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Zukunft Wasser

Carmen de Jong forscht seit knapp drei Jahrzehnten zu den hydrologischen Auswirkungen des Wintersports und der künstlichen Beschneiung an der Universität Straßburg. Vor kurzem war die Wissenschaftlerin in Südtirol und dem Trentino zu Gast. Das Puschtra Magazin hat mit der Professorin über die Themen Ihres Besuches gesprochen.

Frau Prof. de Jong, Sie sind Hydrologin und Kunstschnee-Expertin und lehren an der Universität Straßburg. Erst kürzlich waren Sie in Südtirol und dem Trentino unterwegs. Was war der Grund Ihres Besuches?
Carmen de Jong: Ich folgte einer Einladung an die PTH Brixen (Philosophisch-Theologische Hochschule) um einen Vortrag über „Wintersport und Wasser: Wie kann man den Wintertourismus der Zukunft verantworten?“ im Rahmen des neuen Universitätslehrganges Umweltethik zu halten. Ich habe da Beispiele der Umweltauswirkungen und Wasserprobleme von Skigebieten und Winterolympischen Standorten gebracht. Ferner hatte ich eine Einladung der Initiativgruppe „UNSER WALD“ als Hydrologin zum Expertengespräch mit dem Gemeinderat und der zuständigen Arbeitsgruppe der Gemeinde Kaltern, um über die hydrologischen Auswirkungen des Projektes zur Errichtung von sechs Speicherbecken zur landwirtschaftlichen Bewässerung mitten im Gemeindewald, einem kostbaren Buchenmischwald, zu referieren. Außerdem wurde ich als Expertin zur Mitarbeit eines Positionspapieres über Speicherbecken vom Vorstand des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz Alto Adige in Bozen eingeladen. Den Besuch habe ich dann mit einer Reihe von Geländebegehungen von Winterolympischen Standorten für Cortina d’Ampezzo 2026 ergänzt. Das Spezielle daran war, dass ich nicht nur von diversen Umweltgruppen und lokalen Umweltschutzinitiativen, sondern auch von Juristen, Architekten, Forstwissenschaftlern und lokalen Betroffenen begleitet wurde. In Olang und St. Christina habe ich dann noch jeweils einen Vortrag über „Speicherbecken und olympische Spiele“ und „Künstliche Beschneiung und ihre Auswirkung auf die Alpen“ auf Einladung von Umweltverbänden gehalten. Ich habe folgende Vorortbegehungen gemacht: Kronplatz, Antholz, Sexten, Rotwand, Val di Fiemme (Tesero), Cortina und Grödner Tal.

Prof. Carmen de Jong forscht seit drei Jahrzehnten zu den hydrologischen Auswirkungen des Wintersports und der künstlichen Beschneiung.

Speicherbecken werden vorwiegend für die Pistenbeschneiung in Skigebieten oder für die Landwirtschaft eingesetzt. Welche konkreten Vor- und Nachteile haben diese Wasserspeicher?
Speicherbecken haben das Ziel Wasser in großen Mengen zu speichern, so dass es entweder in Zeiten von Wassermangel (bei der Landwirtschaft) oder auf einmal für eine flächendeckende Grundbeschneiung (beim Wintersport) zur Verfügung steht. Die landwirtschaftlichen Becken sollten theoretisch in den abflussreichen Monaten gefüllt werden, aber das ganze gerät in einen Teufelskreis während Dürren, denn dann steht nicht genug Wasser zur Verfügung, und die Becken können bekannterweise nicht ausreichend gefüllt werden. Leider werden die Becken bei der Beschneiung auch nicht nur wie angekündigt zu Zeiten von Wasserüberschuss aufgefüllt. Sie werden durchaus, auch zu Zeiten wenn Wasser knapp ist, zum Bespiel während einer Dürre, oder in den abflussarmen Wintermonaten zur Nachfüllung, aufgefüllt.
Das Grundproblem bei den Speicherbecken ist, dass sie fast alle überdimensioniert sind im Vergleich zu ihren Einzugsgebieten und den schwachen Abflüssen der lokalen Bäche. Daher reicht das Wasser lokal fast nie aus, um sie zu füllen, vor allem wenn sie auf einer Bergkuppe oder sehr hoch am Berg gebaut wurden. In diesen Fällen wird dann weit mehr als 50 Prozent und bis zu 100 Prozent des Wassers aus dem Talboden hochgepumpt. Dabei führt man eine ganz andere und oft qualitativ minderwertige Wassermischung in die hochgelegenen, hochvulnerablen lokalen Ökosysteme ein. Selbst Trinkwasserschutzgebiete können davon betroffen sein. Die lokale Flora und Fauna werden somit langfristig verdrängt und invasive Sorten dringen ein. In manchen Fällen erwärmt sich das Wasser durch Reibung um beinahe 10°C wenn es um mehr als 1.000 Höhenmeter aus dem Talboden hochgepumpt wird (z.B. von 9 auf 17°C in Bormio). Auch in den künstlichen Speicherbecken für die Beschneiung erwärmt sich das Wasser zusätzlich und muss daraufhin mit Kühltürmen abgekühlt werden. Ein weiteres Problem sind die Verdunstungsverluste aus den riesengroßen, exponierten Flächen der Speicherbecken. Sehr problematisch ist, dass die Speicherbecken fast immer in bestehende Seen oder Feuchtgebiete tief eingebaut werden und damit unwiderruflich die natürliche Ökosysteme zerstören. Zum einem versiegeln sie den Untergrund und führen unterhalb zum Versiegen von Quellen, auch die für Trinkwassernutzung. Zum anderen führt das Versiegen der Quellen zur lokalen Austrocknung von wichtigen Biodiversitäts-Standorten. In Obergurgl hat das zum Beispiel in kürzester Zeit zum gesamten Verschwinden von Dünnspornfettkraut geführt.

Woher stammt das Wasser für diese Speicherbecken?
Das Wasser stammt aus Quellen, Trinkwasserquellen, Trinkwassernetzwerken, Bächen, Talflüssen, Seen und Speicherbecken für die Wasserkraft und teilweise auch aus Gletschern. Zunehmend stammt es wegen unzureichender lokaler Verfügbarkeit auch aus Grundwasser, Dies ist eine gefährliche Entwicklung, denn damit konkurriert die Beschneiung mit dem Trinkwasser und der landwirtschaftlichen Bewässerung. Wir haben damit eine Grenze überschritten und es ist ein eindeutiges Zeichen für Wasserknappheit, wie wir es in semiariden Zonen kennen. Für viele der olympischen Standorte wird angegeben, dass Wasser entweder zusätzlich aus Trinkwasserquellen entnommen wird, oder aus dem Grundwasser zB. in Bormio aus 90 m Tiefe hochgepumpt wird. Das Wasser aus dem Talboden und Grundwasser wird hunderte, teilweise mehr als 1.000 m hangaufwärts gepumpt. Dies ist nicht nur sehr energieaufwendig, sondern stößt immer häufiger an die Grenzen der Energieverfügbarkeit. In manchen Tälern, wie in Sexten, müssen zusätzlich Generatoren, die mehrere zehntausende von Litern Diesel pro Tag konsumieren, angesetzt werden, um das Wasser aus dem Talboden in die Speicherbecken hochzupumpen.

Sie forschen seit drei Jahrzehnten zu den hydrologischen Auswirkungen des Wintersports und der künstlichen Beschneiung. Mit welchen anderen Maßnahmen könnten die Wintersportgebiete dem Klimawandel entgegentreten?
Es gibt eine Reihe anderer Maßnahmen, die zurzeit verwendet werden, wie zum Beispiel Snowfarming und Snow factories aber diese haben dieselben Umweltauswirkungen wie die künstliche Beschneiung, wenn nicht noch mehr. Snowfarming benötigt künstliche Beschneiung um Schneedepots im Winter zu erzeugen, die dann über den Sommer abgedeckt werden. Sie hängen genauso von der Wasserversorgung und den Speicherbecken ab. Der so gespeicherte Schnee muss aber dann energieaufwendig auf die Pisten im Winter mit dieselbetriebenen Pistenraupen verteilt werden. Jede Pistenraupe verbraucht mehr als 200 Liter Diesel pro Nacht. Snow factories sind nichts anderes als riesige Tiefkühlfabriken. Sie können selbst bei + 20°C Schnee produzieren, sind aber wiederum sehr energieaufwendig. Der Energieaufwand steigt mit der Höhe. Auch sie stellen starke Bedingungen: Speicherbecken und Wasserversorgung. Für die WM in Antholz wird im Zusammenhang mit der Snow Factory ein großes neues Speicherbecken verlangt.
Alle diese Maßnahmen beschleunigen den Klimawandel, nicht nur ihren CO2 Ausstoß, sondern auch durch den Verlust von wichtigen natürlichen CO2 Speichern wie Feuchtgebieten, Böden und Wäldern.

Im Pustertal sollen in Antholz, auf dem Kronplatz und in Sexten/Sillian neue Speicherbecken gebaut werden. Welche Beobachtungen aus diesen Gebieten konnten Sie für Ihre wissenschaftliche Arbeit mit nach Hause nehmen?
Am Kronplatz soll neben dem Speicherbecken Ried ein neues Speicherbecken Pracken Olang gebaut werden. Das bestehende Becken wurde in eines der bedeutendsten Auerhahnbalzgebiete am Kronplatz gebaut. Der Kronplatz gehört zu einem der wichtigsten Auerwildgebieten in ganz Südtirol (Datenbank: Markus Moling). Wie für das bereits bestehende Becken, gibt es für das künftige Becken kein lokales Wasser Vorort und es muss alles vom Tal hochgepumpt werden. Das Speicherbecken wird teilweise in einem Trinkwasserschutzgebiet gebaut. Durch die Versiegelung gefährdet das Speicherbecken die Trinkwasserversorgung durch die Versiegelung der Quellbereichen unterhalb. Für den Bau des Beckens muss noch mehr Wald entwaldet werden. Es handelt sich bei dem geplanten Becken mit einem Fassungsvermögen von ca. 120.000 m3 um ein sehr großes Speicherbecken – zum Vergleich: dies entspricht einem Drittel des derzeit größten Speicherbeckens der Alpen. Das gefüllte Speicherbecken wird mit einem Gewicht von ca. 120.000 Tonnen auf erosivem Material (quartäres Lockergestein) lasten und liegt auf einer tektonischen Bruchlinie. Somit kann das Risiko eines plötzlichen Speicherbeckenausbruchs mit entsprechend verheerenden Auswirkungen auf die darunter liegenden Gebiete nicht völlig ausgeschlossen werden. In Antholz ist in der Nähe des Biathlon Zieles ebenfalls eine große Abholzung mitten im Wald für den Bau eines Speicherbeckens für die Beschneiung vorgesehen. Der Standort ist sehr ungeeignet, da er inmitten von mehreren Gefahrenzonen liegt. Nicht nur haben wir bei der Begehung auf der gesamten Fläche des geplanten Beckens sehr hohe, ehemalige Murablagerungen gesehen, die auf eine drohende Murgefahr hinweisen, sondern auch einen sehr aktiven Wildbach und Lawinenauslaufbahnen oberhalb. Diese sollen durch einen eigens dafür konstruierten Lawinenschutzdamm oberhalb des Speicherbeckens abgehalten werden.

Was haben Sie zu den Baustellen für die Olympischen Winterspiele in Antholz und Cortina aus Sicht der Umwelt zu berichten?
Die WM und Olympischen Winterspiele bringen durch den intensiven und extensiven infrastrukturellen Ausbau die Zerstörung von Naturschutzgebieten, Entwaldung, Auslösung und Beschleunigung von Naturgefahren und Wasserkonflikte mit sich. Der Ausbau hat komplexe Auswirkungen, da er den Neubau von fast allen olympischen Stätten umfasst in einem Zeitalter, wo es eigentlich keine ökologisch vertretbare Standorte mehr gibt: duzende von neue Speicherbecken, neue Wasserfassungen aus den Bächen, Quellen und Grundwasser, neue Alpine-, Langlauf- und Biathlon Pisten, Pistenerweiterungen, neue Lifte, ein neuer Schießstand, eine neue Sprungschanze (gleich hoch, steil und lang wie die Alte in nur 200 m Abstand!), neue Bobsleigh-Bahn, neue Straßen, neue Fußgängertunnel, neue Parkplätze, Neubau von olympischen Dörfer und Service Gebiete. Es bleibt kein Stein mehr auf dem anderen! Überall muss die Natur weichen, selbst dort wo sie eine wichtige Rolle für die Resilienz gegen Naturgefahren spielt. An vielen Stellen haben die neuen Infrastrukturen bereits Rutschungen und Erosion ausgelöst. Es ist nur eine Frage der Zeit bevor sich die Natur rächen wird!

Begehung Speicherbecken Ried: Albert Willeit, Ruth Heidingsfelder,
Marlene Roner, Carmen de Jong, Elisabeth Brunner,
Franz Josef Hofer und Maurizio Ventura (v.l.).

Beim Ausbau der Olympischen Spiele werden Kernzonen von Naturschutzgebieten, wie zum Beispiel Teile des Dolomiti UNESCO Weltnaturerbes zerstört. In Tesero wurde der unter strengem Naturschutzstatus stehender Uferbereich Lago entlang des Aviso Flusses aufgehoben um eine Pumpstation für die Beschneiung zu ermöglichen.
Mit Antholz und Cortina verbinde ich Gefahren, Gefahren und noch mehre Gefahren! Muren, Lawinen, Rutschungen, alles ist im Spiel. In Cortina liegt die olympische Abfahrtspiste auf einer 3 km langen und 60 m aktiven Rutschung, die sich im Schnitt 2 m pro Jahr talabwärts bewegt. Die Rutschung besteht zwar schon, wurde aber durch den flächenhaften Hangumbau und vielen Drainagen (Pisten, Straße etc) beschleunigt. Unter diesen Umständen hätte man niemals eine alpine Skipiste bewilligen dürfen. Um der ständigen Gefahr der Verschiebung der Liftpfeiler entgegenzuwirken, hat man diese auf verschiebbare Schienen gesetzt. Das ist natürlich nur eine Scheinlösung, denn gegen eine Beschleunigung dieser Bewegung hilft dies nicht.
Auch die Bobsleighbahn wird auf einer aktiven Rutschung ganz neu gebaut. Dabei wurde nicht nur – wider der offiziellen Pläne – der ganze Wald in- und um die Bobsleighbahn entholzt, sondern es müssen ca. 10 m tiefe Bohrungen in Untergrund gerammt werden um die Pfeiler der Bobsleighbahn in die Rutschmasse besser zu verankern.
Der Klimawandel wird im großen Maßstab bekämpft, zum Beispiel werden die Liftpfeiler in den oberen Lagen in Cortina künstlich im Untergrund eingefroren um damit dem Permafrosttau entgegen zu wirken. Sowohl die Pisten als auch die Bobsleighbahn und das Eislaufzentrum benötigen große Mengen Wasser zur Beschneiung bzw. Kühlung, die laut Berechnungen, höchst wahrscheinlich unzureichend sein werden. Um genügend Wasser im Vorfeld zu speichern, soll das bestehende Speicherbecken in Cortina von 90.000 m3 auf 150.000 m3 verdoppelt werden. Obwohl es auf 1.600 Höhenmetern liegt, ist aufgrund des Karstgebietes kein Oberflächenwasser vorhanden. Ein Speicherbecken ist hier fehl am Platz.
Abgesehen von dem hohen Wasserbedarf, der entgegen des natürlichen Wasserkreislaufes der Natur entnommen wird, kommt es zu einem sehr hohen und immer weiter steigenden Energiebedarf im Zusammenhang mit der Beschneiung und Beförderung der Liftanlagen. Zudem muss das Wasser aus den Speicherbecken erst auf 4°C runtergekühlt werden, bevor es in die Beschneiungsanlagen kommt, so dass manche Speicherbecken, die ich besucht habe, bereits acht Kühltürme haben! Wir sehen nur die Spitze der Pyramide, denn in Wirklichkeit benötigt die Beschneiung mittlerweile den Löwenanteil der Energie. Das Hochpumpen des Wassers über hunderte von Höhenmetern zur Füllung der Speicherbecken ist dabei das Energieaufwendigste. Der Energiebedarf im Zusammenhang mit den Bau der vielen neuen Speicherbecken ist um ein vielfaches gestiegen aber oft reicht die lokale Energieproduktion gar nicht mehr aus, um dies zu decken.

Wie könnte Wintersport, Ihrer Meinung nach, in Zukunft aussehen?
Der Wintersport der Zukunft sollte schneeunabhängig entwickelt werden und mit anderen Sport- und Erholungsarten, die von der eigenen Motorik abhängen, ergänzt werden. Skifahren sollte nur dann stattfinden, wenn natürlicher Schnee vorhanden ist. Skifahren sollte auf keinen Fall von der Beschneiung und seiner grenzenlos auswuchernden Infrastrukturen abhängig sein, welches die größte Fehlanpassung aller Zeiten ist! Es sollten Sport- und Erholungsarten entwickelt werden im Einklang mit der Saison, mit den verfügbaren natürlichen Ressourcen und mit den natürlichen Kreisläufen. Direkte als auch indirekte Umweltzerstörung muss vermieden werden. Der Wintersport sollte sich vor der Umweltethik verantworten können. Wie kann man rechtfertigen, dass einer der wichtigsten Auerhahnbalzplätze auf dem Kronplatz und in Südtirol für ein ödes, steriles, hochverzäuntes und unbetretbares Speicherbecken weichen musste? Kann nicht mit Verzicht, Entschleunigung und Neuerfindungen der Weg zu einer neuen Wertschöpfung im Winter gefunden werden? Bei der zukünftigen Entwicklung des Wintersports muss die Stimme der lokalen Bevölkerung gehört werden und ihr Mitspracherecht gewährleistet sein.

Expert:innengespräch mit Vertreter:innen des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz
mit Prof. Carmen de Jong über Vor- und Nachteile und die korrekte Vorgehensweise
bei der Planung von Speicherbecken in Kaltern.

Erst vor kurzem wurde im Vinschgau die Aufnahme des traditionellen Bewässerungssystems der Waale in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes gefeiert. Dieses jahrhundertealte Bewässerungssystem wird noch immer praktiziert. Wie könnten zukünftige Bewässerungssysteme aussehen?
Die Waalbewässerung hat sehr viele Vorteile und ist sehr nachhaltig. Sie benötigt weder Energie, noch Wasserspeicher. Sie funktioniert mit und nicht entgegen der Natur und dem natürlichen Wasserkreislauf. Sie ist auch optimal an die Saisonen angepasst. Die Malser Haide im Vinschgau wird chronologisch in vier Teilen nach Wasserverfügbarkeit bewässert und nicht auf einen Schlag auf den gesamten Pistenflächen wie bei der Beschneiung. Nach meinen Berechnungen wird im Wallis ca. 10-mal mehr Wasser pro Hektar aus den Schneekanonen auf den Pisten beschneit als Wiesen aus den Sionen (Waalen) bewässert. Wenn weniger Wasser vorhanden ist, zum Beispiel während Dürren, wird weniger bewässert und das Wasser wird nicht so wie bei der Beschneiung bis zum letzten Tropfen aus allen möglichen Quellen entnommen, ohne dabei das Restwasser zu respektieren. Die Waalbewässerung ist zeitlich flexibel, je nach hydrologischen Gegebenheiten kann sie früher beginnen oder länger anhalten.
Zukünftige Bewässerungssysteme könnten sich an dieses Modell gut anlehnen. Die Waalbewässerung funktioniert auf der Basis der Schwerkraft und benötigt deshalb keine Pumpen und hat damit auch keinen CO2 Ausstoß und ist klimaneutral. Das Wasser erwärmt sich langsam und erreicht die Pflanzenwurzeln direkt in der Erde mit einer erträglichen Temperatur im Gegensatz zum kalten Wasser, das direkt aus den Sprühköpfen kommt. Im Unterschied zu den Sprühsystemen, die einer hohen Verdunstung ausgesetzt sind, ist die Waalbewässerung sehr wassersparsam, denn es gibt kaum Verdunstung. Dies ist unter den heutigen Dürrebedingungen sehr vorteilhaft. Die gemäßigte Wurzelbewässerung hält die Erde optimal zusammen und schützt sie damit vor Bodenerosion. Das System ist auch extrem nachhaltig, da es durch die gemäßigte Sedimentzufuhr im Wasser gleichzeitig die Wiesen auf natürlicher Weise mit Mineralien und organischen Stoffen düngt. Das Waalensystem begünstigt, durch die große Anzahl der Kanäle, eine Vielfalt an Fauna und Flora und steigert damit nicht nur die Biodiversität der Wiesen, sondern auch die der Hecken und unterstützt eine Vielfalt an Vogelarten entlang der Waale.
TL