Nach seiner Romfahrt und ressortinternen Bewertungen hat Landesrat Arnold Schuler heute Verantwortliche auf Gemeinde- und Bezirksebene in verschiedenen Bereichen zu einer Aussprache geladen.
Südtirol beobachtet seit vielen Jahren die Bewegungen des Großraubwilds in Südtirol – vor allem sind das Bären und Wölfe. „Wir haben seit dem tragischen Vorfall im Trentino die Überwachungsmaßnahmen verschärft“, sagte Landesrat Arnold Schuler beim Treffen am heutigen Mittwoch (26. April) mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und Vertretenden aus Tourismus, Landwirtschaft und Jagd in Bozen. Zuletzt wurden Exemplare in Eppan, im Ultental und zwischen Vigiljoch und Martell und zwischen dem Ritten und Barbian gesichtet. Aufmerksam verfolgten die Eingeladenen die Ausführungen des Landesrats und der Experten aus der Abteilung Forstwirtschaft. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen erläuterten detailliert die alltäglichen Sorgen aus ihren Dörfern. „Die Verunsicherung von Bevölkerung und Lokalverwalterinnen und Lokalverwaltern nach dem tödlichen Angriff im Trentino nehmen wir ernst“, sagt Landesrat Arnold Schuler.
Gemeinsam auftreten, klare Forderung in Rom stellen
Im Alleingang hat Südtirol keine Handhabe im Management von Großraubwild – allerdings wollen die heute Anwesenden gemeinsam mit Landesrat und Forstverantwortlichen ein klares Zeichen setzen und gemeinsam weitergehen. Auf diese Aussage hat man sich geeinigt: „Wir drücken den Verantwortlichen Verwaltern im Trentino unsere Solidarität aus und sind weiterhin zur Zusammenarbeit bereit. Von Rom fordern wir, die entsprechenden Gesetze und Regeln dahingehend abzuändern, dass Problemtiere – und das sind Tiere, die sich ins Siedlungsgebiet vorwagen – schnell und unbürokratisch entnommen werden dürfen.“ Zudem fordert man die Regulierung des Großraubwilds. „Basis der aktuellen Maßnahmen sind Prävention und Vergrämung zum Schutz der Weidetiere. Der Forstkorps überwacht das Monitoring der Raubtiere: Es gibt Fotofallen, Haarfallen, wir nehmen jede Meldung von Sichtungen zu Protokoll und überprüfen die Spuren, wir besendern Tiere nach Möglichkeit. Zwei Einsatzgruppen – eine technische und eine Sicherheitsgruppe – unterstützen die Arbeit des Forstkorps und sind für notwendige Einfangaktionen und die Besenderung stets einsatzbereit“, erklärte Günther Unterthiner, Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft den Status Quo. Die 13 Haarfallen werden demnächst wieder für zwei Monate aktiviert: So werden in Trentino-Südtirol, der Lombardei und Friaul-Julisch Venetien Bären, die Fellteile in den Fallen hinterlassen, genetisch erfasst und in eine Datenbank eingetragen, berichtete Dominik Trenkwalder, Wildbiologe im Amt für Jagd und Fischerei. Ebenso verstärkt wird das Monitoring: 50 weitere Fotofallen sollen vor allem entlang der Forst- und Wanderwege in den Gebieten entlang der Grenzlinie zum Trentino und in anderen vom Bär besuchten Gegenden errichtet werden. Den Lokalverwalterinnen und Lokalverwaltern sicherte Unterthiner zu, sie über Bewegungen von Großraubtieren in ihrem Territorium verlässlich zu informieren.
Wald ist Erholungsgebiet der Menschen, Sicherheit hat Priorität
Oberste Priorität ist und bleibt aber die Sicherheit der Bevölkerung. „Wir können das Großraubwild nicht wieder ausrotten, es muss aber ein sinnvoller Weg der Regulierung gefunden und Maßnahmen festgelegt werden, damit Bär und Wolf sich den Siedlungen und vor allem den Menschen nicht nähern. Der Wald ist in Südtirol Teil des Alltags, wir, unsere Kinder und unsere Gäste leben am Wald, verbringen Zeit – Arbeitszeit und Freizeit – im Wald, manche leben sogar im Wald. Das ist kein Wildlebensraum, sondern allgemeiner Lebensraum und muss es auch bleiben“, sagte Schuler. Die Absicherung des Lebensraums der Menschen war seine Botschaft bei der Aussprache in Rom am vergangenen Freitag. Somit ist er zufrieden, was die Zusagen des Umweltministeriums betrifft: Der Managementplan (Pacobace) soll abgeändert werden. „Konkret bedeutet das, dass eine Maximalzahl an Bären für ein Territorium festgelegt wird. Wird diese Zahl überschritten, gibt es zwei Möglichkeiten: Umsiedlung oder Regulierung. Problembären müssen schnell entnommen werden“, fasste Schuler zusammen. All diese Ziele sind nur im Konsensweg mit Rom und Brüssel umsetzbar – ein Stichwort ist die Herabsetzung des Schutzstatus der Großraubtiere. Ebenso Teil der Aussprache mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Vertretenden von Landwirtschaft, Jagd und Tourismus war die Aufklärung auf wildbiologischer Ebene. „Der Bär ist grundsätzlich ein scheues Tier, das sich dem Menschen nicht nähert. Zu 75 Prozent ernährt er sich vegetarisch„, erklärte Wildbiologe Trenkwalder. Tagsüber sei ein Zusammentreffen mit dem Bären sehr unwahrscheinlich. „Es liegt in der Natur des Bären, sich bei Tageslicht zurückzuziehen und erst in der Dämmerung unterwegs zu sein – das haben wir auch bei der Durchsicht unserer Fotofallen bestätigt bekommen“, erklärte er weiter. Riskant ist es also, allein und damit leise, nur mit einer Stirnlampe, in der Dämmerung oder Dunkelheit in Waldgebieten, wo Bären leben, unterwegs zu sein.
Abstand halten oder schaffen, Gegenwehr bringt nichts
Trifft man doch auf einen Bären, sollte man versuchen, ruhig zu bleiben, nicht zu schreien und nicht wegzulaufen – das verstärkt den Jagdinstinkt. Am besten ist es, sicheren Schrittes, langsam rückwärts gehend den Abstand zum Tier und zu eventuellen Jungtieren zu vergrößern. Am besten sollte man in die Richtung gehen, aus der man gekommen ist. Direkter Blickkontakt soll vermieden werden. Der Einsatz von Pfefferspray ist ein zweischneidiges Schwert. „Der gegen Bären effiziente Spray ist in Italien nicht zugelassen. Der hierzulande handelsübliche Pfefferspray ist kein approbates Mittel gegen ein Großraubtier“, warnt Trenkwalder. Gegenwehr hat in den meisten Fällen keinen Sinn, auch wenn es der Instinkt befiehlt. Eine Strategie ist es in solchen Fällen daher, sich bäuchlings mit dem Rucksack auf dem Rücken, Hände als Schutz über dem Nacken und gespreizten Beinen flach auf den Boden zu legen und abzuwarten, dass der Bär wegläuft. (uli/mdg)
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