In Südtirol werden im Rahmen des Projektes “Regiokorn – Getreide aus Südtirol“ an die 100 Hektar Getreide angebaut. Zurzeit wird das Korn im ganzen Land geerntet.
Der Puschtra hat bei einigen Getreidebauern im Pustertal nachgefragt, wie die diesjährige Ernte ausgefallen ist und den Agronom Joseph Fink zum Projekt Regiokorn interviewt.
Puschtra: Herr Fink, können Sie unseren Lesern einen kurzen Überblick geben: Wie das Korn zum Mehl wird?
Joseph Fink: Der Arbeitsprozess ist recht einfach und hat sich im Laufe der Geschichte nicht wesentlich verändert. Seitdem die Menschheit sesshaft ist, wird Getreide angebaut und verarbeitet. Das Getreidekorn wird dabei zerkleinert – früher mit Steinen oder Mühlsteinen – heutzutage mit Walzstühlen. Das Korn läuft bis zu 20 Mal über diese Walzenstühle und anschließende Siebe und wird dadurch schonend vermahlen. Vorher wird das Korn allerdings noch mit einer speziellen Reinigungsanlage von Bruchkorn, Strohresten und Staub befreit. Unterschiede in der Verarbeitung gibt es dann auch noch je nach Getreidesorte: Dinkel – ein Spelzgetreide – durchläuft noch den zusätzlichen Prozess des Entspelzens. Bei Nacktgetreide wie dem Roggen, löst sich das Korn schon im Drescher. Dann wird das Mehl gelagert und abgepackt.
Das Projekt “ Regiokorn – Getreide aus Südtirol“ wurde 2011 ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Schon 2010 gab es vermehrt Anfragen von Bäckern nach regionalem Getreide und Mehl, und Bauern hatten vereinzelt begonnen, in Südtirol wieder Getreide anzubauen. So entstand damals zwischen TIS innovation park, der Bäckerinnung im hds und dem Bauernbund sowie der Laimburg ein ESF-Projekt, das es ermöglichte, Beratungen zu organisieren, Leitlinien zu erstellen und Abläufe zu klären. Ein solides Netzwerk entstand: Die „Regiokorn-Interessengemeinschaft“ mit Vertretern der Getreidebauern, der Meraner Mühle und der Bäcker.
Welches Ziel verfolgt dieses Projekt?
Das Projekt „Regiokorn“ entstand mit dem Ziel, den regionalen Getreideanbau in Südtirol wiederzubeleben und das Netzwerk von den Getreideanbauern, dem Müller und den Bäckern wieder aufzubauen und zu stärken. So gelang es, auch im Bereich Backwaren Produkte mit regionalem Rohstoff anzubieten. Für die Landwirte schaffte das Projekt die Voraussetzungen, ein neues wirtschaftliches Standbein im Bereich Getreide zu erschließen, die Möglichkeiten für die Fruchtfolge zu erweitern und die lokale Wertschöpfung wie auch die Vielfalt der Landwirtschaft zu erhöhen.
Auf welcher Fläche wird in Südtirol Regiokorn angebaut?
Aktuell wird auf 100 Hektar in ganz Südtirol Getreide angebaut. Der Großteil, mit ca. der Hälfte der Fläche, fällt auf das Pustertal, der Rest verteilt sich auf den Vinschgau und das Eisacktal.
Welche Getreidearten werden heute angebaut?
Im Rahmen des Regiokorn-Projektes werden Roggen, Dinkel und Gerste angebaut. Der Anbau richtet sich hauptsächlich nach der Nachfrage am Markt. Wir arbeiten eng mit heimischen Bäckern zusammen, die das Endprodukt dann dem Konsumenten anbieten. Die Getreidesorten, die in Südtirol immer schon angebaut wurden, werden auch heute nachgefragt: So wird das “Vinschger Paarl“ oder das „Pusterer Breatl“ mit Roggenmehl hergestellt und Dinkelmehl wird von den Konsumenten ebenso verstärkt gekauft. Die Regiokornprodukte (Brot, Korn und Mehl) sind südtirolweit bei ausgewählten Bäckern erhältlich, in PUR Südtirol-Geschäften, natürlich direkt in der Meraner Mühle und auch online erhältlich.
Gibt es Unterschiede im Anbau zu früher, was die verschiedenen Getreidesorten betrifft?
Schon immer wurden Pflanzen züchterisch weiterentwickelt um bestimmte Eigenschaften zu verbessern. Aktuelle Sorten sind z.B. robuster gegen Krankheiten, haben höhere Erträge und kürzere Halme, was die Standfestigkeit verbessert. Hybridsorten werden aber keine verwendet. Beim Dinkel setzen wir auf die Sorte „Oberkulmer Rotkorn“, einen Urdinkel. Die Roggensorten werden zusammen mit dem Versuchzentrum Laimburg ausgesucht und eigenen sich für alpine Lagen. Die Regiokornbauern beziehen ihr Saatgut von professionellen Saatgutherstellern um ein sicheres und qualitativ hochwertiges Getreide zu erhalten.
Wie war die Qualität der Ernte des diesjährigen Sommers?
Dieses Jahr war für die Getreidebauern witterungsbedingt sicher kein einfaches Jahr. Die Schwierigkeiten begannen bereits bei der Auswinterung. Der viele Schnee, der lange liegen blieb, begünstigten „Schneeschimmel“, eine Pilzkrankheit, die das Getreide unter der Schneedecke schädigt. Das Frühjahr war dann relativ kühl und das hat zur Verzögerung der Vegetation und auch der Ente um zwei Wochen geführt. In den höheren Lagen im Pustertal, wie zum Beispiel in Rasen-Antholz steht die diesjährige Ernte noch aus, ansonsten wurden vom unteren bis ins obere Pustertal bereits alle Felder abgeerntet. Die größte Herausforderung war allerdings der viele Regen zur Haupterntezeit Ende Juli. Das Getreide war teilweise zu feucht, konnte nicht geerntet werden und vielfach kam es zu „Auswuchs“, was die Backqualität des Mehls maßgeblich verringert. Zusammenfassend kann ich sagen, dass wir mit der Ernte 2021 sowohl ertrags- als auch qualitätsmäßig zwar einige Einbußen hinnehmen müssen – aber jenes Getreide, das die Qualitätskriterien erfüllt, sorgt wieder für bestes regionales Mehl und Brot.
Welche Qualitätskriterien gelten für das Regiokorn?
Alle Regiokorn-Bauern – also konventionelle und auch biologische Betriebe mit Biozertifizierung – müssen nach biologischen Richtlinien anbauen und dürfen keinen Kunstdünger und keine Pestizide ausbringen. Bei der Ernte liegt das Augenmerk dann im Besonderen auf drei Qualitätskriterien: Die Feuchtigkeit muss unter 14 Prozent liegen, damit das Getreide lagerfähig ist. Die Fallzahl gibt Aufschluss über die Backfähigkeit des Mehls und wird durch regnerisches Wetter während der Erntezeit negativ beeinflusst. Dazu kommt das Hektolitergewicht, das Korngewicht im Verhältnis zum Volumen, das Auskunft darüber gibt, wie gut das Korn und der Mehlkörper ausgebildet sind. Alle Kriterien werden in unserem Labor in der Meraner Mühle ermittelt.
Wie viele Bauern des Pustertals liefern aktuell Getreide für dieses Projekt?
Landesweit bauen über 60 Bauern Regiokorn Getreide an, im Pustertal sind es 34 Landwirte. Davon kommen 60 Prozent aus biologischem und 40 Prozent aus konventionellem Anbau.
Die besten Korn-Qualitäten werden auch prämiert?
Die besten Ergebnisse im Bezug auf Ertrag und Backqualität werden mit der Auszeichnung „goldene Ähre“ prämiert. Die Auszeichnung soll eine Wertschätzung und ein Ansporn zugleich sein.
Drei Regiokornbauer berichten
Wilfried Strobl, aus Toblach
Wilfried Strobl vom Föstlhof in Toblach zählt seit 2016 zu den Lieferanten von Bio-Getreide der Meraner Mühle: „Für das Projekt Regiokorn baue ich Roggen und Dinkel an, für den Eigengebrauch zudem Weizen und Hafer. Durch den schneereichen Winter ist die Ernte heuer etwa zwei Wochen später reif, als andere Jahre, deshalb sind wir gerade dabei zu ernten und hoffen wieder auf einen guten Ertrag“, erzählt der Bio-Bauer. In anderen Jahren belief sich der Ertrag des Föstlhofes ca. auf 5.000 Kilogramm Dinkel.“ Und dass der Dinkel von Wilfried Strobl auch eine gute Qualität aufweist, bestätigt die Auszeichnung, die er mit seiner Dinkelernte 2020 erhalten hat: An ihn ging die „Goldene Ähre 2020 Dinkel“, die im Rahmen des Projektes Regiokorn verliehen wird. Das Getreide muss demnach bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Dabei sei nicht nur der richtige Zeitpunkt der Ernte wichtig, sondern auch eine fachgerechte Aussaat entscheidend, berichtet der Bio-Bauer. „Ende September 2020 wurde ausgesät und weil relativ früh Schnee gefallen ist, ist die Ernte ungleich gut gereift. Entscheidend ist der richtige Zeitpunkt, um zu ernten“, schließt Wilfried Strobl.
Paul Gruber, aus Olang
Paul Gruber aus Olang ist seit den Anfängen des Projektes Regiokorn mit dabei und hat im Getreideanbau
dementsprechend viel Erfahrungen gesammelt. Als Bio-Bauer achtet er auf den biologischen Anbau mit Fruchtfolge. Dieses Jahr hat er auf eineinhalb Hektar Roggen ausgesät, wie er im Interview erzählt. Das Thema Getreide und Boden hat Paul Gruber schon immer interessiert: „Meiner Meinung nach muss das Boden-Mensch-Verhältnis wieder hergestellt werden. Der Boden wird heute nur noch als Produktionsmaschine gesehen, der möglichst viel Leistung bringen soll, ohne ihm mit der dafür notwendigen Dankbarkeit zu begegnen. Den Menschen ist das Bewusstsein für den Boden verloren gegangen und dieses gilt es wiederzufinden. Der Boden ist ein lebender Organismus mit dem wir als Menschen wieder in Kontakt treten sollen“, sagt der Bio-Bauer über das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen von Mensch und Natur. Mit der heurigen Ernte, die Mitte August eingebracht wurde, ist Paul Gruber zufrieden, trotz des regnerischen Wetters. „Interessant war, dass das Korn den Stürmen standgehalten und überlebt hat. Zudem ist es mir gelungen, den richtigen Zeitpunkt für die Ernte zu erkennen“, erzählt Paul Gruber.
Markus Wasserer, aus Kiens
Der Junglandwirt Markus Wasserer vom Kircherhof in Kiens ist mit seiner ersten Ernte im heurigen August „sehr zufrieden“. „Wir hatten sehr viel Glück, das andere in diesem Sommer nicht hatten. Es war sehr regnerisch und der Zeitpunkt, an dem geerntet werden kann, muss gut gewählt werden, damit die Qualität des Getreides stimmt“, erzählt Markus Wasserer, der letzte Woche an die 3.500 Kilogramm Winterroggen für das Projekt Regiokorn an die Meraner Mühle liefern konnte. Der Jungbauer hat erst vor kurzem den Betrieb seiner Eltern auf Bio umgestellt und möchte diesen Weg auch zukünftig gehen und seinen Bio-Betrieb noch weiter ausbauen, wie er im Interview schildert. „Um mit dem Getreideanbau zu beginnen war der Anbau auf einem Hektar ideal, in Zukunft möchte ich jedoch auch andere Getreidesorten anbauen, je nachdem, wie sich die Nachfrage gestaltet. Schon mein Großonkel hat auf diesem Feld früher Roggen und Schwarzpolenta angebaut, nicht umsonst gelten Terenten und Hofern seit jeher als Kornkammer des Pustertals.“ Wichtig sei für Markus Wasserer dabei den Anbau streng nach biologischen Richtlinien voranzutreiben. (TL)
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