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Gedichte über das Pustertal

Kaum ein Dichter hat so viele Verse über das Pustertal verfasst wie Hermann von Gilm. Heute mitunter vergessen, sind sie ein Spiegel der damaligen Zeit.
Hermann von Gilm zählt zu den bedeutendsten Dichtern Tirols. In seiner Zeit als Staatsbeamter in Bruneck war er maßgeblich in das gesellschaftliche und auch gesellige Leben im Pustertal integriert, wovon sein Zyklus „Schartellieder“ sowie zahlreiche Verse zeugen.

Mit 30 Jahren nach Bruneck
Hermann von Gilm wurde als zweites Kind des Stadtgerichtsassessors Johann Nepomuk von Gilm am 1. November 1812 in Innsbruck geboren. Nachdem sein Vater beruflich nach Feldkirch übersiedelt war, besuchte Hermann dort das Gymnasium und kam 1826 – nach der zweiten Ehe seines Vaters – wieder nach Innsbruck zurück. Dort studierte Hermann ab 1830 an der juridischen Fakultät und trat im Jahre 1836 als Rechtspraktikant in den Staatsdienst. Seine lyrische Begabung und sein Feinsinn für die Natur ließen bereits in dieser Zeit den Zyklus „Märzenveilchen“ entstehen. Nach Gilms Wechsel 1840 in das Kreisamt Schwaz, kam er schließlich 1842 an das Kriegsgericht in Bruneck.

Die Brunecker Jahre
In Bruneck genoss Hermann v. Gilm die freundschaftliche Beziehung zu seinem Vorgesetzten, dem Kreishauptmann Josef Kern, Ritter zu Kernburg, der ihn auch in die schöngeistige Gesellschaft Brunecks einführte. Gilm war ein Lebemann, ein Charmeur, ein Liebling der Frauen und er konnte Menschen für sich gewinnen. Bald schon trat er dem 1829 gegründeten „Verein zum geselligen Vergnügen“ bei. Der Saal „Zum Goldenen Stern“ im Gasthof des Josef Toldt wurde zum beliebten Treffpunkt, hier gab Gilm in heiterer Runde seine Gedichte zum Besten.
Obwohl Gilms Aufenthalt in Bruneck nur knapp drei Jahre dauern sollte, war es für ihn – die Lyrik betreffend – eine sehr fruchtbringende Schaffenszeit. In dieser Periode entstanden die „Zeitsonette aus dem Pusterthal“, die „Sophienlieder“ an seine Angebetete Sophie Vetter sowie die bereits erwähnten „Schartllieder“. Bad Schartl in Olang war früher ein vielbesuchtes Heilbad, dessen Quelle eine gesundbringende Wirkung gegen Magenleiden und Hautausschläge zugeschrieben wurde. Das Bauernbad war ein beliebter Treffpunkt der Olanger und Brunecker Gesellschaft und nicht zuletzt von Hermann von Gilm. Auch seine „Tiroler Schützenlieder“ begann der Dichter in Bruneck zu verfassen und vollendete sie dann 1845 nach seiner Versetzung in Rovereto. Im Jahre 1847 fand Hermann von Gilm eine Anstellung als Praktikant der Hofkanzlei in Wien und avancierte 1854 zum Staatssekretär in Linz, um 1856 zum Vorstand des Präsidialbüros ernannt zu werden. Am 24. November 1861 heiratete Hermann v. Gilm Marie Dürenberger, die glückliche Ehe wurde mit Sohn Rudolf gesegnet. Allerdings leuchtete der Glücksstern nur wenige Jahre, denn am 31. Mai 1864 verschied Hermann v. Gilm an Tuberkulose im Alter von 52 Jahren. Vier Jahre später wurden die sterblichen Überreste am 10. Dezember 1868 in seiner Heimatstadt Innsbruck beigesetzt, gemäß dem letzten Wunsch des Dichters.

Gedichte über das Pustertal
Neben den bereits erwähnten Zyklen schrieb Hermann v. Gilm – immer das Pustertal betreffend – Gedichte mit dem Titel: „Der alte Schütz am Pragser See“, „Schützenlied der Pusterthaler“, „Welsberg“, „Enneberg“, „Taufers“, „Bruneck“, „Mühlbach“, „Brixen“, „Kloster Sonnenburg“, „Schloß Taufers“, „Der Schwur zu Percha“, „Dietenheim“, „An die Liedertafel in Bruneck“, „Der Traum im Garten zu Kehlburg“, „Abschied von Bruneck (am 19. Februar 1843), „An Karl Toldt“ sowie „Abschiedsworte“ (an Dr. Joseph v. Ottenthal),
Sein Zyklus „Schartellieder“ beinhaltet die Gedichte: „Krummschnabel“, „Der Wasserkrug“, „Die Jagd“, „Begrüßung“, „Die Herzogin“, „Der Himmel ist blau“, „Waldfeuer“, „Hexenplatz“, „Die Erdbeeren“ und „Abschied“.

Gedicht „Die Georgine“ aus der Hand des Dichters, geschrieben vor 160 Jahren am 22.2.1863

Gilms Werk
Des Tiroler Dichters Vorbild war Friedrich von Schiller. Geschätzt wird Gilms Stimmungslyrik wegen seiner Tiefsinnigkeit, Gefühlsbetontheit und der Liebe zur Natur. Und er war ein Freigeist. Er schrieb an gegen das System von Fürst Metternich und gegen den Klerus, auch wenn er kein fundamentaler Glaubensgegner war. Jedoch waren seine politischen Lieder scharfe Geschütze gegen die Jesuiten, die für ihn der Inbegriff des Konservatismus bedeuteten. Vor allem Heuchelei und religiöser Übereifer waren ihm ein Dorn im Auge, gründend möglicherweise in der strengen Erziehung seiner erzkatholischen Stiefmutter.
Anerkennung fand Gilm von seinem Dichterkollegen Gottfried Benn (1886-1956), und der herausragende Komponist der Spätromantik, Richard Strauß, vertonte in seinem Opus 10 acht Gedichte aus Gilms Zyklus „Sophienlieder“: Die Lieder „Zueignung“ und „Die Nacht“ erklingen heute in den großen Konzertsälen der Welt. Vor allem sein inniges, leises „Allerseelen“ – es wurde außer von Richard Strauß über 30-Mal vertont – zählt zu Gilms berühmtesten Werken.
Im Jahre 1985 entstand ein Dokumentarfilm über Hermann v. Gilm, verfasst von Ivo Ingram Beikircher und Ernst Pertl. Auch im Buch „Bruneck“ von 2015 widmet sich Ivo Ingram Beikircher dem Tiroler Dichter.
In Bruneck trägt heute der Gilmplatz den Namen des großen Lyrikers und in der Stadtgasse im Haus Nr. 63 erinnert an der Fassade eine Gedenktafel an Gilms Brunecker Wohnsitz.

Gedichte

Schloß Taufers
Du altes Schloss! Du scheinst wohl nur zu schweigen,
Neugierig streckt die Föhre sich empor;
Die Eulen horchen, die verschwiegnen Zeugen –
O sag‘ mir auch ein Märchen in das Ohr.

Du steingewordner Traum! Viel‘ Tränen mochten
Auf deinen grasbewachsnen Boden hier
Gefallen sein! – Wie deine Männer fochten,
Wie deine Frauen liebten – sag mir.

Du schweigst? – So träume fort; wir gehen weiter –
Von deinen Mauern pflück‘ ich mir den Strauß;
Denn die Natur ist ewig jung und heiter
Und schmückt mit Blumen ihre Toten aus!

Kloster Sonnenburg
Was die Römer einst begonnen,
Hat der Deutsche sich erkämpft,
Bis die Psalmen frommer Nonnen
Jenen Waffenlärm gedämpft.

Doch von all den Herrlichkeiten
Blickt nur mehr der Leichenstein –
Mahnend an vergangne Zeiten
In die Gegenwart hinein.

Wenn das Abendrot die Mauern
Tatenstolz erglühen macht,
scheint das dunkle Tal zu trauern
Um die hingeschwundne Pracht.
(IB)