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Altes Wetterwissen

Pustertal – In der heutigen Wissensgesellschaft scheint oft als unwichtig, was nicht akribisch aufgeschrieben, wissenschaftlich belegt oder auf Video gebannt ist. Doch wenn man sich mit dem Thema Bauernregeln beschäftigt, wird schnell klar, dass es auch eine andere Form von (Wetter-)Wissen gibt.

Jahrhundertelange Beobachtungen
Die meteorologischen Erfahrungen, die in Bauernregeln stecken, reichen oft in eine weit vergangene Zeit zurück. Noch im Mittelalter waren die wenigsten Bauern, die nach diesen mündlich überlieferten Regeln ihr Land bestellten, des Schreibens kundig. So wurde das Wetterwissen von Generation zu Generation mündlich weitergereicht, ganz einfach im Gespräch innerhalb der Familie oder mit anderen Bauern des Dorfes. Uraltes Wissen steckt in diesen oft gereimten Sprüchen, die das Wetter im Jahreslauf oder auch kurzfristige Umschwünge voraussagen. Wenn man bedenkt, dass das Thermometer und das Barometer erst im 16. und 17. Jahrhundert erfunden wurden, wird schnell klar, wie das umfassende Wetterwissen in den Bauernregeln entstanden ist, nämlich durch jahrzehnte- wenn nicht sogar durch jahrhundertelange Beobachtung. Die Bauern versuchten über Generationen hinweg, Regelmäßigkeiten im Naturgeschehen herauszufinden. Sie bemerkten Wolkenkonstellationen, die Wetterverbesserungen oder –verschlechterungen zur Folge hatten, beobachteten, dass sich Tiere im Haus, Wald und Feld vor einem harten Winter anderes verhielten als vor einem vergleichsweise milden. Und natürlich behielten sie jene Wetterphänomene im Frühjahr in Erinnerung, die in Sommer und Herbst zu einer reichen Ernte führten. Und trotz Klimaveränderung und anderen Lebensumständen halten so manche Volksweisheiten den Erkenntnissen der modernen Meteorologie stand.
Bauernregeln und Lostage im Winter mit guter Trefferquote sind beispielsweise

Jänner
Ist bis Dreikönigstag (06.) kein Winter, so kommt auch kein strenger mehr dahinter.
Wenn zu Antoni (17.) die Luft ist klar, gibt’s bestimmt ein trocknes Jahr.
Wie zu Vinzenz (22.) das Wetter war, so wird’s sein das ganze Jahr.

Februar
Ist’s an Lichtmess (2.) hell und rein, wird’s ein langer Winter sein.
Manchmal bringt die Dorothee (6.) uns den allermeisten Schnee.

März
Auf Märzregen fällt kein Segen.
Joseph (19.) klar, gibt ein gutes Honigjahr.
Bringt Benedikt (21.) warme Luft der Pflanzenwelt, auch der Sommer dem Bauern mit Wärme gefällt
Ist an Rupert (27.) der Himmel rein, so wird er’s auch im Juni sein.

Der Hundertjährige Kalender
Weil in früheren Zeiten nur wenige Menschen aus den Bauernfamilien des Schreibens kundig waren, wurden die Wetterregeln kurz und prägnant formuliert; so konnte man sie leichter merken. Inzwischen erkennt auch die moderne, wissenschaftliche Meteorologie an, dass in diesen alten Bauernregeln einiges an Weisheit und Wahrheit steckt. Denn obwohl es viele komplexe Faktoren gibt, die das Wettergeschehen bestimmen, beweisen die uralten Sprüche immer wieder ihre Treffsicherheit. Dies gilt übrigens nicht wirklich für den Hundertjährigen Kalender. Grundlage für dieses Werk sind Wetteraufzeichnungen eines Zisterzienserabtes aus den Jahren 1652 bis 1659. Weil dieser aber glaubte, dass jedes Jahreswetter von einem der damals bekannten Planeten (inklusive Sonne und Mond) regiert wird und sich dieser Rhythmus stets wiederholt, brach er seine Wetterbeobachtungen bereits nach sieben Jahren ab. Viele Jahre später gerieten diese Aufzeichnungen in die Hände des Thüringer Arztes Christoph Hellwig, der daraus ein Buch drucken ließ, dem er kurzerhand eine Planetentafel über hundert Jahre voranstellte und so das Siebenjahreswetter einfach in die Zukunft fortschrieb. Somit hat der Hundertjährige Kalender mit dem realen Wissen, das in Bauernregeln steckt, nur noch wenig zu tun. Doch ganz allgemein ist eine oft gestellte Frage berechtigt: Machen Bauernregeln in Zeiten von Satellitenbildern und computergestützter Wetterwissenschaft überhaupt noch Sinn? Doch, eigentlich schon. Auch wenn diese Sprüche nicht die Leistungen der modernen Meteorologie ersetzen können, rufen sie etwas Wichtiges ins Bewusstsein, nämlich, dass wir Menschen ein Gespür für die Vorgänge in der Natur entwickeln können – wenn wir genau hinschauen und uns Zeit dafür nehmen.
SH