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Handel in Bruneck

Teil V – Der Handel bot in einer mittelalterlichen Stadt die größten Chancen, wohlhabend und reich zu werden. Es dürfte so gewesen sein, dass die in einer Stadt ansässigen Händler zunächst jene Waren kauften und verkauften, die in der Stadt benötigt wurden.

Je mehr eine Stadt zum Mittelpunkt eines größeren ländlichen Bereiches wurde, umso ertragreicher wurde der Handel, weil Angebot und Nachfrage mit der Größe des städtischen Umfeldes zunahmen. Es gab Kaufleute in Bruneck, die sich mit der Deckung der lokalen Bedürfnisse zufrieden gaben. Sie betrieben ihren Laden in der Stadt, kauften bei einheimischen oder fremden Händlern ein und verkauften diese Waren mit einer Profitspanne, die von den Behörden und vom Rat der Stadt korrigiert werden konnte. Auch bei den Kaufleuten wird eine Tendenz sichtbar, die für die mittelalterlichen Städte typisch war. Man versuchte, „alle leben zu lassen“, keiner sollte zu viel Profit abschöpfen, jeder sollte mehr oder weniger das Notwendige zum Leben haben.
Trotzdem schafften es in den meisten Städten vor allem die im Handel tätigen Familien, sich wirtschaftlich und damit auch gesellschaftlich über andere zu erheben. Aus Bruneck seien dazu zwei Beispiele genannt. Da war einmal Heinrich Stuck, der 1358 durch seine Schenkung mehrere Höfe an die Kirche Unser Frau in Ragen (heutige Pfarrkirche) die Voraussetzung für die Gründung des Spitals schuf, und dann Stefan Wenzl, der im 17. Jahrhundert, vom Handel kommend, so etwas wie eine Industriellenkarriere machte. Die Familie Stuck war schwäbischen Ursprungs und übersiedelte gleich nach der Stadtgründung nach Bruneck, wahrscheinlich „hergelockt“ vom Stadtgründer Bruno von Kirchberg. Sie dürfte ihr Geld nicht in Bruneck gemacht haben, vermehrte es hier aber durch ihre Tätigkeit im Kaufmannsberuf. Dass die Stuck ihr Geld dann in Bauerngüter investierten, entsprach der mittelalterlichen Auffassung, dass letztlich nur der etwas gilt, der Grund und Boden besitzt, eine Auffassung, die sich auch nach Beginn des Industriezeitalters noch lange hielt. Wir wissen nicht, wer die Handelspartner der Stuck waren, wir gehen aber wohl nicht fehl in der Annahme, dass sie die Lage von Bruneck an der Strada d´Alemagna ausgenützt haben. Wahrscheinlich nützten sie auch die Kontakte, die sie ihrer Herkunft aus dem schwäbischen Raum verdankten.
Stefan Wenzl (1613-1681) war ein Sohn des Andreas Wenzl und der Brigitte Perkhoferin, einer Schwester von Ludwig (Brixner Bürger und Kaufmann) und Jesse (Brixner Weihebischof) Perkhofer. Er betrieb einen gut gehenden Getreide- und Pfennwerthandel (Pfennwerte sind Waren, die Pfennige, also Geld wert sind) und gehörte um 1650 zu den Lieferanten des Kupferbergwerkes von Prettau. Die dort arbeitenden zirka 400 Bergleute, Schmelzer, Holzarbeiter, Köhler usw. waren auf die Zulieferung von Lebensmitteln angewiesen, weil die landwirtschaftliche Produktion des Tauferer Ahrntales nicht ausreichte, um sie zu ernähren. Als dann Stefan Wenzls Onkel Ludwig Perkhofer das Kupferbergwerk, das damals eine Krise durchmachte, übernahm und in Konkurs ging, kaufte Stefan Wenzl das Werk, sanierte es und führte es zu neuer Blüte. Im Jahre 1676 trat er alle Bergbauanteile an den Schwazer Bergbauunternehmer Georg Tannauer (später Grafen Tannenberg) und seine Verwandten Bartlmä und Anton Wenzl (später Freiherrn von Sternbach) ab. Stefan Wenzl war aber nicht nur Bergbauunternehmer, er stieg auch in den Metallhandel ein, und wahrscheinlich war das die entscheidende Wende für das Prettauer Kupferbergwerk, weil der Weiterverkauf des Kupfers gewinnträchtiger war als dessen Produktion. Als solcher hatte er bereits geschäftliche Verbindungen mit der Messinghütte Möllbrücke im Kärntner Drautal, einem Betrieb, den seine Verwandten, die Freiherrn von Sternbach, Ende des 17. Jahrhunderts dann aufkauften.

Der normale Brunecker Kaufmann lief an sich nicht Gefahr, innerhalb kurzer Zeit reich zu werden. Dafür sorgte schon der Steuerdruck, der vor allem in Kriegszeiten enorm war. So waren etwa während des Dreißigjährigen Krieges jährliche Steuerverdoppelungen an der Tagesordnung, meistens verursacht durch militärische Ausgaben. Es sieht so aus, als habe Bruneck auch in den damaligen schwierigen Zeiten als einer der wenigen Tiroler Orte die Steuern immer pünktlich bezahlt. Der Grund dafür lag weniger in der angeborenen Steuermoral der Brunecker als vielmehr im Druck, den die bischöflichen Beamten diesbezüglich ausübten, da die Gefahr bestand, dass von Untertanen des Bischofs von Brixen nicht bezahlte Steuern letztendlich an diesem hängen blieben.

Um in Bruneck als Kaufmann arbeiten zu können, war der Besitz des Bürgerrechtes Voraussetzung. Dasselbe galt auch für die Gastwirte und Inhaber von Weinschenken. Für Inwohner waren die genannten Berufe gesperrt, sie durften dort nicht arbeiten. Das Handwerk hingegen, in dem auch Bürger arbeiteten, war den Inwohnern offen. Die Vorschriften für das Führen eines Geschäftes oder einer Gastwirtschaft gingen stark ins Detail. Sie betrafen einmal das Aichen und die Überwachung der Maße und Gewichte. Dann waren die Ladenöffnungszeiten genau vorgeschrieben, außerdem war festgelegt, wer ein Gasthausschild führen durfte und wer nur einen grünen Buschen (davon stammt der Ausdruck Buschenschank) und über wieviele Betten ein Beherbergungsbetrieb mindestens verfügen musste („vier Pethen zu Beherbergung und Legung von acht Persohnen“). Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, vor allem mit Korn und Fleisch, wurde nicht etwa nur dem freien Markt überlassen, sondern von den bischöflichen Beamten und vom Bürgermeister und dem Rat der Stadt überwacht, indem sie meist zwei Kornmeister bestellten, die dafür zu sorgen hatten, dass erstens genügend Getreide in die Stadt kam und zweitens die Preise so niedrig gehalten wurden, dass sich auch die Armen damit versorgen konnten. Das war in Hunger- und Notzeiten aber nur schwer durchzuhalten, die Armen konnten dann die nicht selten exorbitant gestiegenen Brotpreise nicht mehr zahlen. Die Bäcker wurden von zwei verordneten Protwegern (= die das Brot wiegen) kontrolliert. Wenn das Brot nicht den Vorschriften entsprach, wurde es an das Spital oder an arme Leute verschenkt. Die Bäckerordnung von 1674 verrät uns, wie die Brunecker Bäcker mit der Teuerung des Brotgetreides zurecht gekommen sind. Sie buken umso kleinere Brote, je teurer das Getreide war. Verschiedene Preisvariationen von Roggen und Weizen waren in einer Tabelle erfasst und rechts davon stand, wie viel ein Brötl wiegen durfte oder musste. Der Stadtmetzger war so etwas wie ein Angestellter der Stadt. Er wurde von der Stadt ein- und auch abgesetzt. Wer Interesse an der Führung der städtischen Metzbank hatte, musste sich bis zum ehehafft Taiding (Versammlung der Bürger und Inwohner) um Weihnachten anmelden und wurde dann am Ende des nächsten Quartals aufgenommen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie sich die bischöflichen Beamten vom Stadtmetzger mit Fleisch versorgen ließen. Der Metzger hatte in der Zeit zwischen Jörgentag (23. April) und Allerheiligen dem Stadthauptmann oder dem Verwalter von jedem achten in der Metzbank geschlachteten Rind die Zunge und die Füße des Rindes zu geben, dem Stadtrichter das Gleiche von jedem neunten Rind und dem Stadtgerichtsdiener von jedem zehnten. Neben dem Stadtmetzger gab es immer auch noch einige andere Metzger, die ihren Geschäften nachgingen und das Fleisch, das sie weiterverkauften, größtenteils beim Stadtmetzger bezogen. (RT)