Was Ladinische Tradition ausmacht und wie sie heute gelebt wird zeigen Einheimische in einem Projekt, das mit dem Titel „Nos Ladins – Wir Ladiner“ den Nagel auf den Kopf trifft. „Wir Ladiner“ sind zwei Frauen und fünf Männer, die ihren Beruf vorstellen und uns verraten, was es für sie heißt, Ladiner zu sein.
Niemand kann besser eine Geschichte erzählen, als der, der mit dieser Geschichte aufgewachsen ist und sie selbst lebt. Diesem Motto haben sich Ossi, Roberto, Andrea, Matteo, Manuel, Anita, Anna Maria und Igor verschrieben. Sie sind Ladiner und wollen ihre Ladinischen Traditionen mit anderen teilen.
Bauer sein
Ossi und Robert Rottonara sind zwei junge Bauern aus La Ila, die sich auf dem heimatlichen Hof, dem „Jäck’s Hof“, wie er im Gadertal genannt wird, um ihre Tiere kümmern und inmitten der Natur leben. Die 20 Milchkühe und an die 15 Jungtiere müssen versorgt und die Wiesen gemäht werden. Wie diese Arbeiten heute mit modernsten Geräten verrichtet werden, zeigen die beiden Burschen an drei Terminen: am 12. und am 21. August sowie am 4. September. „Die Teilnehmer helfen uns beim Heuarbeiten, sehen zu, wie gemäht und anschließend das Heu in das Futterhaus gebracht wird. Zudem zeigen wir wie Zäune nach alter Tradition reparieren werden oder wie die Tiere im Stall gemolken und versorgt werden“, erzählt Ossi Rottonara. Heute würde im Tal und auch auf der Alm alles mittels Maschinen erledigt, früher war das anders, erzählt der Jungbauer. „Das Gras wurde noch mit Hand gemäht, anschließend das Heu auf der Alm in Hütten gelagert und im Winter mit dem Schlitten ins Tal gebracht. Das war eine sehr beschwerliche Arbeit, die uns heute die Maschinen wesentlich erleichtern. Selbst die Heutrocknung ist heute mit einer eigenen Anlage möglich, das ist sehr interessant“, berichtet Ossi Rottonara. „Es ist sinnvoll, dass den Menschen klar wird, dass es nicht selbstverständlich ist, dass alle Wiesen, selbst jene hoch oben, gemäht werden. Wenn wir diese Arbeit nicht machen würden, würde die Landschaft nicht in dieser Form erhalten bleiben, sondern zunehmend verwildern“, sagt Ossi Rottonara. Mit diesem Projekt wollen die beiden Jungbauern auf ihr kostbares Kulturgut aufmerksam machen.
Alles Handarbeit
Im Handwerksatelier der Schneiderin und Modedesignerin Anita Vittur in San Cassiano dürfen die Besucher nicht nur schauen, sondern selbst Hand anlegen. „Gemeinsam nähen wir eine Kissenhülle, die mit Heu oder mit Zirbenspänen gefüllt wird und wenn jemand schon Erfahrung im Nähen hat, nähen wir auch den Leinen- oder Baumwollüberzug für dieses Kissen“, beschreibt Anita Vittur ihre handwerklichen Fähigkeiten, die sie mit den Gästen teilen möchte. Zudem zeigt die Handwerkerin, was sie sonst noch in ihrer Schneiderei kreiert. Dazu gehört auch die traditionelle Tracht des Gadertals, die im Atelier als Ausstellungsstück zu sehen ist. „Unsere Tracht ist geprägt von sehr kräftigen Farben und wurde von jener des Pustertals stark beeinflusst. Die Schürze ist dunkelblau und die Trachtenjacke ist normalerweise schwarz. Ich habe aber eine Tracht, wo die Jacke grün ist, was eine Besonderheit darstellt, weil diese Farbe bei sehr frühen Trachten verwendet wurde. Solche grünen Jacken sieht man heute zum Beispiel nur noch in Museen. Eine Tracht zu nähen erfordert sehr viel Handarbeit ca. an die 70 Stunden und jedes Kleid erzählt eine eigene Geschichte: So waren zum Beispiel die alten Modelle der Tracht nicht genau in der Taille geschnitten, sondern gleich unter der Brust, damit die Tracht auch während der Schwangerschaft getragen werden konnte“, weiß Anita Vittur. Weil sie die Verbundenheit von Mensch und Natur unterstreichen und die Wurzeln ihrer Tradition weitergeben möchte, hat sich Anita Vittur entschieden bei diesem Projekt mitzumachen und so ihren Beitrag zu leisten. Die Schneiderin kann noch am 4. und 25. August, sowie am 8. September in ihrem Atelier besucht werden.
Küche erleben
Wo man heimische Kräuter findet und wie sie anschließend in der Küche Gebrauch finden zeigt der Gourmetkoch und Hotelbesitzer Andrea Irsara. Bei einer Wanderung durch Ladinische Wälder und Wiesen gibt der Koch sein reiches Wissen über die Tradition der Ladinischen Küche weiter, das er von seinen Eltern gelernt hat. „Wir sammeln zum Bespiel Girsch, Spitzwegerich, wilden Thymian oder guten Heinrich. Diese Kräuter sind momentan zu finden und eignen sich sehr gut für die heimische Küche“, sagt der Gourmetkoch. Wichtig sei ihm seine Kultur weiterzugeben: „Es soll nicht nur eine Kräuterwanderung sein, sondern ich versuche den Besuchern auch die Geschichte der Ladinischen Küche, die ich von meinem Papa und meiner Oma gelernt habe, mitzugeben. Dafür habe ich alte Rezepte meiner Oma ausgegraben und sie so verfeinert und daran getüftelt, dass die Tradition erhalten bleibt, aber der neue Zeitgeist des Kochens mit eingebunden wird. Die Menschen sollen nicht nur bei uns essen, sondern in die Ladinische Küche und ihre Besonderheiten eintauchen mit einem Menschen, der hier aufgewachsen ist und hier lebt“, beschreibt Andrea Irsara seine Motivation beim Projekt „Nos Ladins“ mitzumachen. Der Koch wird noch am 7. und am 27. August seine Geheimnisse bei einer Kräuterwanderung preis geben.
Heimkehren
Der junge Bauer Matteo Piccolruaz vom Alfarei Hof betreibt einen Milchviehbetrieb mit eigener Nachzucht in Abtei. Anlässlich des Almabtriebs in Badia am 20. September von der Großfanesalm aus wird der kundige Jungbauer den Zug begleiten, sollten es die Wetterverhältnisse und auch die Coronapandemie erlauben. Mit Schurz, Hut und Stock ausgerüstet können die Teilnehmer einen traditionellen Almabtrieb miterleben und mitwandern. Matteo Piccolruaz wird über die im Gadertal heimischen Rinderrassen wie die Schwarzbunte, das Fleckvieh, das Pinzgauer Rind und die Pustertaler Sprinzen berichten und die Gäste in die Besonderheiten der Ladinischen Landwirtschaft einweihen. „Wenn kein Vieh während des Sommers auf der Alm abstürzt und der Almsommer gut verläuft wird die schönste Kuh mit Kranz und Glocke ausgestattet werden, ansonsten erhält die Leitkuh keinen Kranz, nur eine Glocke“, erzählt der Jungbauer. Die Ladinischen Traditionen von Generation zu Generation weiterzutragen hält Matteo Piccolruaz für sehr wichtig. „Unsere Vorfahren haben auf unseren Höfen sehr hart gearbeitet und uns ein unbezahlbares Stück Heimat hinterlassen. Jetzt liegt es an unserer Generation diese Tradition zu erhalten und zu pflegen, schon aus Respekt unseren Vorfahren gegenüber. Und der Almabtrieb ist so eine besondere Tradition, die von unserer Ladinischen Tradition zeugt“, hält Matteo Piccolruaz fest. Für ihn ist die Ladinische Muttersprache und die Verbundenheit zur Natur ausschlaggebend für die Ladinische Kultur.
Drei Fragen an die Projektverantwortliche Silvia Crepaz
Puschtra: Welche Idee steckt hinter der Initiative „Nos Ladins – Wir Ladiner“?
Silvia Crepaz: Wir wollten, dass unsere Gäste an unserer Kultur und Lebensweise teilhaben. Das geschieht dadurch, dass der Besucher die Möglichkeit hat das Gebiet oder das Handwerk mit einem Einheimischen zu erleben. Wir möchten unsere Authentizität und Besonderheit vermitteln, denn der Gast sucht nach dieser Coronapandemie mehr denn je echte und authentische Erfahrungen und diese versuchen wir durch dieses Projekt anzubieten. Dazu haben wir uns gefragt, was uns Ladiner eigentlich ausmacht. Ladiner zu sein, heißt nicht nur eine besondere Kultur und eine besondere Sprache zu haben, sondern viel mehr. Es heißt zum Beispiel an einem Sonntagmorgen auf unseren Bergen einen Sonnenaufgang zu genießen oder an besonderen Gelegenheiten spezielle kulinarische Gerichte zu kochen – das wollen wir vermitteln.
Welche Tätigkeiten sind typisch für das Gadertal?
Wir haben uns für Protagonisten entschieden, die sei es in der Ausübung ihres Berufes, aber auch als Persönlichkeit sehr verschieden sind, um uns Ladiner vorzustellen. Diese verschiedenen Persönlichkeiten sollen die typische Lebensweise und die vielfältigen Facetten unserer Kultur widerspiegeln. Wir haben unter anderen zum Bespiel zwei junge Bauern, eine Handwerkerin und eine Köchin, die typische Ladinische Gerichte kocht.
Wie wird das Projekt von den Gästen angenommen?
Die Anmeldung in den Tourismusbüros ist verpflichtend und begrenzt auf vier Teilnehmer. Aufgrund dieser kleinen Anzahl der Besucher wird die Erfahrung entsprechend intensiv und exklusiv sein. Bis jetzt hatten wir ein gutes Feedback und wir hoffen, dass es im August gut weitergeht. (TL)
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