Martin Kammerer aus Brixen/Taufers

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Martin Kammerer aus Brixen/Taufers

„Zum Hochfest der Weihnacht hat sich Christus uns geschenkt.“

Weihnachten 2020 ist geprägt von der weltweiten Pandemie. Zum heurigen Hochfest der Geburt Christi zeigt uns Martin Kammerer in dieser schweren Zeit Lichtblicke und Hoffnung auf. Er ist seit 2012 Dekan des Dekanats Taufers.

Wie sehen Sie dem heurigen Weihnachtsfest entgegen?
Die frohe Botschaft von Weihnachten bleibt unabhängig von der derzeitigen Situation. Es ist mir bewusst, dass für viele Menschen diese Zeit unter den Umständen von Covid-19 eine sehr traurige ist, bedingt durch die Erkrankung oder den Todesfall eines Angehörigen, oder dadurch, dass ihnen wirtschaftliche Krisen und belastende berufliche Herausforderungen auferlegt werden. Zudem können nicht alle das Fest im Kreis ihrer Lieben feiern. Es gibt aber auch Umstände, die uns helfen, den Sinn des christlichen Hochfestes neu zu entdecken und auf das Wesentliche zu schauen. Wir werden in diesem Jahr nicht abgelenkt von Weihnachtsmärkten, Weihnachtsessen und anderen Angeboten, welche mit dem wirklichen Fest nichts zu tun haben. Die Umstände bringen uns vielleicht dazu, unser Konsumverhalten zu überdenken und uns zu fragen: Was brauche ich wirklich, um glücklich zu sein? Vielleicht erhalten kleinere Geschenke und Aufmerksamkeiten eine neue Wertschätzung.

Welche Erwartungen nehmen Sie momentan wahr?
Mit den von der Forschung entwickelten Impfstoffen sind große Erwartungen verbunden, vor allem die Hoffnung, bald wieder zu einem freieren gesellschaftlichen Leben zurückzukehren. Gleichzeitig gilt es, einer schwierigen wirtschaftlichen Situation entgegenzutreten. Damit verbunden ist die Erwartung, dass kleine wirtschaftliche Kreisläufe gefördert und aktiviert werden, und die Hoffnung, dass neue, nachhaltige Wege zum Wohle aller begangen werden. Unsere Erwartung im Zeichen der Weihnacht führt uns aber über das in der Welt Fassbare hinaus. Wir fragen uns vielleicht: Was erhoffe ich mir vom Leben? Wen erwarte ich?

Werden wir eine neue Wertehaltung erleben?
Gerade an Weihnachten kann eine Aufmerksamkeit wie z.B. ein Anruf bei einem kranken, einsamen oder trauernden Mitmenschen ein großes Geschenk bedeuten. Wir alle sind Teil einer sozialen Gemeinschaft und haben einen Auftrag, diesen im Sinne der christlichen Nächstenliebe und der Solidarität zu gestalten. Der Mensch erfährt sich heute als global vernetzt und verbunden – und das ist sehr gut und wertvoll im Sinne einer grenzüberschreitenden menschlichen Verbundenheit, aber unsere Aufmerksamkeit muss auch den kleinen sozialen Kreisläufen unserer nächsten Umgebung gelten. Wir alle leben in den naheliegenden Zusammenhängen der Nachbarschaft, der Ortschaften, der Pfarrgemeinden, der Vereine und Verbände usw.

Wie werden Sie heuer die Christmette feiern?
Um den staatlichen Vorgaben gerecht zu werden, bieten wir in den einzelnen Pfarreien des Dekanats Taufers verschiedene Feiern an: um 16.30 Uhr Kinderliturgien, um 18.30 Uhr Feiern des Heiligen Abends, um 19.30 Uhr sowie um 20.30 Uhr Feiern der Heiligen Nacht. Die Teilnahme organisieren wir teilweise mit Platzkarten, da das Platzangebot in den Kirchen aufgrund der Abstandsregeln dezimiert ist. Wer nicht anwesend sein kann, hört und sieht diese Weihnachtsfeiern auch über den Pfarrsender oder per Live-Stream auf dem YouTube-Kanal des Dekanats Taufers. Natürlich tut es mir leid, dass die derzeitigen Umstände befremdlich sind, aber meine Freude überwiegt, dass wir überhaupt gemeinsam Weihnachten feiern können und dass die Menschen in die Kirche kommen – einige stellvertretend für alle -, obwohl ihnen gewisse Opfer auferlegt werden.

Wird sich durch die Pandemie die zwischenmenschliche Distanz verstärken?
Ich sehe viele Zeichen dafür, dass sich die Menschen nach einem gelösten Beisammensein sehnen und dass sie gereinigt zu einem umfassenden Miteinander zurückkehren. Unter der Rücksicht der höheren Lebenserwartung gibt es eine neue Form der Wertschätzung für das Alter: Die Enkelkinder suchen die Nähe der Großeltern und fühlen sich bei ihnen wohl und verstanden. Ich denke, dass diese Bindung und die Sehnsucht nach einem Miteinander der Generationen sich in dieser schwierigen Zeit in zahlreichen Fällen sogar verstärkt haben.

Will Gott uns durch diese Pandemie prüfen?
Wir werden geprüft in der Geduld und ob wir imstande sind, solidarisch zu sein und mitzufühlen, angesichts trauriger Nachrichten nicht abzustumpfen, sondern altruistisch zu bleiben, auch wenn es uns weniger gut geht. Es wird uns abverlangt, dass wir das Vertrauen in Gott und die Zuversicht bewahren.

Was wird heuer aus der Sternsinger-Aktion?
Hausbesuche sind nicht möglich, doch haben sich die Verantwortlichen der Sternsinger-Aktion in unseren Pfarrgemeinden einiges einfallen lassen, um für die zahlreichen Hilfswerke Spenden zu sammeln. Die Sternsinger treten in den Kirchen auf, wo dann Spenden gesammelt werden, um damit den Leuten zu helfen, denen es viel schlechter geht als uns. In Lebensmittelhandlungen werden Spendenboxen für die Sternsinger-Aktion bereitstehen. Es wird auch Videos unserer engagierten Sternsinger geben. Einige Bäcker bieten ein Sternsingerbrot an, dessen Teilerlös an die Sternsinger-Aktion ergeht; ich denke, das ist ein starkes Zeichen.

Was bedeutet Weihnachten für Sie persönlich?
Zu Weihnachten verspüre ich, dass Jesus mir ganz nahe ist. Durch seine Geburt hat er der Menschheit das größte Geschenk gemacht: Er hat sich selbst geschenkt. (IB)