Im Pustertal befinden sich einige der naturnahesten Gewässer in Südtirol, die zahlreichen Fischarten Lebensraum bieten. Durch gezielte Renaturierungen wurde in den vergangenen Jahren versucht, diese Lebensräume zu erhalten und ideale Bedingungen für eine natürliche Fortpflanzung der Fische zu schaffen. Trotzdem belegen aktuelle Daten, dass der Fischbestand in einigen Gebieten durch natürliche Feinde und heftige Unwetter zunehmend beeinflusst wird.
Die Mitarbeiter des Amtes für Jagd und Fischerei, darunter auch Hannes Grund, sind in ganz Südtirol unterwegs. Sie haben nahezu jedes Gewässer in Südtirol durchwatet oder es mit dem Boot befahren. So waren sie auch vor kurzem in der Rienz, Ahr und Gader unterwegs, um durch Befischungen verschiedener Flussabschnitte den aktuellen Fischbestand zu erheben. „Allgemein kann gesagt werden, dass im Pustertal in den meisten Fließgewässern Fische vorkommen. Dazu kommt, dass diese Gewässer zu den produktivsten in Südtirol zählen, wo meist eine natürliche Fortpflanzung festzustellen ist“, erklärt Hannes Grund, der durch quantitative und qualitative Befischungen zu diesem Schluss gelangt. Dafür wird laut dem Experten eine repräsentative Flussstrecke gesucht, die alle Strukturen des Gewässers enthält. Anschließend werden die Abfischungen mit Strom durch Watbefischung (zu Fuß im Wasser) durchgeführt. „Bei den Erhebungen der verschiedenen Fischarten wird die Fischart bestimmt sowie Länge und Gewicht erhoben“, zählt Hannes Grund auf.
Bachforelle und Co.
Laut den Experten lebt in den meisten Gebirgsbächen in unseren Gebieten die Bachforelle. Neben der Bachforelle kommen in den Pustertaler Fließgewässern auch weitere Salmoniden, wie die Äsche, die Marmorierte Forelle sowie die Kreuzungen zwischen Bachforelle und Marmorierter Forelle, Bachsaibling und vereinzelte Regenbogenforellen vor. Dazu gibt es noch die Kleinfische, wie Mühlkoppe und Neunauge. Es gibt auch in gewissen Fluß- oder Bachstrecken Besonderheiten, wie zum Beispiel jene des starken Bachsaiblingsbestandes in allen Altersklassen im Oberlauf des Reinbaches. „Der Grund hierfür ist, dass sich im Fluss selbst Quellen befinden, was für die Fortpflanzung des Bachsaiblings entscheidend ist“, erklärt der Experte. In Südtirol finde man die natürliche Fortpflanzung des Bachsaiblings nur an wenigen Orten, weiß Hannes Grund. Genauso interessant sei, dass in der Ahr von Luttach bis Prettau keine natürliche Fortpflanzung stattfinde.
Unwetter und Kormoran
Die Bemühungen des Amtes für Wildbach- und Lawinenverbauung Flüsse aufzuweiten und zu renaturieren tragen laut Hannes Grund Früchte. Die Erfahrung habe gezeigt, dass dieses Zurückgewinnen natürlicher Lebensräume für den Fischbestand von großem Nutzen ist, meint Hannes Grund lobend. Was allerdings die Statistik des Fischbestandes – neben den von Menschen erzeugten Aspekten wie zum Beispiel nötige Stauseeentleerungen – ebenfalls beeinflusst, sind laut dem Mitarbeiter des Amtes für Jagd und Fischerei die Kormorane, die sich in den letzten drei bis vier Jahren im Pustertal von November bis April vorwiegend in der Ahr sowie in der Rienz, im Unterlauf der Gader und im Olanger Stausee aufhalten. „Diese Vögel verzehren pro Tag bis an die 500 Gramm Fisch“, so Hannes Grund. Deshalb sei es schwierig die positiven Aspekte der Renaturierung anhand der Daten vorzuweisen.
Laut dem Experten bestätigen die aktuellen Daten einen Rückgang des Fischbestandes in den letzten Jahren durch natürliche Feinde, wie dem Kormoran. So belegen die Erhebungen des Amtes für Jagd und Fischerei, dass 2011 in der Ahr 96,76 Kilogramm Fisch pro Hektar erhoben wurden, 2017 waren es noch 82,55 Kilogramm Fisch pro Hektar. Bei den Befischungen 2020 waren es laut Hannes Grund nur noch 52,08 Kilogramm Fisch pro Hektar. „Die Bootsbefischungen zu diesen Daten wurden erst vor kurzem im Oktober 2020 durchgeführt. Die Erhebungen zeigen deutlich, welchen Einfluss diese fischfressenden Vögel auf den Fischbestand, insbesondere auf die Äschen, haben. Die Ahr ist eines der natürlichsten Gewässer und hat sonst keine anderen negativen Einflüsse, die für dieses Phänomen verantwortlich sein könnten“, bestätigt Hannes Grund.
Genauso sei es mit den Hochwassern aufgrund von extremen Gewittern mit starkem Niederschlag, die nun jedes Jahr auch vermehrt auftreten und den Fischbestand zudem minimieren oder sogar gänzlich auslöschen würden. Vor allem die Unwetter im Herbst 2018 hätten gezeigt, dass der Fischbestand vor allem in der Gader sehr stark reduziert wurde und auch die Gebiete in Sexten sind laut Hannes Grund stark betroffen gewesen. Im Vigilerbach war 2020 unterhalb der abgegangenen Mure ein Totalausfall des Fischbestandes zu verzeichnen. 2017 hätten gewaltige Gewitter mit folgenschweren Murenabgängen in Prags für einen erheblichen Rückgang des Fischbestandes dort gesorgt. „Dabei hält der im Gewässer aufgewachsene Wildfisch wirklich viel aus, aber wenn nicht nur viel Wasser, sondern auch viel Material transportiert wird, schafft es auch der beste Fisch nicht mehr“, stellt Hannes Grund fest.
Revitalisierung von Lebensräumen
Unter dem Projektnamen „RIENZact“ läuft seit Anfang 2018 ein Flussraummanagementplan für die Rienz von ihrer Quelle am Fuße der Drei Zinnen bis zur Einmündung in den Mühlbacher Stausee. Das Gebiet umfasst 30 Quadratkilometer und es sind alle betroffenen zwölf Gemeinden sowie sämtliche relevanten Fachbereiche in das Projekt eingebunden. Ziel ist es, in einem kontinuierlichen partizipativen Planungsprozess bis Juni 2021 ein gemeinsames Leitbild und einen Maßnahmenkatalog für die nachhaltige Flussraumentwicklung zu erarbeiten.
„Noch vor zehn Jahren war im Bereich zwischen Percha und Bruneck eine fünf Meter hohe Sperre vorhanden, welche die Rienz in Ober- und Unterlauf getrennt hat und für Fische ein unüberwindbares Hindernis dargestellt hat. Der Wildholzrechen, der danach gebaut wurde, mit einer Fischrampe direkt im Flussbett, war eine erfolgreiche Maßnahme erstens als Hochwasserschutz, um das Wildholz aufzuhalten, um Verklausungen der Brücken zu vermeiden, und zusätzlich wurde die Fischpassierbarkeit der Rienz wiederhergestellt.
Im Zuge des Projektes ‘RIENZact‘ ist dann 2019 im Bereich unterhalb des Sportplatzes bei Percha ein Teil des Biotops revitalisiert geworden, damit die natürliche Entwicklung des Fischbestandes gefördert wird. Die Revitalisierungsmaßnahmen sahen vor die Fließgeschwindigkeit und die Tiefe des Wassers zu ändern, um eine optimale Umgebung für Jungfische – ähnlich einer Kinderstube – zu schaffen“, erklärt Sabrina Margarete Horak vom Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung Ost. „Die heurigen Unwetter haben diese künstlich geschaffene ‘Kinderstube‘ beeinträchtigt, weshalb sie vom Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung Ost im September 2020 wiederhergestellt wurde. Bis das Gleichgewicht erreicht ist, braucht es allerdings Zeit, zumal es sich bei diesem Abschnitt um eine Restwasserstrecke des Kraftwerkes handelt und so der natürliche Wasserabfluss ohnehin beeinträchtigt ist.“
Schonendes Fischen
Dass für die Renaturierung der Flüsse im Pustertal in den letzten Jahren einiges getan worden, sei, bestätigt auch der Bewirtschafter Jochen Heuschreck. „Vor allem für den Abschnitt unterhalb von Percha im Gebiet des Sportplatzes wurde vom Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung viel Zeit und Geld investiert, um diesen Flussabschnitt zu renaturieren. Es wurde zum Beispiel eine große Ausweitung des Bachbettes geschaffen, um für die Fische ideale Bedingungen und natürliche Laichplätze zu erhalten“, sagt Jochen Heuschreck. Als Bewirtschafter sieht der passionierte Fischer aus Olang in der Rienz unterhalb Welsberg bis Percha und im Abschnitt Salomonsbrunn im Antholzerbach nach dem Rechten, erstellt die Regeln für die Fischer nach geltendem Fischergesetz und koordiniert die Fischereiaufseher in diesem Gebiet. Auch Verschmutzungen und Wassereinleitungen sind laut Jochen Heuschreck in den letzten Jahren vermehrt zum Thema geworden. So wie die häufigeren Unwetter, wie jenes im vergangenen Sommer, das den Fischbestand vor allem im unteren Abschnitt der Rienz bei Percha bis Litschbach arg zugesetzt habe, hält der Bewirtschafter fest. „Es wurde viel Sand und Kies angeschwemmt. Durch diese Ablagerungen wurden die geschaffenen Laichplätze wieder zerstört. Eine Abfischung vor kurzem hat gezeigt, dass in diesem Gebiet kaum Jungfische mehr vorhanden sind. So hatten sich durch die Renaturierung in diesem Abschnitt viele junge Äschen angesiedelt, die allerdings durch die Unwetter wieder verschwunden sind“, erklärt Jochen Heuschreck. Früher sei vor allem mit Naturködern gefischt worden, heute müsse sich auch die Fischerei an die Veränderungen in den Beständen anpassen und die Regeln danach richten, meint der Bewirtschafter. Schonendes Fischen, wie das Fliegenfischen, sei heute mehr denn je gefragt und unter den jungen Fischern auch sehr belieb, so Heuschreck, der betont, dass dieses schonende Fischen im besagten Gebiet auch verpflichtend sei. Zudem sei es auch hilfreich nur eine begrenzte Anzahl von Fischen zu entnehmen, um den Fischbestand gesund zu halten. Dass diese Methoden auch zum Erfolg führen, zeige der Fischbestand im Antholzerbach, erklärt Heuschreck. „Wir erlauben dort seit Jahren nur noch Fliegenfischen und konnten beobachten, dass sich die Natur selbst wieder herstellt und es dann zum Beispiel nicht notwendig ist Fische einzusetzen.“ (TL)
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