Im Ansitz Rottenbuch in Bozen wurde heute (2. Februar) ein neues zentrales Forschungsinstrument zur Kulturpolitik der Options- und NS-Zeit in Südtirol vorgestellt: das Findbuch zur „Kulturkommission“.
Das gut 400 Seiten starke Findbuch wurde auf gemeinsame Initiative des Südtiroler und Tiroler Landesarchivs im Rahmen des Förderschwerpunkts „Erinnerungskultur“ in den vergangenen Jahren erarbeitet. Erstmals werden darin die verstreut lagernden Unterlagen und Bestände der „Kulturkommission Südtirol“ umfassend verzeichnet und erfasst. Diese Kommission, die zwischen 1940 und dem Kriegsende 1945 aktiv war, gehörte zur „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“ der SS und war damit direkt Heinrich Himmler unterstellt. Mit heute (2. Februar) ist das Findbuch zu den Beständen der „Kulturkommission Südtirol“ im Pdf-Format auf den Webseiten des Südtiroler Landesarchivs ebenso wie auf jenen des Tiroler Landesarchivs einsehbar. Im Rahmen einer Pressekonferenz am Landesdenkmalamt wurde es vorgestellt. „Das Findbuch wurde nach internationalen archivischen Standards erarbeitet. Es bildet eine wichtige Grundlage für die künftige Erforschung der Aktivitäten der Kulturkommission des SS-Ahnenerbes in Südtirol“, betonte Denkmalschutzlandesrätin Maria Hochgruber Kuenzer. Sie hoffe, dass viele Forscherinnen und Forscher dieses neue Instrument nutzen werden. Im Sinne der gemeinsamen Geschichte sei diese grenzübergreifende Zusammenarbeit Tirol-Südtirol zudem ein wichtiger Schritt aufeinander zu.
Aufarbeitung der NS-Geschichte
„Es geht darum, den Fokus auf dieses schwierige Kulturerbe zu richten und im Rahmen der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte zugänglich zu machen. Gleichzeitig ist diese minutiöse Dokumentation heute ein wichtiges Instrument für die Baudenkmalpflege“, unterstrich Landeskonservatorin Karin Dalla Torre. Der ideologische Entstehungszweck und der historische Kontext der Bestände seien jedoch stets mitzureflektieren. Für den neuen Direktor des Südtiroler Landesarchivs, Gustav Pfeifer, stellen die von der Kulturkommission Südtirol erarbeiteten Materialien einen „enormen Steinbruch für die Wissenschaft“ dar. „Das Findbuch bietet erstmals einen Überblick über diese verstreuten Bestände“, sagte Pfeifer. „Diese Unterlagen sind zeithistorisch und kulturpolitisch von großer Bedeutung für Südtirol.“ Das Landesdenkmalamt verwahrt einen wichtigen Teil der Kulturkommission-Materialien, insbesondere zum Bereich „Hausforschung und Bauwesen“. Einige Originale, die den Hof „Forstner in Eschenbach“ in Unterinn am Ritten zeigen, wurden bei der Pressekonferenz ausgestellt.
Der Hauptbearbeiter des Findbuchs, Roland Unterweger (Tiroler Landesarchiv), ging auf die Entstehung und den Aufbau des Buchs ein, von dem er hofft, „dass es künftige Forschungen beflügeln wird“. Die gute Zusammenarbeit zwischen dem Tiroler und Südtiroler Landesarchiv bei der Erarbeitung des Findbuchs unterstrich schließlich Christoph Haidacher, Direktor des Tiroler Landesarchivs, dem Hauptträger des Projekts. Der derzeit bis 2024 laufende Förderschwerpunkt „Erinnerungskultur“ soll bis 2028 verlängert werden.
Die „Kulturkommission Südtirol“
Die „Kulturkommission Südtirol“ beschäftigte an die sechzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und hatte den Auftrag, nach dem deutsch-italienischen Umsiedlungsabkommen von 1939 in einer umfassenden Aktion in mehreren Arbeitsgruppen das materielle und immaterielle kulturelle Erbe Südtirols (von Brauchtum über Gerätschaften, Trachten, Volkserzählungen, Hausmarken, Volksmusik, Mundarten, Bauformen, Archive und Kirchenbücher bis hin zu bildender Kunst, Vorgeschichte usw.) zu erfassen. Ziel war es, einerseits im Sinne der NS-Ideologie dessen „urgermanische“ Wurzeln zu dokumentieren und zum anderen, den abwandernden Südtiroler „Volksdeutschen“/Ladinern im künftigen geschlossenen Siedlungsgebiet „Identität“ und Geschichte zu sichern.
Die archivalische Hinterlassenschaft umfasst insgesamt 85 Bestände und ist heute in 37 Institutionen an 15 Standorten in ganz Europa und in den USA (Bozen, Bruneck, Innsbruck, Wien, Salzburg, Trient, Selva di Progno, Berlin, München, Koblenz, Regensburg, Marburg/Lahn, Leipzig, Freiburg im Breisgau und Washington) verstreut gelagert. Es handelt sich um tausende Einzelstücke (Pläne, Zeichnungen, Dokumente, Karteikarten, Fotos etc.). (mpi)
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