Heinrich Oberleiter aus St. Johann im Ahrntal

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Heinrich Oberleiter aus St. Johann im Ahrntal

„Ich war immer positiv denkend und fühlte mich unter Gottes Führung geborgen.“

 

Er war einer der Puschtra Buibm, flüchtete 1963 nach Österreich und fand seinen Lebensmittelpunkt in Bayern. Kurz vor seinem Ableben im Jänner führten wir mit Heinrich Oberleiter (*1941) in St. Johann ein Interview. Wir wollen dabei nicht auf seine politische Aktivität eingehen, sondern auf sein zweites Leben nach der Flucht.

Wie gelang Ihnen die Flucht nach der Festnahme?
Es war mitten im Winter. Ich wollte zum Klammljoch in Rein und hinüber nach Österreich, als mich Finanzer aufspürten und festnahmen. Ihr Jeep blieb im Neuschnee stecken und so gelang mir mit einem Sprung in den Reiner Bach die Flucht. Am Knie verletzt, nass bis auf die Haut und bei 17 Grad minus schleppte ich mich talauswärts. Ich fand Unterschlupf bei Bauern, erhielt neue Kleidung, etwas Geld und Lourdeswasser als geistigen Schutz. Meine Idee war nun, über den Schwarzenstein ins Zillertal zu fliehen. Ein Bauer besorgte mir Skier mit Seehundfellen als Steighilfen, die Bretter waren 2,20 Meter lang und unförmig, halfen mir aber bei der nordseitigen Abfahrt über die Gletscherspalten hinweg. Zuerst in Hall und dann in Absam bei Innsbruck kam ich bei Verwandten unter.

Wie ging es weiter?
In Tirol wimmelte es von Spionen. Nach meiner geglückten Flucht lebte ich vier Jahre im Untergrund und fand Arbeit als Baggerfahrer und später in Zürs am Arlberg bei der Seilbahn. Anschließend konnte ich weiter nach Bayern. In Rottach-Egern am Tegernsee fand ich Arbeit bei der Wallbergbahn als Pistenraupenfahrer. Dabei lernte ich auch meine Frau kennen, wir heirateten 1971. Dann pachteten wir einen kleinen Selbstversorger-Hof bei Starnberg, und unsere drei Kinder kamen zur Welt. Wir nahmen auch noch zwei Pflegekinder auf. Später zogen wir in die SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroth (Main-Spessart), eine Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung und wurden dort Hauseltern. Wir nahmen 7 bis 8 behinderte Menschen in unserer Familie auf. In der Dorfgemeinschaft wurde biologische Landwirtschaft umgesetzt und ich übernahm als Landwirt den Pferdebereich. Wir setzten die Pferde für Kutschfahrten, zum Pflügen, Heu einfahren, Holzrücken und Wegebau ein. Nach unserer Pensionierung kauften wir mit unserem Sohn zusammen ein Haus und ich widmete mich meinen Enkelkindern. Leider erkrankte meine Frau sehr früh an Demenz, ich pflegte sie fast 25 Jahre.

Was half Ihnen in schwierigen Zeiten?
Ich habe seit meiner Kindheit eine starke Bindung zu Gott. Der Glaubenssatz „Wenn die Not am größten ist, ist Gottes Hilfe am nächsten“, begleitete mich durchs ganze Leben. Durch den Glauben wurde ich immer stärker und sicherer. Ich hatte stets tiefstes Vertrauen, dass ich Gottes Hilfe bekomme. Es gibt immer einen Weg. Auch arbeitete ich im Pfarrgemeinderat, hielt Wortgottesdienste und war Wortgottesdienstleiter.

Ein Blick zurück: Wie war Ihre Kindheit?
Ich wuchs in St. Johann beim Groubma, ein Kleinbauernhof, auf. Wir waren 13 Kinder, gingen aber in Luttach zur Schule und in die Kirche, weil das zu Fuß näher erreichbar war. Mein Vater war Vieh- und Fellhändler. Weil wir eine vielzählige Familie waren, wurde wir Kinder früh auf andere Höfe geschickt, um dort Dienste zu verrichten wie z.B. Ziegen hüten, ausmisten usw. In dieser Zeit wurden wir auch teils von der Schulpflicht befreit, erst um Allerheiligen eingeschult und ab Ostern schon wieder ausgeschult. Mich schickte man schon mit zehn Jahren von daheim weg. Damals kamen zu den Höfen noch Leute auf die Stör: Schuster, Schneider, Weber und ich sah denen immer interessiert zu. So lernte ich vieles an Handwerkskunst, was mir später im Leben oft zugute kam. Auch als Jugendlicher arbeitete ich als Knecht auf Höfen.

Wie waren die Gefühle, als Sie 2022 aufgrund der Begnadigung als freier Mann Ihre Heimat wiedersehen durften?
Irgendwie war es mir nicht neu, weil mich mein Leben lang Träume begleiteten, dass ich heimkomme. Die Träume empfand ich so real und ich war mir sicher, dass sie sich irgendwann verwirklichen würden. Als Staatspräsident Sergio Mattarella das Gnadengesuch meiner Kinder annahm, war es für mich eine große Erleichterung. Und die Wiederkehr in die Heimat ein großes Geschenk.

Rückblickend: Wie war ihr Leben?
Es war ein schönes Leben, ich bin zufrieden. Ich habe viel erlebt und in schlimmen Zeiten immer wieder Hilfe erhalten. Das Leben hat mich gebeutelt, aber ich bin ihm positiv denkend begegnet. Ich wurde oft gefragt, wie ich das alles schaffe. Man kann ein schweres Leid nur ertragen, wenn man nicht verbittert ist und keinen Hass hat. Auch in ausweglos scheinenden Situationen erhielt ich immer Hilfe von Oben. (IB)