Teil III – Der Adel in der Stadt. Es ist schon gesagt worden, dass die Bürger der Städte versuchten, in den Adelsstand aufzusteigen.
Auch in Bruneck vermehrte sich im Laufe der Zeit die Anzahl der in der Stadt ansässigen Adeligen. Einmal wurden tatsächlich Brunecker Bürger in den Adelsstand erhoben, es wanderten aber auch Adelige vom Lande oder von anderen Städten her zu, was vor allem geschah, wenn bischöfliche Beamtenposten an Adelige vergeben wurden, die sich dann in der Stadt niederließen. Für das bürgerliche Streben um Aufnahme in den Adelsstand gab es unterschiedliche Motive, ausschlaggebend waren aber im Allgemeinen sicher die offenkundigen wirtschaftlichen Vorteile, die Adelige auch in der Stadt genossen. Sie zahlten im Gegensatz zu den Bürgern keine Haus- und keine Gewerbesteuer. Vor allem die Steuerfreiheit der im Besitz des Adels befindlichen Häuser erregte unter den Bürgern immer mehr Unwillen und Neid, weil der Adel immer öfter ehemals bürgerliche Häuser erwarb, für die der neue Besitzer dann keine Steuer mehr zahlte. Dieses Problem war in Brixen noch mehr verbreitet als in Bruneck. Im Jahre 1551 gab Bischof Christoph von Madruzzo (1542-1578) den Beschwerden der Bürger zumindest teilweise recht. Die Küchensteuer sei, ordnete er an, von jedem zu zahlen, der „mit Rauch und Feuer in der Stadt wohnet, … er seye adelich oder nicht“. Das beruhigte die Gemüter vorübergehend. Es ist aber kein Zufall, dass die bürgerliche Unzufriedenheit über die adelige Bevorzugung vor allem zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges besonders stark anschwoll. Damals führte eine gewaltige Wirtschaftskrise zur berüchtigten Inflation der Kipper- und Wipperzeit, welche die Brot- und Fleischpreise ins Unermessliche steigen ließ, sodass auch die Stadt Bruneck gezwungen war, Getreide und Fleisch außerhalb des Pustertales aufzukaufen und es zu ermäßigten Preisen an die minderen Leute in der Stadt abzutreten, weil eine Hungersnot drohte. In dieser Notzeit fiel es umso mehr auf, dass es da in der Stadt Leute gab, die Rechte genossen, ohne Pflichten zu akzeptieren. Als sich die Lage in Bruneck so weit zuspitzte, dass sie „in offene, durch Thätlichkeiten genährte Feindschaft auszuarten auf dem Punkte stand“ (so Anton Zangerl) und der Bischof Hieronymus Otto Agricola (1625-1627) damit befasst wurde, befahl dieser den Adeligen, sich mit den Bürgern zu vertragen, was sie dann auch taten, zu den gleichen Bedingungen übrigens wie vor dem Ausbruch des Streites.
Der Adel wohnte in den verschiedenen Ansitzen in Oberragen, wie Palais Sternbach (früher im Besitz der Freiherrn von Welsperg und dann der Freiherrn von Wolkenstein-Rodenegg), Vintler, Ragenhaus, Teissegg und Ansiedl, aber auch in einzelnen Häusern der Stadt, die ihnen gehört hatten, bevor sie geadelt wurden, oder die sie von Bürgern gekauft hatten. Allein die Söll sollen in der Stadt 23 Häuser besessen haben (Anton Zangerl, S. 73). Den gleichen Rechtsstatus wie die Häuser der Adeligen hatten auch das Schloss von Bruneck und jene Häuser, in denen die bischöflichen Beamten wohnten und ihres Amtes walteten. Sie unterstanden nicht der Gerichtsbarkeit des Stadtrichters, sondern jener des bischöflich-brixnerischen Hofgerichtes. Dasselbe galt auch für die Häuser der Geistlichkeit, wie den Pfarrwidum, die Benefiziantenhäuser in Oberragen und das Amtshaus des Klosters Neustift in der Unterstadt.
Während die Bürger und die Inwohner der Stadt jedem neuen Bischof huldigen mussten und dabei Treue und Gehorsam schworen, waren die Adeligen von dieser Pflicht befreit. Welch drastische Folgen es hatte, als einmal ein nicht adeliger Bürger sich dieser Huldigungspflicht entzog, sehen wir am Beispiel Paul Feichtners, des Bergwerksverwesers (und späteren Generalfaktors) der Freiherrrn von Wolkenstein-Rodenegg. Der Verweser war der höchste Beamte des gesamten Bergwerkshandels im Ahrntal. Er hatte seinen Amtssitz in Bruneck (Oberragen, Haus Nr. 12, ehemals Metzgerei Pircher), wohnte aber im Ansitz der Wolkensteiner, dem heutigen Palais Sternbach. Als er den Huldigungseid an Bischof Hieronymus Otto Agricola nicht leistete und sich damit rechtfertigte, dass noch niemand den Eid geleistet hätte, der im adeligen Ansitz der Wolkensteiner wohnte, versuchte es die bischöfliche Kurie zunächst im Guten. Als Feichtner aber auch dem folgenden Bischof Daniel Zen (1627-1628) nicht huldigte, wurde über ihn der Kirchenbann verhängt. Als der Druck auf den Freiherrn von Wolkenstein-Rodenegg immer größer wurde, sich von Feichtner zu trennen, gab dieser nach. In der Sedisvakanz nach dem kurzen Pontifikat von Bischof Daniel Zen fuhr Paul Feichtner nach Brixen, legte vor dem Domkapitel die Huldigung ab und bat um Erledigung vom Kirchenbanne, was das Domkapitel in Rom zu erwirken versprach. Die Kirche hatte einem Bürger die Grenzen gezeigt. Was man beim Adel hinnahm, nämlich die Nicht-Huldigung, führte beim Bürger an den Rand der Existenzvernichtung. Dass es darum ging, an Feichtner ein Exempel zu statuieren, wird in der Korrespondenz zu diesem Fall ganz offen zugegeben. (RT)
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