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Bruneck Gemeinsam das Leben gefeiert

Zum bereits 20. Mal fand am 30. September das alljährliche Interreligiöse Gebet in Bruneck statt. Unter dem Motto „Wir feiern das Leben“ wurde gemeinsam gebetet, gesungen und getanzt und vor allem eins: das „Wir“ gefeiert und gestärkt.

Es ist bereits zu einer schönen Tradition geworden, dass alljährlich am letzten Samstag im September das Interreligiöse Gebet in Bruneck stattfindet, veranstaltet vom Verein „InterKult“ in Zusammenarbeit mit vielen weiteren engagierten Mitorganisatoren:innen. „Ich sehe es als gutes Zeichen, dass sich diese Veranstaltung in den vergangenen Jahren institutionalisiert hat“, sagt Lioba Koenen, Präsidentin des Vereins InterKult. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass Menschen verschiedener Religionen und Kulturen sich immer wieder gerne aufeinander zubewegen, Offenheit und Freude zeigen, sich gegenseitig kennenzulernen und für ein gemeinsames Anliegen zu beten. In dieser Hinsicht entpuppt sich das Interreligiöse Gebet in Bruneck als „Perle“, weil es durch seine Kontinuität über zwanzig Jahre hinweg einzigartig ist in Südtirol. „Die Veranstaltung hat sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert, auch weil die Priester, die Kapuziner und die Vorbeter:innen der verschiedenen Glaubensgemeinschaften gut dahintergestanden sind“, erzählt Lioba Koenen. So seien im Laufe der Zeit immer mehr Religionen dazugekommen, junge Vorbeter:innen hätten sich eingebracht und es gebe zahlreiche treue Besucher:innen, die sich Jahr für Jahr am Interreligiösen Gebet beteiligen, so die Präsidentin.

Prävention und Stärkung
In den vergangenen Jahrzehnten ist auch in Südtirol das religiöse Leben deutlich vielfältiger geworden; die Pluralisierung sowie die Individualisierung im religiösen Bereich haben zugenommen. Das birgt Spaltungspotenzial; gegenseitige Wertschätzung und gelingendes Miteinander sind keine Selbstläufer. Fest steht: Eine positive Haltung zur religiösen Vielfalt geht mit mehr zwischenmenschlichem Vertrauen einher – ein wichtiges Kapital für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. „In diesem Sinne sehe ich das Interreligiöse Gebet als eine Art Prävention“, sagt Lioba Koenen. „Wenn man sich wahrgenommen und angenommen fühlt in der Gesellschaft, in die man sich integrieren möchte, ist das bereits ein großer Schritt hin zu einem gelingenden Miteinander.“ Zudem geschehe das nicht nur im „stillen Kämmerlein“, sondern bei einer offiziellen Veranstaltung, wie es das Interreligiöse Beten im Kapuzinerpark schließlich sei, so die Präsidentin von InterKult. Auf diese Weise schwinden Berührungsängste zwischen Religionen und Menschen, Solidarität wird geschaffen. Und nicht zuletzt entstehen Bekanntschaften und Freundschaften, die sich Jahr für Jahr festigen. „Wertvoll ist diese Veranstaltung auch für die Einheimischen, die sich in den zahlreichen beteiligten Vereinen einbringen; es ist auch eine Stärkung und ein Erfolg für sie. Ich denke da besonders an all die Ehrenamtlichen der Pfarrei und des Pfarrgemeinderats Bruneck, des Vereins für Städtefreundschaften, der Caritas MigrantInnenberatung InPut, des PBZ-Sprachenzentrums und der beteiligten Musikgruppen.“ Ein Dank geht auch an die Stadtgemeinde Bruneck, die diese Initiative seit vielen Jahren unterstützt.

Gutes Zusammenleben
Wie es bereits Tradition ist, und weil das schöne Wetter es in diesem Jahr wieder zuließ, fand das Interreligiöse Gebet im Kapuzinergarten statt. Die Idee des Interreligiösen Gebets geht auf Papst Johannes Paul II. zurück, der im Jahr 1986 zahlreiche Vertreter:innen verschiedener Religionen zum gemeinsamen Gebet nach Assisi eingeladen hat. Frauen und Männer verschiedener Weltreligionen sollten erstmals zusammen für ein gemeinsames Anliegen beten – für den Frieden in der Welt, zwischen Menschen und Religionen. Ein Thema, das bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Das diesjährige Motto beim Interreligiösen Gebet in Bruneck lautete „Wir feiern das Leben“. „Es sollte darum gehen, das Leben gemeinsam zu gestalten und darauf zu achten, ein gutes Leben für alle zu schaffen – ganz unabhängig davon, welchem Kulturkreis oder welcher Religion jemand angehört“, erklärt Lioba Koenen. Das Thema sollte also zum Ausdruck bringen, dass wir gemeinsam Verantwortung dafür tragen, wie unser aller Leben verläuft und uns in kleinen Schritten annähern, um dann miteinander in eine Richtung zu gehen auf dem Weg eines friedlichen Dialogs und guten Lebens. Im gemeinsamen Anzünden der Friedenskerzen kamen das Verbindende und dieser gemeinsame Wunsch noch einmal sichtbar zum Ausdruck. Musikalische umrahmt wurde das Gebet vom Doppelquartett „8-stimmig“. Im Anschluss an das Gebet wurden Interkulturelle Kreistänze angeboten und natürlich folgte auch das beliebte Kinder- und Familienfest mit Spielen, Kaffee und Kuchen und viel Raum für Austausch und Begegnung.
SH

Nachgefragt:

Interreligiöses Gebet

Herr Dekan Josef Knapp, wie erleben Sie das Zusammenleben der verschiedenen Glaubensgemeinschaften im Pustertal?
Ich erlebe das Verhältnis respektvoll und gelöst. Mit einzelnen Mitgliedern der verschiedenen christlichen Bekenntnisse gibt es Berührungspunkte; da diese keine größeren Strukturen für ihre Gebete und Feiern haben, geben wir als Katholiken gerne Gastfreundschaft. Auch die Moslems konnten unsere Pfarrräume nützen, solange es von ihrer Seite aus notwendig war. Schön war für mich die kürzlich veranstaltete gemeinsame Begehung des Franziskusweges mit der abschließenden ökumenischen Wort-Gottes-Feier.

Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach Initiativen wie jene des alljährlichen Interreligiösen Betens?
Diese Initiative des Betens in einer bunten Gemeinschaft von Vertretern:innen verschiedener Religionen ist – soviel ich weiß – einmalig in Südtirol. Es ist eine Freude, damit seit zwei Jahrzehnten ein Zeichen zu setzen, das zum gegenseitigen Kennenlernen einlädt und für wechselseitiges Verständnis wirbt.

Was wäre noch hilfreich, um die gegenseitige Toleranz bzw. die Offenheit in Bezug auf andere Religionen weiterhin zu stärken?
Was uns Katholiken betrifft, ist meines Erachtens wichtig, dass wir selber unsere Identität stärken und den Schatz unseres Glaubens nicht verstecken, sondern in allen Ausdrucksformen pflegen. Denn dann kann man angstfrei auf Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften zugehen und respektvoll in Dialog treten.