St. Martin in Gsies – Einfach abreißen kam für Helene Kargruber und Werner Indrist nicht in Frage. Dem jungen Paar, das den Preindlerhof in St. Martin in Gsies bewirtschaftet, war das alte Wirtschaftsgebäude viel zu schade dafür. Was sie nun daraus gemacht haben, ist ein wahres Charakterstück mit echtem Heustadel-Feeling.
Im Herbst letzten Jahres war Baubeginn. Die Sanierung des alten Wirtschaftsgebäudes des traditionsbehafteten Preindlerhofes unweit des Dorfzentrums von St. Martin in Gsies sollte nur wenige Monate in Anspruch nehmen. Und eigentlich ging alles ganz reibungslos vonstatten, noch vor Weihnachten konnte das Dach fachmännisch fertiggestellt werden. Doch dann kam alles anders als geplant. Corona machte den jungen Bauherrn Helene und Werner einen Strich durch die Rechnung. Fast sechs Wochen kompletter Baustillstand – das erfordert schon einiges an Geduld und erneuten Kalkulationen. Vor allem die Ungewissheit und die absolut neue Situation waren belastend für alle Beteiligten des interessanten Sanierungsprojektes. Als das große Unterfangen dann endlich wieder weitergehen konnte, wurde richtig losgelegt. „Auch wenn noch nicht alles gänzlich fertiggestellt war, konnten wir am 11. Juli dann doch noch planmäßig unsere vier neuen Haylofts im sanierten Wirtschaftsgebäude eröffnen“, sagt Helene erleichtert. Was also nächster Zukunft noch dazukommen wird, sind ein großzügiger, lichtdurfluteter Aufenthaltsraum mit Spielecke und Kaffemaschine sowie ein liebevoll eingerichteter Kleinstall, der als Streichelzoo vor allem den kleinsten Gästen als Erlebnisfundus dienen soll.
Herrliche Lage
Ganz klar: Der Preindlerhof inmitten sattgrüner Wiesen ist per se schon einen Besuch wert. Doch darüber hinaus befindet sich dieser noch in einer der schönsten Lagen, die man sich nur wünschen kann. Denn das weite und sonnige Gsiesertal punktet bei Gästen und Einheimischen das ganze Jahr über mit seiner bezaubernd malerischen Naturlandschaft, die sich perfekt dazu eignet, um sich darin zu erholen und entspannen. Imposante Berge, weite landwirtschaftlich genutzte Flächen und blumenreiche Almen prägen sein Landschaftsbild. Neben der ursprünglichen Landschaft hat das Hochpustertaler Seitental aber auch schöne Ortschaften zu bieten, die reich an Geschichte und Tradition sind. Das Gemeindegebiet von Gsies erstreckt sich ab Taisten über Pichl und den Hauptort St. Martin bis hinein nach St. Magdalena am Talschluss und reicht von 1191 Metern bis hinauf auf 2837 Meter über den Meeresspiegel. Seit jeher besticht Gsies vor allem durch seine Ursprünglichkeit: Alte Gehöfte, einsame Weiler und interessante Kulturdenkmäler sind hier genauso zu finden wie traditionelles Handwerk, religiöse Tradition und ein starkes Vereinsleben. Dieses Alte zu erhalten, und daraus etwas Neues, Innovatives entstehen zu lassen, waren Helene und Werner bei der Sanierung des Wirtschaftsgebäudes bemüht. Es einfach abzureißen und etwas Neues aufzustellen, wäre mit Sicherheit einfacher gewesen. „Zugegeben, die Sanierung war aufwändig. Schließlich ist die gesamte Hülle des Futterhauses stehen geblieben und wir mussten uns vor allem beim Innenausbau zu hundert Prozent auf die Gegebenheiten anpassen“, erklärt Werner. Dies ist aber auch zu hundert Prozent gelungen, denn was entstanden ist, entspricht nun voll und ganz ihren Erwartungen: „Wir wollten kein zweites Haus, es war uns wichtig, dass die Hofstelle ihren Charakter behält und dass das Wirtschaftsgebäude trotz der neuen Nutzungsform als Ferienapartmenthaus weiterhin aussieht wie ein richtiger Stadel.“
Die Geschichte des Hofes
Ursprünglich war der Preindlerhof in St. Martin in Gsies eines von zwei Arbeiterhäusern des Preindlergutes. Dieses setzte sich aus den Nachbarhöfen Mudler und Rauter zusammen. Durch den Zukauf von Grundstücken entstand aus dem ehemaligen Arbeiterhaus ein eigener Hof. Um 1750 hieß der Hof noch „Schüssler“, da der damalige Besitzer eine Schüsseldrechselei ausführte. 1863 wurde der Name Schuster erstmals erwähnt, weshalb der heutige Preindlerhof von den Einheimischen heute noch Schuster genannt wird. 1963 stellte der Vater des Seniorbauern Josef Kargruber das Wirtschaftsgebäude neu auf. 1971, nach dem frühen Tod seines Vaters, übernahm Josef im Alter von nur 18 Jahren den Hof und bewirtschaftete ihn als Milchviehbetrieb. 1980 errichtete er das Wohnhaus neu. 2013 übernahmen seine Nichte Helene Kargruber mit ihrem Ehemann Werner den Hof und sanierten einen Teil des Wohnhauses. Neben der eigenen Wohnung errichteten sie auch eine Gästeferienwohnung, in der sie seit 2014 Gäste beherbergen. „Die Idee, Urlaub auf dem Bauernhof anzubieten, ist sozusagen über Nacht entstanden“, lacht Helene. Da die ersten Versuche aber ausgesprochen gut liefen, ist die Idee gereift, weiter in diese Richtung zu arbeiten. 2016 baute das junge Paar etwa fünfzig Meter von der eigentlichen Hofstelle entfernt ein neues Wirtschaftsgebäude mit geräumigem Laufstall. Das vor allem aus dem Grund, weil sie von der Milchviehhaltung zur Mutterkuhhaltung umstellen wollten und aus dem gesamten Betrieb aus persönlicher Überzeugung einen Bio-Bauernhof machen wollten. Heute verbringen hier zwölf Mutterkühe mit ihren Kälbern und ein Stier ihren Hof-Alltag, im Sommer dürfen alle auf die Alm. Das alte Wirtschaftsgebäude stand seitdem leer. 2019/20 sanierten Helene und Werner dieses und errichteten dort die neuen Hayloft Apartments, in denen seit kurzem Menschen aus Nah und Fern ihre Seele baumeln lassen.
Natürlichkeit war oberstes Prinzip
Der Urlaubsgast von heute wünscht sich keine artifiziellen Dekorelemente, die womöglich an ein Märchen aus tausendundeiner Nacht erinnern. Vielmehr sucht er nach Authentizität. Genau diese war auch den Bauherrn von Beginn an wichtig. „Wir haben darauf geachtet, dass das „Futterhaus-Feeling“ erhalten bleibt. Deshalb haben wir auch den Eingangsbereich ganz unverändert gelassen“, erklärt Helene. So geht jeder, der in eines der vier Haylofts gelanden will, durch die originale Stadeltür hindurch und gelangt in einen Eingangsbereich, der hoch bis zum Dach blicken lässt; hier befindet sich auch eine Heuhüpfbox mit Kletterwand für Kinder. Vom einladenden Eingangsbereich ausgehend gelangt man in die lichtdurchfluteten Ferienwohnungen, die allesamt nach Süden hin ausgerichtet sind. In kompletter Holzbauweise wurde hier ein kleines Ferienparadies errichtet, in dem „alte Sachen erhalten wurden, und neue Sachen ergänzend hinzugefügt wurden“, so wie Helene es treffend beschreibt. So wurden beispielsweise die Außenwände zur Gänze erhalten, genauso wie die alte Mauer im Erdgeschoss, die früher als Stalleinfriedung diente. Neu gemacht wurden die Balkone, die ganz bewusst als neue Elemente eingesetzt wurden, denn es war den Bauherrn wichtig aufzuzeigen, dass Neues neben Altem wunderbar bestehen und harmonieren kann. Natürlichkeit, Ehrlichkeit und Authentizität sind eben nicht nur Schlagwörter, sondern wichtige Werte. Das war den Bauherren bewusst, weshalb sie auch die Inneneinrichtung der Haylofts schlicht, natürlich und hochwertig einrichten ließen.
Effektvoll: die Materialkombination
Innen überrascht eine konsequent durchgezogene Materialkombination aus Fichtenholz, Naturstein und Lodenstoffen – heimelig und doch sehr modern. Für die Bauherren waren diese „lebendigen“ Materialien von Vornherein wichtig. Aus diesem Grund wurde auch besonderes Augenmerk auf die Oberflächenstrukturen gelegt: „Der Fußboden ist überall aus Eichenholz, die Wandverkleidung aus Fichtenholz, letzteres zum Teil sogar aus dem eigenen Wald. Das Holz ist nur leicht gebürstet und gedämpft, sonst gänzlich unbehandelt“, so Helene. Und auch beim Mobiliar ist in den Haylofts Holz tonangebend, sogar die Küche ist mit Vollholzmöbeln eingerichtet. Hier kommt die Struktur besonders gut zur Geltung und bildet einen effektvollen Gegensatz zum Naturstein, der in Küche und Badezimmern verwendet wurde. Sorgfältig ausgewählt wurden auch die Textilien. Auch hier wiederum finden sich nur Naturmaterialien wie Loden und Baumwolle in den verschiedenen Grautönen. So tragen die Haylofts innen wie außen eine einheitliche Handschrift, das Einrichtungskonzept ist sich in jedem Raum treu geblieben. Auch das ist nämlich ein großes Thema in den Haylofts: Man will dezent, unkompliziert und zurückhaltend auf den Gast einwirken. Dieser sucht heutzutage nämlich nicht nur ein schönes Refugium auf Zeit, sein Urlaub soll im Idealfall auch richtig stimmungsvoll sein. Das viele Licht und die hochwertigen Textilien, helfen in Haylofts, jene Atmosphäre zu schaffen, die der Gast von heute sich wünscht.
Mit Liebe zum Detail
Ist das Handtuch auch schön kuschelig und kommen Joghurt, Butter und Marmalade im Frühstückskistl von heimischen Milchbauern? Die Liebe zum Detail ist es, die den Preindlerhof in St. Martin in Gsies besonders auszeichnet, und sie ist es auch, die die neuen Haylofts zu einem Lieblingsurlaubsort vieler Gäste macht. Die wunderschöne Hofmappe, hofeigene Produkte, der gepflegte Kräuter- und Gemüsegarten, die vielen Angebote für Kinder, die gelungene Dekoration und frische Wiesenblumen auf dem Tisch – all das drückt doch sehr viel über die Gastgeberfamilie aus. Diese kleinen Details sind es meist, die wie das Tüpfelchen auf dem i die Wohlfühlatmosphäre richtig abrunden. Und nicht nur das, auch das Thema Nachhaltigkeit ist nicht zu kurz gekommen: das Verständnis für Authentizität und Umwelt ist aus der Materialauswahl der Inneneinrichtung und der energetischen Versorgung ersichtlich. Und auch im Alltag sind Helene und Werner bemüht, diese Linie durchzuziehen. Die Verwendung von natürlichen, regionalen Produkten ist darum vorrangig. So mietet man beispielsweise mit jedem Hayloft auch automatisch sein eigenes Hühnernest mit. Ideen wie diese machen aus dem Preindlerhof eben etwas ganz Besonderes.
Charakterstück mit Futterhaus-Feeling
Gewollt sehen die Haylofts von außen wie ein einfacher Heustaldel aus. Die für das Gsiesertal typischen Kreuzbänder blieben nach dem Umbau erhalten, große Fensterfronten sind entstanden, die nun für Helligkeit und Tageslicht sorgen. Betritt man diesen etwas anderen Stadel, staunt man nicht schlecht, wie stylish, wie komfortabel drinnen alles ist. Das viele Holz und die natürlichen Materialien schlagen einen Bogen zwischen Tradition und Moderne. Ein richtiges Charakterstück eben, mit echtem Futterhaus-Feeling. Dass das alles möglich wurde, ist den Ideen der Bauherrn und den vielen einheimischen Betrieben zu verdanken, die hier mit Herzblut an der Arbeit waren. „Wir sind mit den Arbeiten eigentlich voll und ganz zufrieden“, resümiert Helene, „es war wirklich hilfreich, dass sowohl Architekt Stefan Taschler als auch die Handwerker allesamt aus der Gegend waren. Denn wenn es schnell etwas gebraucht hat, waren sie sofort zur Stelle. Man konnte sich auf jeden von ihnen vollends verlassen.“
Nichtsdestotrotz ist Helene froh, dass die Arbeiten nun fast abgeschlossen sind und dass der normale Hofalltag mit ihren Zwillingsmädchen Rosa und Anni wieder seinen Lauf nehmen kann. (SH)
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