Im Leben eines Menschen ist die Berufswahl wohl eines der wichtigen Themen. Der Beruf soll einerseits individuelle Erfüllung und auch das finanzielle Auskommen sichern. Zwei essentielle Aspekte, die ein Handwerksberuf bieten kann. Wie sieht es mit dem Nachwuchs im Handwerk in den Pustertaler Betrieben aus? Dieser Frage ist der Puschtra nachgegangen.
Wer sich heute bei der Berufswahl für ein Handwerk entscheidet, hat die Qual der Wahl. Über 450 Handwerksberufe stehen zurzeit auf der von der Handelskammer Bozen geführten Liste der handwerklichen Tätigkeiten, 72 davon verfügen über ein Berufsbild. Trotz dieser großen Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten schlägt die Mehrheit der Schulabgänger eine andere Richtung ein. Seit über zehn Jahren habe sich die Situation mit dem Nachwuchs im Handwerk nicht wirklich verändert, gebietsunabhängig und in allen Branchen würden Lehrlinge gesucht, aber nicht immer genügend gefunden, wie der lvh-Bezirksobmann Unterpustertal/Gadertal, Josef Schwärzer in Gesprächen mit Betriebsinhabern immer wieder feststellt. Diese Situation führt dazu, dass es für die heimischen Unternehmen zu wenig Fachkräfte gibt, dabei hat das Handwerk laut Josef Schwärzer einiges zu bieten. „Nach einer bestandenen Gesellenprüfung gibt es in einem Handwerksberuf zahlreiche Möglichkeiten sich noch weiterzubilden.“ Nicht zu unterschätzen sei auch, dass Jugendliche, die nach der Mittelschule in eine Lehre einsteigen bereits ihr eigenes Geld verdienen und demnach auch früher in Rente gehen können. Diesen Tatsachen werde viel zu wenig Beachtung geschenkt, ist der Bezirksobmann überzeugt. Dazu komme die Erfüllung, die ein Handwerksberuf in sich trägt: „Mit den eigenen Händen etwas zu schaffen ist eine große Genugtuung“, meint Josef Schwärzer, selbst Schlossermeister mit eigenem Betrieb. Der lvh habe für den Lehrlingsnachwuchs einige Initiativen gestartet, sagt Josef Schwärzer, der es für sinnvoll erachtet, wenn auch in Richtung Elternhaus noch mehr an Aufklärungsarbeit geleistet würde. Auch in der Frühförderung sieht er gute Chancen, die Freude für praktische Berufe zu stärken. „So könnten die Kinder im Kindergarten bereits mit einfachen Mitteln basteln, werkeln und ihre Kreativität entdecken, je, früher, desto besser.“ Der Bezirksobmann hofft, dass nach der Pandemie an der Umsetzung dieser Ideen weitergearbeitet werden kann.
Puschtra: Wie sieht es mit dem Lehrlingsnachwuchs in den Pustertaler Handwerksbetrieben aus?
Dieter Happacher: Wenn man alleine die Zahlen an Lehrlingen betrachtet, sind diese im Vergleich zu den Vorjahren stabil, aber ich denke, dass hier die Tatsache, dass immer mehr Betriebe vorhanden sind eine entscheidende Rolle spielt. Meiner Meinung nach ist es um den Nachwuchs im Handwerk nicht sehr gut bestellt. Zum Einen stehen die Handwerksbetriebe im Wettstreit mit anderen Betätigungsfeldern und verzeichnen auch viele Abhänge, entweder bereits nach einigen Monaten Lehrzeit oder auch nach Abschluss einer Lehre. Es ist heute nicht leicht neue Lehrlinge zu finden.
Was glauben Sie, warum bei der Berufswahl oft noch eine Oberschule einer Lehre vorgezogen wird?
Ich denke, dass der Trend, zuerst eine Oberschule zu besuchen, anstatt eine Lehre ins Auge zu fassen immer noch aktuell ist. Die Gründe hierfür sind schwierig zu erörtern, die Eltern haben hier natürlich sehr viel Einfluss. Eine Rückkehr ins Handwerk nach einer abgeschlossenen Reifeprüfung ist auch nahezu ausgeschlossen. Vielleicht gibt es einen Umkehrtrend, wenn es keinen Handwerker mehr gibt, der benötigte Dienstleistungen ausführt. So eine Entwicklung zeichnet sich in anderen Ländern bereits ab so zum Beispiel in Deutschland, wo es kaum noch Handwerker gibt.
Werden die Jugendlichen Ihrer Meinung nach ausreichend über die verschiedenen Möglichkeiten einer Lehre im Handwerk informiert?
Ja, ich finde schon. Wir versuchen für die Jugendlichen unterschiedliche Informationsveranstaltungen und Aktionen auf die Beine zu stellen, wo sie einen Einblick in die unterschiedlichen Branchen bekommen.
Welche Anforderungen stellt eine Lehrlingsausbildung an den auszubildenden Betrieb?
Nachdem ich auch über Jahre in meinem Betrieb mehrere Lehrlinge ausgebildet habe, kann ich sagen, dass man hier schon viel investiert, aber auch viel zurückbekommt. Es ist schön, die Lernerfolge zu beobachten, die jemand nach mehreren Jahren Ausbildung gemacht hat und dementsprechend auch enttäuschend, wenn dieser Lehrling nach abgeschlossener Lehre dann den Betrieb verlässt, unabhängig welchen Grund er dafür hat. Grundsätzlich muss heute ein Betrieb in dieser Sache sehr flexibel sein, da die Zeiten vorbei sind, in denen jemand sein ganzes Leben lang in einem Betrieb tätig ist. Im Großen und Ganzen stellt eine Lehrlingsausbildung heute für ein Unternehmen auch eine gewisse Herausforderung dar.
Welche Branche hat mit dem Lehrlingsnachwuchs vor allem zu kämpfen?
Hier könnte ich keine spezielle Branche nennen. Das Stimmungsbild, dass sich die Betriebe schwertun Lehrlinge zu finden, ist aktuell generell so.
Welche Nachwuchsinitiativen gibt es für Lehrlinge?
Von der Handelskammer Bozen und dem Land Südtirol wurde die Errichtung eines Talentcenters beschlossen. Dieses Talentcenter ist für Schüler und Schülerinnen ab der Mittelschule gedacht und soll Potenziale und Fähigkeiten junger Menschen aufzeigen, um sie dadurch bei der Berufswahl zu unterstützen. Zudem wollen wir uns in den Bezirken über ein neues Projekt verstärkt um den Nachwuchs kümmern. Leider musste dieses Pilotprojekt aufgrund der Pandemie bereits zweimal verschoben werden, soll aber dafür dann im nächsten Frühjahr starten. Das Projekt beinhaltet, dass Schüler und Schülerinnen der 3., 4. und 5. Klasse Grundschule zwischen 12 bis 15 verschiedenen Handwerksberufen wählen und gemeinsam mit Fachleuten selbst Hand anlegen können, ausprobieren und werkeln und sich so einem Handwerksberuf praktisch nähern. Was für die Nachwuchsförderung auch sehr wichtig ist, dass wir versuchen die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und den Handwerksbetrieben zu stärken. Damit die Berufsschullehrer wissen, was für die Ausbildung relevant ist bzw. was einen möglichen zukünftigen Mitarbeiter heute in einem Handwerksbetrieb erwartet.
Wie sind Sie zum Handwerk gekommen?
Mein Vater war auch Kunstschmied und deshalb habe ich mich schon von klein auf für diesen Beruf interessiert und ging bei meinem Vater in die Lehre. Nach der Ausbildung habe ich dann den elterlichen Betrieb übernommen.
Was hat sich seit Ihrer Ausbildung im Vergleich zu heute für einen Lehrling verändert?
An der Ausbildung an sich hat sich eigentlich nicht so viel verändert. Was heute natürlich dazugekommen ist, sind die vielen Maschinen, die die Arbeit im Handwerk erleichtern, so etwa das Zeichnen mit Computer oder das Schneiden mit Laser, das es früher nicht gab. Nach wie vor wird in den Handwerksberufen aber noch viel mit der Hand gearbeitet. Ansonsten sind die Handwerksberufe heute noch interessanter und aufwändiger geworden.
Was gefällt Ihnen am Handwerk?
Auch wenn ich meinen Beruf des Kunstschmiedes schon lange ausübe bin ich immer noch fasziniert von diesem Handwerk. Im Handwerk werden keine Serien hergestellt und somit ist jedes gefertigte Produkt ein Einzelstück. Schon allein diese stetig neue Auseinandersetzung mit Materialien oder Techniken macht einen Handwerksberuf interessant.
Tischlerei Schönegger Innichen
Die Tischlerei Schönegger in Innichen gehört zu den Betrieben im Pustertal, wo seit Jahren Lehrlinge ausgebildet werden und wo zurzeit auch Lehrlinge eingestellt würde, wenn sich Bewerber oder Bewerberinnen melden würden, erklären die beiden Betriebsinhaber Elmar und Roland Schönegger. Man habe alles versucht, Lehrlinge aufzunehmen, aber es bestünde einfach kein Interesse, heißt es aus der Tischlerei. Deshalb sei aktuell im Unternehmen mit acht Mitarbeitern nur ein Lehrling zur Ausbildung im Betrieb. Warum die Lehrlingssuche so schwierig sei und von Seiten der jungen Menschen so wenig Interesse an einem praktischen Beruf bestünde könne man sich eigentlich auch nicht erklären. Zudem habe man in der Tischlerei die Erfahrung gemacht, dass Ausgelernte nach der Lehre den Beruf wechseln oder eben selbst einen Betrieb übernehmen und damit aus dem Betrieb ausscheiden. Dabei seien die Chancen im Handwerk sich weiterzubilden, nach der Gesellenprüfung etwa auch noch die Meisterprüfung zu absolvieren, jederzeit möglich, bestätigen die Betriebsinhaber.
Malerbetrieb Dantone St. Lorenzen
Die Lehrlingsausbildung hat im Malerbetrieb Dantone Rudolf & Co eine lange Tradition. Seit der Gründung des Handwerksbetriebes 1976 haben an die 20 Lehrlinge dort ihre Lehre abgeschlossen und einer dieser Mitarbeiter ist seit über 40 Jahren immer noch im Betrieb tätig, wie die Juniorchefin Dagmar Dantone berichtet. Zurzeit habe man 15 Mitarbeiter, davon zwei Lehrlinge in der Ausbildung, darunter ein Mädchen. Gerade das Berufsbild des Malers habe sich in den letzten Jahren durch eine große Auswahl an Farben und Spachteltechniken als interessanter Beruf für Frauen entwickelt, wo ein feines Gespür für Innenraumgestaltung und Geschicklichkeit in der Ausführung der Arbeiten eine große Rolle spielen, weiß Dagmar Dantone. Nach Auszubildenden suchen musste der Betrieb laut der Juniorchefin bis jetzt nicht, dennoch wird auch aus diesem Familienbetrieb bestätigt, dass die Auswahl an Lehrlingen heutzutage nicht allzu groß ist. Das Handwerk hat laut Dagmar Dantone an Ansehen in der Gesellschaft aufgeholt, nicht zuletzt durch die Förderung und Anerkennung des Lehrberufes.
Mader GmbH Standort Bruneck
Bei der Firma Mader GmbH würden im Bereich Elektrotechnik in Bruneck momentan neun Lehrlinge arbeiten, wie Brigitte Kaneider von der Personalleitung Elektro mitteilt. Mit den acht Burschen und einem Mädchen sei man sehr zufrieden und im Herbst werde ein weiterer Lehrling seine Ausbildung im Betrieb beginnen. „Alle Auszubildenden sind sehr gewillt die Lehre zu absolvieren und auch in Zukunft in diesem Beruf zu arbeiten“, sagt die Personalleiterin Elektro. Demzufolge habe man zurzeit keine größeren Probleme Lehrlinge zu finden, allerdings komme es auch auf die Branche an. Die gesamte Mader Gruppe beschäftigt zurzeit 23 Lehrlinge. Die Suche nach den Auszubildenden erfolge über soziale Medien, nicht selten würden sich die jungen Menschen auch selbst bewerben, informiert Brigitte Kaneider abschließend. (TL)
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