Niederdorf/Thailand – Die 24-jährige Lena Nocker aus Niederdorf lebt fern der Heimat ihren Traum, sie ist professionelle Muay Thai Kämpferin in Thailand. Bei einem Stadionbesuch im Urlaub entdeckte sie ihre große Leidenschaft, seit nunmehr drei Jahren lebt, trainiert und kämpft sie in Thailand. Im Gespräch mit dem gewährt sie Einblicke in ihr Leben als Muay Thai Kämpferin.
Puschtra: Lena, wie bist du überhaupt erst in Berührung mit deiner hierzulande unüblichen Sportart geraten?
Lena Nocker: Nach der Oberschule bin ich gemeinsam mit meiner Zwillingsschwester Vicky nach Thailand in den Urlaub gefahren, um dort die weißen Strände zu genießen. Spontan haben wir uns einen Muay Thai Kampf angeschaut, was drüben eine Art Touristenattraktion ist. Nach dem Kampf war ich dermaßen von dem Sport fasziniert, dass ich sagte: „Das muss ich unbedingt ausprobieren!“. Daraus wurde allerdings nichts, da ich im Urlaub eine Verletzung hatte.
Zurück in der Heimat war der Funken bereits entfacht, hast du also in Südtirol mit Muay Thai angefangen?
Zu Hause angekommen wollte ich eigentlich sofort wieder zurück. Zusammen mit einer Freundin habe ich mich für ein einmonatiges Camp in einer Gym angemeldet, ein Ort wo Leute aus aller Herren Länder zusammenkommen, um Muay Thai zu praktizieren. Aus einem Monat wurden Drei und ich wusste, dass ich das Richtige für mich gefunden hatte. Als ich wieder in Südtirol war, habe ich zehn Monate gearbeitet, um mir das kommende Jahr in Thailand zu finanzieren, war jeden Tag laufen und habe mir einen Boxsack zugelegt, damit ich in Form bleibe.
2018 hast du schließlich die Entscheidung getroffen in Thailand ein neues Leben zu beginnen, wie wurde dieser Entschluss von deinem Umfeld wahrgenommen?
Anfangs war vor allem meine Mutter von der Idee, dass ihre Tochter nach Asien geht um sich „den Kopf“ einschlagen zu lassen natürlich nicht begeistert. Nach und nach hat sie aber verstanden, dass Muay Thai die Sache ist, die mich glücklich und stark macht. Nur meine Kämpfe getraut sie sich nicht immer anzuschauen, ansonsten erhalte ich von meinem Umfeld viel Unterstützung.
Erzähl von deinen Anfängen im fernen Osten, wie bist du von den Thailändern als Ausländerin aufgenommen worden?
Die Thai sind extrem herzliche Menschen, die Athletinnen und Trainer im Camp sind wie eine zweite Familie für mich. Hier bin ich Menschen aus der ganzen Welt begegnet und habe verschiedene Kulturen kennen lernen dürfen. Die Amerikaner sind so, die Australier ticken so und die Moslems so, eigentlich wir uns alle so ähnlich und doch so verschieden. Seit einiger Zeit lebe und trainiere ich im Tiger Muay Thai auf der Insel Phuket, einem der wichtigsten Camps in Thailand, hier habe ich mich so gut eingelebt, dass ich nun zwei „Zuhause“ habe. Thailändisch spreche ich auch etwas, aber normal komme ich mit Englisch überall voran.
Kannst du uns erklären was genau Muay Thai bedeutet und warum die Kampfsportart dich so sehr fasziniert?
Muay Thai ist, die wohl anspruchsvollste Kampfsportart im Stand die es überhaupt gibt. Sie wird als Kampfkunst der „8 limbs“, also Kampf mit den ganzen Gliedmaßen, bezeichnet. Alle Schlagtechniken mit Fäusten, Ellenbogen, Knie und Schienbeinen erlaubt sind. In Thailand ist Muay Thai ein fester Bestandteil der Kultur und der Geschichte. Auch in der Religion spielt es eine wichtige Rolle, die Thai-Kämpfer führen etwa vor dem Kampf einen religiösen Tanz auf. Der Sport ist hier eine eigene Lebensweise, alles dreht sich nur darum. Ich finde Muay Thai einfach wunderschöne, für mich bedeutet es nicht nur die Gegnerin zu verprügeln, es ist eine Sportart wie jede andere, wo es auf Fitness und Technik ankommt.
Welche Attribute zeichnen eine erfolgreiche Muay Thai Athletin aus und wo liegen deine Stärken?
Zentral geht es besonders um drei Fähigkeiten: Ersten musst du im Ring viel einstecken können, immer an dich glauben und niemals aufgeben. Meine Trainer sagen zu mir, ich hätte ein großes Herz, bin eine echte Kämpferin. Ich denke, dass ist es was mich auszeichnet. Zweitens sind Kondition und Energie entscheidend, eine gute Kämpferin ist stark, schnell und ausdauernd. Auf diese Attribute legen wir im Training viel Wert, denn so ein Kampf zehrt sehr an den Kraftreserven. Und drittens hilft dir alles vorher Genannte ohne die richtigen Angriffs- und Verteidigungstechniken nichts.
Durch hartes Training hast du dich Schritt für Schritt nach oben gearbeitet und bist heute professionelle Muay-Thai-Athletin, wie sieht ein typischer Tagesablauf bei dir aus?
Um 6:30 Uhr aufstehen, dann eine Laufeinheit von fünf bis zehn Kilometer. Von 7 Uhr bis 10 Uhr Muay Thai Training im Camp, mit Seilspringen, Kräftigungsübungen, Techniktraining, sowie Kämpfen im Ring. Mittagessen, nachher lege ich meisten einen Mittagsschlaf ein. Von 15 Uhr bis 17 Uhr wieder Training und am Abend oft noch einen weiteren fünf Kilometer Lauf. Später Essen, Schlafen und am Tag darauf wieder dasselbe machen.
Welches Gefühl empfindest du vor einem Kampf, wenn du vor hunderten von Menschen in den Ring steigst?
Um ehrlich zu sein: Angst. Nicht nur etwas Lampenfieber, ich fühle mich echt unwohl und frage mich, wieso ich mir das überhaupt antue. Eigentlich bin ich vom Charakter eher schüchtern und mag es nicht im Mittelpunkt zu stehen. Dennoch kann ich unmittelbar vor einem Kampf klar denken, ich weiß was ich will und um was es geht. Sobald ich in den Ring steige, bin ich extrem fokussiert, da nehme ich das Publikum gar nicht wahr. Nach den ersten Schlägen komme ich in den Flow und die Angst ist weg, ich fühle mich stark und gut, es ist echt das beste Gefühl was ich kenne, macht einfach süchtig. Durchs Adrenalin im Körper verspüre ich keinen Schmerz, erst wenn ich am nächsten Morgen aufstehe, kann es schon vorkommen, dass alles dermaßen weh tut, dass ich nicht mehr richtig gehen kann.
Hat es dich beim Kampf einmal richtig erwischt?
Bisher bin ich mit dem blauen Auge davongekommen! Nein, richtig schlimme Verletzungen hatte ich zum Glück noch keine, musste noch nie genäht werden oder habe mir etwas gebrochen und hatte auch keine Gehirnerschütterung, was sonst häufig der Fall ist. Einmal hat die Schulter etwas Gröberes abbekommen, ansonsten passieren schnell mal kleinere Verletzungen im Training.
Nun kommst du zu Weihnachten das erste Mal seit zwei Jahren nach Südtirol zurück, freust du dich bereits, bzw. sehnt es dich manchmal in deine alte Heimat zurück?
Normalerweise bin ich einmal im Jahr zu Weihnachten nach Hause geflogen, im letzten Jahr war das wegen Corona nicht möglich, da hatte ich schon ein kleines bisschen Heimweh. Auf Weihnachten zu Hause freue ich mich heuer also besonders, die Familie und Freunde zu sehen, das gute Essen und einfach das gute Gefühl daheim zu sein ist wie Urlaub für mich. Während der Pandemie hatte ich aber Glück hier zu sein, ich habe mir hier ein gutes Leben aufgebaut und die zwei Jahre sind im nu verflogen.
Wie hast du die Pandemie in Thailand bisher erlebt?
Anfang habe ich etwas Angst gehabt, wie sich die Lage hier entwickeln wird. Da Thailand seine Grenzen komplett dicht gemacht hat, war einmal die Rede, dass das Militär gegen die Ausländer im Land vorgeht, in gewissen Kreisen gibt es einen Touristenhass. Bis zum Schluss gab es hier aber nur zwei Monate einen Lockdown, wo wir uns aber im ganzen Bezirk frei bewegen konnten. Ein Jahr lang war dann von Corona wenig zu spüren und die Situation sehr entspannt. Seit April und Delta ist es wieder schlimmer. Ab ersten November soll die Ein- und Ausreise erleichtert werden. Ich habe mich hier impfen lassen, nur wird meine Impfung von der EU nicht anerkannt, was natürlich ein Problem ist.
Welche Ziele und Träume hat Lena Nocker in ihrer Karriere noch?
Der anfängliche Traum war, seit ich hergekommen bin, in Bangkok in der größten Arena des Landes zu stehen. Dieses Ziel habe ich mir heuer bereits erfüllt, darauf bin ich stolz! Langfristig gesehen, will ich mich in den besten Ligen, dem „Superchamp“ und dem „Hardcore“, etablieren und irgendwann Champion werden. Auch meine Social Media Reichweite muss ich weiter ausbauen, um Sponsoren zu finden. In Thailand hinkt die Gelichberechtigung der Geschlechter noch hinterher, erst seit diesem Jahr dürfen wir Frauen erst in den größten Arenen kämpfen, müssen zum Beispiel unter den Seilen in den Ring steigen, wo die Männer über die Seile steigen. Es bessert sich allerdings, viele Thai sehen uns Frauen gerne zu, die Zuschauerzahlen sind ansteigend, das stimmt mich positiv.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch! (MT)
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