Seit über einer Woche leben wir in Südtirol nun mit Phase 2. Das Landesgesetz vom 8. Mai hat den Betrieben Lockerungen gebracht unter anderen Branchen kamen nun auch die Hotellerie und die Gastronomie zum Zug – wenn auch mit Auflagen. Der HGV-Bezirksobmann des Puster- und Gadertals spricht im Interview über die neue Situation für Beherbergungs- und Gastbetriebe.
Puschtra: Die römische Regierung setzt in Phase 2 der Corona-Pandemie auf Vorsicht: Die Öffnung der Beherbergungsbetriebe sind im letzten Dekret des
Ministerpräsidenten nicht einmal erwähnt worden. Wie ist diese Entscheidung beim hgv angekommen?
Thomas Walch: Wir haben natürlich alle sehr gespannt die Ankündigungen vom Ministerpräsidenten verfolgt und waren enttäuscht, dass vom Hotel- und Gastgewerbe keine Nachricht mit dabei war. Zum Glück war es in Südtirol so, dass man sich wenig später entschlossen hat mit einem Landesgesetz einen eigenen Weg zu gehen, dass auch das Hotelgewerbe wieder hochgefahren werden kann.
Viele fragten sich bereits, ob diese restriktiven Maßnahmen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden überhaupt rechtfertigen – Wie stehen Sie dazu?
Der Staat wollte unbedingt vermeiden, dass im restlichen Staatsgebiet dasselbe passiert, wie in der Lombardei – dies ging natürlich auf Kosten der Wirtschaft und Gesellschaft, war aber meiner Meinung nach auch gerechtfertigt. Auch in Südtirol hatten wir bis in den April hinein viele Todesfälle zu verzeichnen und zu Beginn hat es durchaus einige Menschen gegeben, die den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Jetzt haben wir allerdings bewiesen, dass wir die Lage ernst nehmen und mit zunehmender Besserung der Zahlen war die Diskriminierung deshalb nicht mehr tragbar.
Die Beherbergungsbetriebe mussten die letzte Saison mit 11. März frühzeitig beenden. Wie viel Umsatzverlust hat die vorzeitige Schließung verursacht?
Wir hatten die Mitgliedsbetriebe Anfang März bereits gebeten eine Umfrage zu den Umsatzeinbußen abzugeben, das ist uns allerdings nicht mehr gelungen, weil zu dieser Zeit so viele Dinge zusammengekommen sind. Fakt ist, dass sehr, sehr viele touristische Sektoren wie Hotelerie, Gastronomie, Aufstiegsanlagen usw. betroffen sind. Zudem haben wir festgestellt, dass in den Pustertaler und Gadertaler Betrieben, vor allem bei jenen, wo die Saison bis Ostern andauert (Winterhochburgen) ein Verlust von ca. 20 Prozent zu verzeichnen ist. In Summe sprechen wir von ein paar 100 Millionen Euro Schaden und das ist für den Sektor schwerwiegend. In der Peripherie, so zum Beispiel im Hochpustertal, waren die Auswirkungen nicht gravierend. Zu sagen ist auch, dass die Biathlon Weltmeisterschaft uns sehr gut abgefedert hat.
Dank dem Landesgesetz Nr. 4 vom 8. Mai dürfen die Beherbergungsbetriebe in Südtirol nun am 25. Mai wieder aufsperren. Zeitlich gerade recht oder spät für die Tourismusbranche?
Wir waren die Ersten, die geschlossen haben und sind die Letzten, die aufsperren (lacht). Wir als hgv haben ja von uns aus im März den Schritt gemacht die Hotels und die Lifte vorzeitig zu schließen und dies in einer Dringlichkeits-Pressekonferenz mitgeteilt. Es ist wichtig, dass jetzt ein Termin feststeht, aber es werden sehr wenige aufsperren, bevor nicht geklärt ist, wann mit den italienischen und ausländischen Gästen gerechnet werden kann. Zeitlich gesehen sperren die Hotelbetriebe im Pustertal normalerweise Mitte Mai auf, also ist es für dieses Gebiet immer noch früh genug.
Welche Auflagen bringt das neue Gesetz für die Hotelbesitzer und ihre Bediensteten?
Für die Beherbergung ist sehr positiv zu erwähnen, dass kein Kriterium bezüglich der Größe und Anzahl der Zimmer besteht, weil wir die Verantwortungsträger davon überzeugen konnten, dass sich die Menschen nicht im Zimmer anstecken, da dort eh nur Zusammenlebende oder Familienmitglieder übernachten. Der Mindestabstand von 2 Meter ist allerdings in allen Gemeinschaftsräumen, wie zum Beispiel dem Speisesaal, zu wahren. Das ist zwar eine Einschränkung, aber überschaubar. So kann zum Beispiel das Frühstück im Turnus abgewickelt werden, beim Abendessen ist es etwas schwieriger. Beim Buffet müssen von Gast – sofern sie sich selbst bedienen – und von den Mitarbeitern Handschuhe und eine Maske getragen werden. Die Mitarbeiter, die mit den Gästen in Kontakt sind, tragen eine FFP2-Maske, der Gast seine eigene. Die Nutzung von internen Schwimmbädern- und Saunabereichen ist nur in jenen Hotels möglich, die über eine sogenannte „covid save area“ verfügen. Das bedeutet, dass diese Hotels einen hauseigenen Arzt haben, der die Fiberkontrollen und Negativtests der Gäste und Miterbeiter durchführt. In diese Kategorie fallen allerdings sehr wenige Hotels im Pustertal.
Die Gastronomie hingegen konnte schon ab 11. Mai wieder aufsperren. Sind die Bar- und Restaurantbesitzer und ihre Mitarbeiter dafür ausreichend gerüstet?
Hier ist wichtig, dass es uns gelungen ist in diesem Sektor die Kriterien der 2-Meter-Abstände zu regeln. Das heißt, dass zum Beispiel in einem Restaurant die Entfernung zwischen Mensch und Mensch berechnet wird und nicht zwischen den Tischen. Das bringt für diese Branche bereits kleine Erleichterungen mit sich. Es benötigt viele Ideen, um die Gäste unterzubringen, aber es ist machbar. So zum Beispiel könnten zeitlich unterschiedliche Turnusse eine Lösung sein. Unangenehm sind die Regeln in den Bars. Dort gilt: die Anzahl der Sitzplätze entspricht den Anwesenden, aber mit 2 Meter Abstand von Person zu Person. Die Theke kann ebenfalls mit einem 2 Meter Abstand zum nächsten Gast besucht werden, aber mit Mundschutz.
Wie wird es in diesem Sommer mit den Gästen im Pustertal aussehen?
Wir im Pustertal haben sehr viele italienische Gäste und deshalb hängt die Situation von den weiteren Lockerungen in Italien ab. Wir haben bereits Buchungen, nicht viele, aber es geht in eine gute Richtung. Wenn der Ministerpräsident spätestens am 18. Mai mitteilt, dass wir uns eventuell ab 2. Juni außerhalb der Region bewegen dürfen, können wir sicher mit italienischen Gästen rechnen. Positiv formuliert heißt das, dass wir in der Hauptreisezeit Juli und August mit einer 50-prozentigen Auslastung rechnen können.
Haben Sie ein Datum im Kopf, bis wann unbedingt Reisefreiheit herrschen soll?
Ich bin optimistisch, dass wir Mitte bis Ende Juni mit Gästen aus dem Ausland rechnen können, sofern die Infektionsraten so positiv bleiben, wie momentan.
Wird “Overtourism“ Ihrer Meinung nach in Zukunft überhaupt noch ein Thema sein?
Das Pustertal – die Hotspots im Pustertal – hat/haben in ganz wenigen Tagen im Jahr eine Anzahl von Gästen, die für die Natur und die Bevölkerung belastend sind. Overtourism wie in Mallorca oder am Gardasee finden wir im Pustertal nicht. Gemeinsam mit der IDM und der Politik haben wir bereits in der Vergangenheit versucht eine Besucherlenkung mittels Technologien einzuführen. Jetzt ist die beste Gelegenheit diese Besucherlenkung umzusetzen. Alles ist schon in der Schublade. Wir haben durch das Coronavirus gelernt und ich bin zuversichtlich, dass wir auch diese Besucherlenkung schaffen und damit overtourism in Zukunft auch kein Thema mehr ist.
Werden einige Betriebe auch ganz schließen müssen?
Ja, diese Bedenken gibt es und ich finde, dass wir jetzt das verdauen müssen, was nun mit dem Öffnen der Phase 2 beschlossen wurde. Ich richte einen Appell an alle, ganz genau zu rechnen, was unterm Strich dann schlussendlich bleibt. Im Pustertal wird es sehr wohl Betriebe im hohen Preissegment geben, die zusperren. So zum Beispiel im Gadertal, wo zwar eine gute Winterauslastung da ist, aber eine schwache Sommersaison herrscht. Wenn diese Betriebe dann auch noch hohe Personalkosten haben, werden sie sich schwer tun, weil ja auch alle anderen Kosten bleiben und zum Beispiel die Wellnessanlagen nicht benützt werden können. Wichtig für die Schließung ist natürlich die Mobilität in Italien und im Ausland und hängt zudem auch noch von den Maßnahmen ab, die in den nächsten Wochen gesetzt werden. (TL)
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