suchen. Dazu haben wir die „start.klar. – Reihe“ mit Dialogabenden zu Themen wie Nachhaltigkeit, Menschenrechte und soziale Verantwortung entwickelt.
Das UFO verfolgt laut Leitbild die Prinzipien „Offenheit, Begleitung und Förderung der jungen Kultur“. Was bewegt die jungen Menschen heute?
Was mir auffällt ist, dass Jugendliche sehr viel miteinander kommunizieren, die sozialen Medien bestens beherrschen und sehr mobil sind. Viele Jugendliche treten selbstsicher auf, sind aber auch oft zutiefst verunsichert wegen der vielen Möglichkeiten und Herausforderungen. Damit werden Themen wie Familie und Heimat für Jugendliche immer wichtiger. Gleichzeitig spiegeln Jugendliche die Kommerzialisierung unserer Gesellschaft. Gut ist, wer was zu bieten hat und erstrebenswert ist, was in ist. Wenn ich die negativen Vorurteile beobachte, mit denen Jugendliche bedacht werden, so lauten die immer: Jugendliche sind gewalttätig, desinteressiert, rechtslastig, betrunken usw. Meiner Erfahrung nach stimmen diese einfachen Zuschreibungen nicht. Es sind Attribute, die immer auf dasselbe rauslaufen. Gesellschaftliche Probleme werden auf die Jugendlichen projiziert und werden bei den Jugendlichen schnell sichtbar. Jugendliche sind ein Gradmesser für das Wohlbefinden einer Gesellschaft. Wenn wir also von ‘schwierigen Jugendlichen‘ reden, so reden wir über uns selbst. Wir reden über eine Gesellschaft, die immer weniger Zeit für ihre Kinder hat und das Leistungsprinzip zum höchsten Wert erhebt. Wir reden über eine Gesellschaft, wo es für viele Familien zunehmend schwierig wird, den vielen Anforderungen gerecht zu werden. Wir müssen anfangen, genauer hinzuschauen.
Im Leitbild wird das UFO als “ein offenes Haus für alle Sprachgruppen“ beschrieben. Ein Thema, das heute wohl kaum aktueller sein könnte?
Alle Jugendlichen, egal welcher Sprache, Kultur oder Herkunft, sind willkommen und sollen sich an- und ernst genommen fühlen. Das Leitbild ist in diesem Sinne wesentlich erweitert worden. Der Alltag im UFO ist bestimmt durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen. Das birgt immer wieder auch Konfliktstoff, letztendlich ist es auch ein Lernraum. Die Jugendlichen können ihre Erfahrungen machen und somit auch das eine oder andere Vorurteil hinterfragen.
Die Jubiläumsveranstaltung zum 20-jährigen steigt im Herbst mit dem „Festival der jungen Kultur“. Was ist geplant?
Die Jubiläumsveranstaltungen ziehen sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten durch das ganze Jahr. Nach dem Konzert mit Herbert Pixner finden noch weitere Musikhighlights mit Josh oder „folkshilfe“ im Herbst statt. Das Literaturfestival im März, das zum zwanzigsten Mal mit über 20 AutorInnen und MusikerInnen geplant war, wurde im letzten Moment wegen des Corona Virus abgesagt. Am 25. September findet das Festival der jungen Kultur statt. Hier wird man all die Vielfalt in einem Feuerwerk der Kreativität finden: Poetry Slam, Improtheater, SingerSongwriter, eine Kunst- und Tanzperformance und Dialoge zu dem, was uns bewegt.
Wie würden Sie das Jugend- und Kulturzentrums UFO heute in einem Satz beschreiben?
Das UFO steht für Vielfalt und interessante Begegnungen.
Welche Visionen für das UFO treiben den Verein 20 Jahre nach der Gründung voran?
Wir werden getrieben von der Vision, das UFO weiterhin als Ort des Dialogs mit einer feinen Atmosphäre auszubauen. Dafür arbeiten wir im Team und mit vielen Menschen und Organisationen, die uns dabei unterstützen. (TL)
Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.