Die Straßenzeitung zebra. feiert heuer einen runden Geburtstag: Seit zehn Jahren gibt es das Zeitungsprojekt, das Menschen, ohne feste Arbeit oder Wohnung, finanziell und sozial unter die Arme greift. Das Puschtra Magazin hat mit der zebra. Redakteurin Valentina Gianera über das Straßenzeitungsprojekt gesprochen.
Die Straßenzeitung zebra. feiert heuer ihr 10-jähriges Jubiläum. Wie beurteilen Sie im Rückblick den Erfolg dieses Projektes?
Valentina Gianera: Hängt davon ab, was wir unter Erfolg verstehen wollen! Was die Verkäufer:innen betrifft, so haben viele Personen auch dank zebra. in eine stabilere Lebenslage gefunden. Von den insgesamt 242 Personen, die in den letzten zehn Jahren Teil des Projekts waren und sind, haben etwa 180 Personen das Projekt erfolgreich abgeschlossen, das heißt: Sie konnten eine stabile Arbeit finden und haben heute eine angemessene Wohnsituation. Aber auch was die Redaktion und Sozialarbeit betrifft, konnten wir uns in diesen Jahren weiterentwickeln und haben viel positives Feedback erhalten!
zebra. Verkäufer:in zu sein ist keine Vollzeitarbeit. Wie funktioniert das Prinzip so einer Straßenzeitung?
Wie bei anderen Straßenzeitungen, die wie wir Teil des internationalen Netzwerks INSP sind, kaufen die Verkäufer:innen die Zeitung um die Hälfte des Verkaufspreises ein und verkaufen sie dann autonom auf der Straße weiter. Dadurch haben sie die Möglichkeit, selbst zu bestimmten, wann und wie viel sie verkaufen möchten und können das Projekt auch jederzeit verlassen – oder bei Bedarf eine Pause einlegen; zum Beispiel weil sie sich um Angehörige kümmern müssen oder einige Monate in der Landwirtschaft arbeiten. Die Autonomie der Person steht also im Mittelpunkt.
Welche finanzielle und soziale Chance bietet diese Zeitschrift den Verkäufer:innen?
Der Verkauf der Zeitung ist in erster Linie eine Chance, auf ehrliche und würdevolle Weise ein kleines Einkommen zu generieren, wenn andere Möglichkeiten nicht vorhanden oder nicht umsetzbar sind. Viele schätzen es zudem, dass sie innerhalb der Gesellschaft eine Rolle übernehmen dürfen, die auch anerkannt wird. Last but not least kann der Kontakt, den die Verkäufer:innen mit den Kundinnen und Kunden aufbauen, letztendlich auch eine Chance sein, ein wertvolles soziales Netzwerk aufzubauen.
Wie viele Verkäufer:innen sind aktuell in Südtirol für zebra. unterwegs?
Momentan sind etwa 50 Verkäufer:innen in (fast) ganz Südtirol unterwegs.
Wie ist die zebra. Redaktion aufgebaut?
Die zebra. Redaktion besteht aus zwei Vollzeit-Redakteur:innen und einem kleinen Netz aus freiberuflichen und freiwilligen Mitarbeiter:innen, die jeden Monat Bilder und Texte beitragen oder uns bei der Grafik und Korrektur der Zeitung helfen. Themen und Texte werden sorgfältig ausgewählt und bieten so oft wie möglich einen kritischen und gründlich recherchierten Blick auf soziale Fragen, die uns alle betreffen. Interessierte können sich übrigens gerne bei uns melden!
Wie wird dieses Projekt finanziert?
Redaktion und Druck der zebra. werden durch die Einnahmen aus Verkauf und Werbeverkauf gedeckt, wobei die Einnahmen von der Herausgeberin der zebra., der OEW – Organisation für eine solidarische Welt verwaltet werden. Neben der Redaktion gibt es aber noch die Sozialarbeit der zebra., die die Verkäufer:innen begleitet. Hier greifen wir je nach Verfügbarkeit auch auf öffentliche Gelder wie jene des Europäischen Sozialfonds zurück.
Wie wird die Zeitschrift von den Zeitungslesenden aufgenommen?
Letztens haben wir an einer Veranstaltung in Sterzing teilgenommen, bei der unter anderem die OEW und zebra. kurz vorgestellt wurden. Am Ende erhob sich eine Teilnehmerin, um der zebra. Redaktion ein Lob auszusprechen. Sie habe die Zeitung anfangs aus Solidarität mit den Verkäufer:innen gekauft. Mittlerweile warte sie aber jeden Monat gespannt auf die Inhalte der neuen Zeitung. Sowas freut uns natürlich sehr! Neben positivem Feedback erhalten wir aber natürlich auch Kritik. Auch darüber freuen wir uns – wir regen zur Diskussion an und können weiterlernen.
Wird das runde Jubiläum auch gefeiert werden?
Auf jeden Fall! Wir planen am 12. Oktober 2024 ein kleines Jubiläumsfest mit allen Mitarbeitenden, Lesenden und Verkaufenden der zebra. zu organisieren, also haltet euch schon mal das Datum frei! Sobald wir mehr wissen, werden wir Zeit und Ort in der Zeitung und den sozialen Medien kommunizieren.
Straßenzeitung zebra.
Das Projekt Straßenzeitung zebra. wurde von der Organisation für Eine solidarische Welt (OEW) in Brixen 2014 ins Leben gerufen. Die zebra. Verkäufer:innen sind bei der OEW registriert und an ihren zebra.Ausweisen erkennbar. Tag für Tag sind sie in ganz Südtirol unterwegs und verkaufen die Zeitung zum Preis von drei Euro: Die Hälfte fließt in die Produktion, die andere Hälfte steht den Verkäufer:innen zu. Der Verkauf der Straßenzeitung ersetzt kein sicheres Arbeitsverhältnis, sondern bietet Menschen in schwierigen Situationen eine Überbrückungsmöglichkeit. Mittels individueller Beratung und Jobcoachings unterstützen die zebra. Sozialarbeiter:innen beim Einstieg in die Arbeitswelt. zebra.Verkäufer:innen betteln auch nicht, sondern bieten ein Produkt an, das ihnen Zugang zur Südtiroler Lebens- und Arbeitsrealität, Selbstvertrauen, Anerkennung und Würde ermöglicht.
TL