Alta Badia – Die diesjährige Austragung der größten Sportveranstaltung des Pustertals war den Blumen des UNESCO Weltnaturerbe Dolomiten gewidmet und fand wie immer am ersten Sonntag im Juli statt. Premierensieg bei den Männern durch Stefano Stagni in Rekordzeit, Marta Maltha wiederholt ihren Erfolg über die Königsstrecke vom vergangenen Jahr.
Die Sonne lächelte den gesamten Tag über auf die fast siebentausend Teilnehmer – 6.871, um genau zu sein (6.180 Männer und 691 Frauen), der Maratona dles Dolomites – Enel. Für die erste Austragung nach den beiden pandemie-bedingten Absagen der Jahre 2021 und 2020, schränkten die Organisation das Teilnehmerfeld etwas ein. Dennoch gingen wie üblich mehr als das Dreifache an Anfragen für eine Startnummer ein: 27.300. Die Hälfte davon aus Italien, die Hälfte kam aus dem Ausland. Darunter vertreten waren auch einige prominente Namen des Radsports, wie Ex-Tour-de-France Sieger Miguel Indurain oder Ex-Straßenweltmeister Paolo Bettini. Möglich machten die Großveranstaltung wie jedes Jahr ein enormer Zusammenhalt im Gadertal, eine perfekt eingestimmte Organisation und vor allem die 1.500 freiwilligen Helfer. Der Radmarathon 2022 stand unter dem Zeichen der Blumenvielfalt auf den Wiesen der Sellaronda. Für die 35. Ausgabe blieb ansonsten alles beim Altbewehrten: Drei Streckenoptionen über vier bis sieben Dolomitenpässe, die untrennbar mit der Geschichte des Radsports verbunden sind. Der Start in La Villa erfolgte pünktlich um 6.30 Uhr und wurde von Präsident Michil Costa auf seinem Oldtimer-Fahrrad, einem Penny Farthing, eröffnet. Von dort weg wand sich das riesige Teilnehmerfeld talaufwärts in Richtung Campolongo-Pass, der ersten Herausforderung des Tages.
Die natürlich für den Verkehr gesperrten Straßen, ermöglichten es für die Spitzenfahrer ihr Rennen, um den Sieg auszutragen und den Hobbyfahrern die Dolomitenpässe: Campolongo, Pordoi, Sella, Grödnerjoch, Giau, Falzarego und Valparola zu genießen. Neben der langen Strecke mit 138 Kilometern und 4.230 Metern Höhenunterschied, gab es die mittlere Strecke mit 106 Kilometern und 3.130 Metern Höhenunterschied, sowie die originale Sellaronda mit 55 Kilometern und 1.780 Metern Höhenunterschied zur Auswahl. Auch in diesem Jahr wurde das Rennen vom Start bis zur Ankunft der ersten Klassifizierten der langen Strecke live vom Nationalsender RAI 2 übertragen. Von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags wurden nicht nur die Leistungen der Teilnehmer auf den Dolomitenstraßen gefilmt und dokumentiert, sondern auch die spektakulären Landschaften, die den Rahmen für das Rennen bilden, gezeigt. Nachdem sich unter einem hohen Tempo gleich zu Beginn ein größeres Spitzenfeld bildete, waren es der zigfache italienische Marathonsieger Tommaso Elettrico und der Portugiese Goncalo Freitas, die angriffen und die Fluchtgruppe des Tages an der Spitze des Rennens bildeten. Trotz der zunehmenden Hitze war das Tempo hoch gehalten. Bis zum Passo Giau schien ihr Vorhaben zu gelingen und es ein Zwei-Mann-Rennen, um den Sieg zu sein. Am härtesten Anstieg des Tages, dem Giau (9,9 Kilometer und 9,3 Prozent Durchschnittsteigung) wurde das Führungsduo vom Italiener Stefano Stagni eingeholt. Es entwickelte sich ein spannender Kampf um den prestigeträchtigen Tagessieg. Am Falzarego-Pass gelang Stagni die entscheidende Attacke, er fuhr sich schnell einen kleinen Vorsprung auf die zwei Verfolger heraus, den er bis ins Ziel in Corvara halten konnte: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute gewinnen kann, auch wenn heute Morgen ein gutes Gefühl hatte. Als ich hörte, dass Elettrico und Freitas etwas mehr als eine Minute vor mir waren, versuchte ich das Tempo zu erhöhen und den Anschluss herzustellen. Auf der Abfahrt vom Giau begann ich an die Möglichkeit eines Sieges zu glauben. Am Falzarego Pass habe ich den Unterschied gemacht und jetzt stehe ich hier im Ziel, mit Krämpfen am ganzen Körper, aber unheimlich zufrieden“. Das endgültige Podium der Männer auf der langen Strecke lautete somit Stefano Stagni auf dem ersten Platz, der den Marathon in 4:27.33 Stunden beenden konnte, gefolgt von Tommaso Elettrico (4:29.08 Stunden) und dem Portugiesen Goncalo Freitas (4:29.58 Stunden). Vierter wurde der Ex-Biathlet und seit einigen Jahren Trainer der Biathlon Juniorennationalmannschaft Pietro Dutto, der sich nach Beendigung seiner aktiven Wintersport-Laufbahn ganz auf den Radsport konzentrierte und seither zu den besten Amateuren im italienischen Radsport zählt. Bei den Frauen gelang der Niederländerin Marta Maltha eine großartige Performance. Sie wiederholte ihren Vorjahressieg, nachdem sie dreimal Zweite geworden war: „Ich kann es nicht glauben, ich bin so glücklich. Wieder auf diesen Straßen zu gewinnen, ist für mich wunderbar. Mit einer solchen Zeit hatte ich nicht gerechnet, ich war mit Annalisa Prato und Martina Trevisol auf dem Campolongo, auf dem Pordoi, dann auf dem Sella habe ich mich abgesetzt und konnte den Vorsprung allein bis ins Ziel halten. Herrlich“. Die Siegerzeit von Marta Maltha auf der langen Strecke war 5:12.27 Stunden, gefolgt von Martina Trevisol in 5:20.16 Stunden und Annalisa Prato in 5:22.40 Stunden. Auf der mittleren Strecke über 106 Kilometer standen bei den Männern Rossano Mauti, Marco Pastacaldi und der Lokalmatador Franz Wieser auf den Plätzen Eins, Zwei und Drei. Der fürs Rodes Val Badia Raiffeisen Team startende Wieser untermauerte mit dem Podestplatz einmal mehr seine gute Form. Ein anderer Lokalmatador mischte auch weit vorne mit: Manfred Mölgg geht nach dem Ende seiner Skifahrerkarriere weiterhin seiner Leidenschaft, dem Radfahren nach und stellte seine Fitness mit einem starken 24. Platz unter Beweis. Bei den Damen gewann Lisa De Cesare vor Olga Cappiello und Valeria Curnis. Die kurze Sellaronda holte sich Davide Ferrari, vor Federico Aicardi und den Sarner Langläufer Michael Hellweger, der für das Team der Südtiroler Sporthilfe antrat. Milena Felici triumphierte bei den Frauen vor Laila Orenos und Elena Valentini. Zum wiederholten Male bei der Maratona mit dabei war auch Dorothea Wierer, die auf der Sellaronda-Strecke immerhin 20. wurde.
Im Bewusstsein, dass ein neues Gleichgewicht zwischen Natur und Mensch notwendiger denn je ist, ist der Marathon eine Veranstaltung, die sich seit Jahren dafür einsetzt, Sport und Umweltschutz zu verbinden. Und zwar durch konkrete Initiativen, wie die erhaltene Zertifizierung „Green Event“ zeigt. Eines der Ziele in diesem Jahr ist die drastische Reduzierung der Verwendung von Plastik in der abschließenden Erfrischungszone. Dank einer großen Investition wurden 16.000 Glaskeramikteller und wiederverwendbares Geschirr angeschafft, wodurch der Plastikverbrauch um 70 Prozent gesenkt werden konnte. Die offiziellen Mechaniker im Rennen waren auf E-Bikes unterwegs, für die Rennleitung wurden vom Partner Audi eine beachtliche Anzahl an Full Electric-Autos zur Verfügung gestellt. Die Starterpakete wurden in wiederverwendbare Tasche aus 100 Prozent Baumwolle ausgegeben. Die 1.500 freiwilligen Helfer verteilten an den sechs Labstationen entlang der Strecke stolze 2.000 Kilogramm Äpfel, 1.500 Kilogramm Bananen, 420 Kilogramm Orangen, 9.500 gefüllte Brötchen, 180 Kilogramm Käse, 190 Kilogramm Schinken, 720 Kilogramm Kuchen, 3.900 Liter Coca-Cola, 9.000 Liter Mineralwasser, 1.150 Liter Eistee, 10.200 Liter Mineralstoffe, sowie 2.050 Kilogramm Tortellini und 8.100 Stück Koteletts und Bratwürste im Ziel. Alle Maratona-Finisher erhielten eine von den Handwerkern des Tals praktisch händisch hergestellte Medaille aus natürlichen Materialien. Für ihre Herstellung wurden 95.402 Quadratmeter gepresste Heumatte mit 8.000 Gänseblümchen und 2,30 Kubikmeter Zirbenholz in 10-Zentimeter-Brettern verarbeitet. Im Maratona-Village gab es die gesamte Woche über ein buntes Rahmenprogramm mit Modeschauen, Ausstellungsständen und Rad-Ausflügen zu bestaunen.
So endet die Maratona dles Dolomites in einer Explosion von Blumen und Farben, die die Dolomiten schmücken. Das Motto für die Austragung 2023 steht bereits fest: „Umanité“, Menschlichkeit. „Eine Aufforderung, Hoffnung und Vertrauen in uns Menschen zu haben, die noch viel lernen müssen, wenn es um den Schutz unseres Planeten geht. Wir sehen uns nächstes Jahr.“ So die abschließenden Worte des Präsidenten Michil Costa. (MT)
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