Der „Edenhof“ in Oberwielenbach wurde durch ein Projekt der Sommerbetreuung von der Sozialgenossenschaft SOMNIAS zu neuem Leben erweckt. Einst war der „Edenhof“ eine Katakombenschule für die Kinder von Oberwielenbach, jetzt können dort Kinder und Jugendliche ihre Ferien verbringen und das Leben auf einem Hof kennenlernen.
Wie ist die Idee zum außergewöhnlichen Projekt „Edenhof“, der vor kurzem eröffnet wurde, entstanden?
Lukas Zimmerhofer, Obmann von SOMNIAS: Wir haben als Sozialgenossenschaft SOMNIAS Anfang 2024 begonnen eine Struktur zu suchen, wo wir die Sommerbetreuung ausweiten können und sind so auf den Edenhof in Oberwielenbach gestoßen. Bereits das erste Gespräch mit dem Hofbesitzer, Huber Mair, ist sehr positiv verlaufen und die anfängliche Idee war, den alten Hof für die Sommerbetreuung herzurichten. Doch meistens kommt es anders, als gedacht und beim Aufräumen des Hofes war bald klar, dass in diesen alten Gemäuern mehr investiert werden muss, als anfänglich gewollt. Mit einem Video haben wir auf den sozialen Netzwerken auf unser Projekt aufmerksam gemacht und die Menschen um ihre Mithilfe gebeten und diese auch bekommen. Die Renovierung des Hofes wurde zum eigenen Projekt, das viel Zeit und Tatkraft beansprucht hat und zum Beweis dafür wurde, dass Gemeinschaft und Engagement Großes bewirken können. Zahlreiche ehrenamtliche Stunden und die Unterstützung von über 50 Helfern:innen und Firmen waren für die Renovierung des Hofes notwendig. Dieser Kraftakt der Gemeinschaft zeigt eindrucksvoll, dass die Stärke im Miteinander liegt.
Können Sie uns einen Einblick in dieses neue Projekt von SOMNIAS geben?
Zwar befinden sich die detaillierten Konzepte des Hofes noch in der Ausarbeitung, aber die Grundidee steht fest: Der Hof soll ein Ort der Gemeinschaft sein, wo generationsübergreifende Interaktionen stattfinden und Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen zusammenkommen können.
Eine Säule bildet dabei die ehrenamtliche Hilfe, mit der der Edenhof überhaupt erst aufgebaut werden konnte. Deshalb können sich ehrenamtliche Vereine melden und den Hof für sich und ihr Vorhaben kostenlos nutzen. Eine weitere Säule sind Kinder und Jugendliche, sie stehen im Mittelpunkt des Projekts. Für sie bietet der Hof vielfältige Betreuungsmöglichkeiten, besonders in den Sommermonaten. Dazu kommen Menschen mit Beeinträchtigungen, die barrierefreie Zugänge und passende Angebote vorfinden, die ihnen die Nutzung des Hofes ermöglichen. Auch Senioren können den Hof als Ort der generationsübergreifenden Begegnung und Aktivität erleben, wodurch er zu einem lebendigen Treffpunkt für Jung und Alt wird. Nach dem Motto ‘Von den Menschen – für die Menschen‘ soll der Edenhof für alle zugänglich sein und zu einem Ort des Lernens, der Begegnung und der Naturverbundenheit werden. Wir bitten um eine Anmeldung über die Website des Projekts, um die Nutzung zu koordinieren.
Worin unterscheidet sich dieses Projekt von anderen Angeboten für Kinder und Jugendlich?
Wir verfolgen eine offene und freie Art und Weise unser Leben zu gestalten und so mit den Kindern und Jugendlichen den Tag zu verbringen. Das heißt im Konkreten, dass kein fixes Programm abgearbeitet wird, sondern sich die Kinder selber einbringen und selbst bestimmen können, was sie machen möchten. Wir legen den Fokus da auf das Interesse der Kinder und dafür haben wir verschiedene Stationen eingerichtet: die Kinder und Jugendlichen können selbst entscheiden, ob sie kochen, basteln, garteln oder sich handwerklich beschäftigen möchten. Dabei werden sie von unserem Betreuerteam begleitet. Wichtig ist uns ein geschlossener Kreislauf: So wird bei uns auf dem Hof zum Beispiel alles, was gegessen wird, auch selbst angebaut und gekocht.
Wie lange können die Kinder in diesem Sommer, auf dem „Edenhof“ bleiben?
Das Angebot erstreckt sich über sieben Wochen und kann wochenweise gebucht werden. Das heißt konkret ein Kind kann sieben Wochen die Sommerbetreuung in Anspruch nehmen oder auch nur für eine Woche bleiben. Die Kinder können bei uns übernachten oder werden von unseren Betreuern:innen von St. Lorenzen oder von Welsberg aus, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nach Percha begleitet und dort mit einem Bus zum Hof gefahren. Die Altersgruppe der Teilnehmer:innen liegt zwischen vier und 14 Jahren. Die Gruppengröße variiert von 15 bis 22 Kindern und Jugendliche, die von acht Betreuer:innen begleitet werden. Infos für die Sommerbetreuung finden Interessierte unter: kits.somnias.it.
Am 6. Juli fand die offizielle Eröffnung der Einrichtung statt. Lassen Sie uns daran teilhaben?
Der Eröffnungstermin konnte eingehalten werden, allerdings waren die Vorbereitungen, wie erwähnt, sehr zeit- und arbeitsintensiv und wir waren am Vorabend noch bis 22 Uhr am Hof beschäftigt. Der Eröffnungstag war dann sehr schön und gut besucht: Es sind an die 200 Besucher:innen gekommen, die sich für unser Konzept und natürlich den Hof und seine Räumlichkeiten interessiert haben. Dabei waren neben Privatpersonen und Eltern auch Vertreter:innen von Organisationen, Verbänden und sozialen Strukturen sowie aus der Politik gekommen.
Um den Hof zu renovieren haben viele freiwillige Hände mitgeholfen. Wie wurde dieser Aufbau organisiert?
Wie gesagt konnten wir auf sehr viele freiwillige Helfer:innen bauen, ohne diese gäbe es keinen Edenhof in dieser Form. Dafür möchte ich mich bei allen nochmals bedanken. Viele Fachleute haben uns ihr know how zur Verfügung gestellt: Elektrik-, Hydraulik- und Maurerarbeiten haben sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Insgesamt wurden über 3.700 ehrenamtliche Stunden von freiwilligen Helfer:innen geleistet. Der Hof verfügt über eine Küche, ein großes Bad, zwei Stuben, zwei Zimmer für die Kinder, ein Betreuerzimmer und eine Oberstube. Dazu kommt noch ein großer Garten.
Von wem und wie wird der „Edenhof“ jetzt und in Zukunft geführt werden?
Der „Edenhof“ wird von der Sozialgenossenschaft SOMNIAS geführt, die 2019 hauptsächlich für die Sommerbetreuung gegründet wurde. Ich, mein Bruder Markus, mein Vater Alois und Cassian Sieder sind die Gründungsmitglieder der Sozialgenossenschaft. Ansonsten gibt es noch weitere neun Mitglieder in der Sozialgenossenschaft, die das ganze Jahr tätig sind und wir beschäftigen ca. 160 Mitarbeiter:innen über den Sommer. Der Edenhof wurde für zehn Jahre vom Hofbesitzer, Hubert Mair, angemietet.
Geschichte des „Edenhofes“
Laut dem Hofbesitzer, Hubert Mair, gibt es 1684, eingeritzt in ein Holzbrett, den ersten historischen Beleg für den “Edenhof“ in Oberwielenbach und auch die Familie Mair kann als Hofbesitzer bis in diese Zeit zurückverfolgt werden. „Diese alte Hofstelle, mit Stall und Wohnhaus, stand damals neben dem heutigen Gebäude, das um 1850 errichtet wurde und von SOMNIAS für die Sommerbetreuung genutzt wird“, erzählt der Hofbesitzer, der noch in diesem Hof bis 2005 mit seinen Eltern und Geschwistern gewohnt hat. Der Hof ist weitgehend noch im Originalzustand: „Es sind keine großen Umbauarbeiten vorgenommen worden, lediglich das alte Schindeldach und die Küche sind ausgetauscht worden“, erklärt Hubert Mair, der auch die Namensgebung des Hofes kennt: „Der Name „Edenhof“ stammt von Einödhof – Hof in der Einöde. Auch eine Kapelle vom 1870, die der Muttergottes geweiht ist, gehört zum Hof.“ Der Bauer und Bildhauer erinnert sich auch, dass in der Zeit des Faschismus auf dem Hof Kinder in Deutsch unterrichtet wurden: „Es war eine Katakombenschule“! Auch habe Hubert Mair von einem Archäologen erfahren, dass direkt beim Haus ein alter „Übergang“ – ein Durchzugsweg – zwischen Tesselberg und Oberwielenbach vorbeiführt, der in früherer Zeit als Verbindungsweg aus dem Ahrntal genutzt wurde.
Hubert Mair wohnt heute am „Edenhof“ im Neubau mit seiner Familie, betreibt eine Landwirtschaft mit Mutterkuhhaltung sowie Kleintieren und arbeitet auch als Bildhauer. „Das alte Haus stand länger leer, es gab zwar einige Anfragen, den alten Edenhof als Ferienhaus zu mieten, aber das war für mich nicht stimmig. Als dann Lukas Zimmerhofer mit der Kinderbetreuung auf mich zukam, sind wir uns schnell einig geworden, weil mich dieses Konzept überzeugt hat. Ich finde die Jugend soll unterstützt werden. Die Kinder der Sommerbetreuung sind auch schon hier und auf dem Hof ist es lebendig geworden“, schließt Hubert Mair.
TL