Pichl – „Radfahren bedeutet mir die Welt!“ Greta Seiwald ist jung, ehrgeizig und steht’s gut gelaunt. Die 23-jährige Frohnatur hat sich zu einer der besten Mountainbikerinnen Italiens entwickelt und im ersten Jahr in der Elite Kategorie bereits mächtig aufgezeigt. Nun will sie den nächsten Schritt machen, denn nächstes Jahr liebäugelt sie mit einer möglichen Olympia-Teilnahme. Der Puschtra hat den Mountainbike-Profi in Gsies zum ausführlichen Interview getroffen.
Puschtra: Kannst du dich an die Anfänge deiner Laufbahne erinnern? Wie bist du überhaupt zum Sport gekommen?
Greta Seiwald: Das ist eine lustige Geschichte: In meiner Kindheit habe ich mit den Jungs Fußball gespielt und bin Skigefahren. Durch ein Wahlpflichtprogramm der Schule habe ich mit Acht oder Neun Mountainbike ausprobiert. Anfangs war ich davon gar nicht so begeistert; bei der allerersten Stunde ist ein Junge vor mir so schwer gestürzt, dass er sich das ganze Knie aufgeschlagen hat. Dieser blutige Anblick hat meiner Lust gleich einmal einen Dämpfer versetzt. Ausschlaggebend dafür es dennoch zu versuchen, war das knallgelbe Trikot, welches der hiesige Verein damals trug. Ich kann mich noch erinnern, wie ich nach Hause geeilt bin und rief: „Mama, dieses Leibchen will ich auch haben!“. Zusammen mit meinen zwei Brüdern habe ich mich schließlich beim Klub angemeldet. Die ersten Jahre im Verein sind wir bei den Trainings einfach Vollgas im Wald rumgefahren bis wir nicht mehr konnten. Zunächst habe ich immer ein altes Rad meiner Brüder fahren müssen, wollte aber unbedingt mein Eigenes. Als ich schlussendlich mein erstes eigenes Fahrrad bekam, habe ich damit auf Anhieb mein erstes Rennen gewonnen.
Neben Eva Lechner bist du wohl die beste Mountainbikerin des Landes, wie bist du soweit gekommen und was zeichnet dich aus?
Nach ein paar Jahren habe ich mit dem Fußball aufgehört und im Winter Langlauf betrieben. Mit ungefähr zwölf Jahren musste ich mich fürs Skifahren oder Mountainbiken endscheiden, da ich nur eine der beiden Sportarten voll und ganz betreiben konnte. Skitouren gehen und Langlaufen mache ich heute immer noch zu Trainingszwecken, doch das Mountainbiken hat mir am meisten Spaß gemacht. Von da an hat es sich einfach Schritt für Schritt entwickelt; mit 15 habe ich zum ersten Mal nach einen Trainingsprogramm trainiert, habe erste größere Erfolge auf Landesebene gefeiert und bin zum ersten Mal ins Nationalteam einberufen worden. Im ersten Jahr bei der Juniorinnen Kategorie hat mich das Privatteam „Focus XC“ aufgenommen, bei dem ich seither unter Vertrag stehe. Das war der erste Schritt in eine richtige Profikarriere als Mountainbikerin. Jedes Jahr habe ich mich weiterentwickelt und stehe nun da wo ich jetzt bin, dennoch habe ich auch schwierige Zeiten hinter mir. Aufgegeben habe ich aber nie! Ich denke mich zeichnet aus, dass ich in schwierigen Momenten die Zähne zusammenbeißen und mit einer gewissen Lockerheit darüber lachen kann.
Welches Ereignis sprichst du da genau an?
In meiner ersten Saison U23, ein wichtiges Jahr in einer neuen Kategorie, wo sich jeder erst einmal beweisen muss, wollte ich im Dezember mit einem Berglauf ins Training starten. Beim Abstieg bin ich im Schnee ausgerutscht und habe mir den Knöchel kompliziert gebrochen. Dies bedeutete sechs Wochen Krücken und komplett Ruhe geben. Schlimm waren die ständigen Knieschmerzen, die ich das ganze Jahr über nicht in den Griff bekommen habe. Es war eine Saison zum abhacken. Ein Jahr nach der Verletzung war es an der Zeit die verbliebenen Schrauben und Platten im Knöchel zu entfernen. Während der Operation wurde festgestellt, dass diese aber schon dermaßen mit den Knochen verwachsen waren, dass der Knöchel erneut gebrochen werden musste. Das ganze Spiel ging von Neuem los. Zwischenzeitlich hatte ich da schon eine kleine Krise. Nachher war ich aber wieder schmerzfrei, nur eine lange Narbe ist geblieben.
Mit absolvierter Matura hast du auch einen Schulabschluss in der Tasche, war es für dich schwierig, zeitaufwendigen Ausdauersport und Schule unter einen Hut zu bringen?
In den ersten drei Jahren Oberschule war ich nur am Lernen um gute Noten nach Hause zu bringen. Als dann das Training immer mehr intensiviert wurde und ich zahlreiche Fehlstunden hatte, ließ auch der Notenschnitt etwas nach. Die Schule war relativ einsichtig mit uns Sportlern. Einzig bei der Matura fiel die letzte schriftliche Prüfung genau auf den Abreisetag zu den Weltmeisterschaften, wo ich in Mailand hätte sein müssen, um eine Dopingprobe abzugeben. Alle Bemühungen um eine Verschiebung waren vergebens, die Weltmeisterschaft fiel für mich ins Wasser.
Nun hast du dich auf das Renn-Format „Cross Country“ spezialisiert, was fasziniert dich daran?
Beim „Cross Country“ fahren wir mehrere Runden auf einer ungefähr fünf Kilometer langen Strecke, die mit Hindernissen gespickt ist und ständig auf und ab geht. Spannend ist dabei der Positionskampf Frau gegen Frau, immer am Limit.
Seit Beginn deiner Profilaufbahn fährst du für das italienische Team Focus, das nun Santa Cruz heißt. Wie hast du dich in der Mannschaft zurechtgefunden und wie zufrieden bist du mit deinem Team?
Genau! Mit der gesamten Truppe komme ich super zurecht. Bis zum letzten Jahr war ich die einzige Frau im Team, was für mich sicherlich ein Vorteil war. Ständig mit den etwas stärkeren Männern zu trainieren hat mich vorangebracht und gefordert. Vor allem in den Abfahrten und in den technischen Passagen konnte ich mir Einiges von den Jungs abschauen und dadurch zusätzliche Sicherheit gewinnen. Dabei herrscht zwischen uns ein blindes Vertrauen, wenn sie sagen, ich solle diese Linie nehmen, dann mach ich das auch. Auch vom familiären Umfeld erhalte ich die volle Unterstützung.
In wie fern hat die Covid-19 Pandemie dir einen Strich durch die Rechnung gemacht, musstest du Einschnitte in deinen Trainingsalltag machen oder bist du ganz gut mit den Umständen zurechtgekommen?
Heuer hatte ich eine super Saisonvorbereitung, konnte perfekt Trainieren und war von Beginn an richtig gut drauf. Anfang der Saison war ich auf Lanzarote und in Griechenland, wo ich einige Siege bei der Elite holen konnte. Noch während des Etappenrennens erhielt ich einen Anruf des Nationaltrainers, ich wurde für ein Rennen in Zypern einberufen um Punkte für die Olympiaqualifikation zu sammeln. Dieser Anruf war eine ziemliche Überraschung für mich und wurde zu einem kleinen Drama. Ich musste direkt nach dem Rennen alleine heimfliegen, packen, um sieben Uhr morgens den nächsten Flieger nach Zypern nehmen; zuerst noch eine Dopingkontrolle in Mailand machen. Da war Corona schon allgegenwärtig, nachher wurden alle Rennen abgesagt. Niemand wusste ob heuer überhaupt noch Wettkämpfe stattfinden würden, da ist es schwierig sich zu motivieren. Auf den Rollentrainer bin ich vielleicht dreimal gefahren, ansonsten hab ich mir in der Tischlerwerkstatt meines Vaters einen Kraftraum eingerichtet, dort Baumstämme gestämmt und war viel mit dem Hund im Wald spazieren. Als der Lockdown endlich zu Ende war, habe ich im Freien richtig viele Stunden absolviert. Nun bin ich wieder gut in Form und kann es kaum erwarten bis es wieder los geht!
Welche neuen Hobbies hast du im Lockdown für dich entdeckt?
Erst neulich hab ich mein erstes richtig dickes Buch zu Ende gelesen (lacht)! Auch mit Klettern und Slacklinen habe ich angefangen, dadurch arbeite ich auch im mentalen Bereich, was mir für’s Mountainbiken hilft.
Hast du manchmal Heimweh wenn du unterwegs bist oder gefällt dir das Reisen, das der Sport mit sich bringt?
Nein ganz im Gegenteil, ich liebe es. Die Welt zu sehen ist wundervoll, auch wenn bei den Wettkämpfen oftmals keine Zeit dazu bleibt. Vor kurzem hatten wir mit dem Team unser erstes Trainingslager nach Corona. Es war mehr eine erste Zusammenkunft, wo wir ein Abenteuercamp im Zelt gemacht haben, das war wirklich cool!
Zuhause wartet ja dein Hund auf dich!
Mein Hund Aaron ist jetzt zwei Jahre alt. Als er als Hundebaby zu uns kam, habe ich die ersten Wochen bei ihm im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen, um ihn nachts die Tür zu öffnen, damit er draußen aufs Klo gehen kann. Dabei habe ich schon einen Mutterinstinkt entwickelt und als ich dann die ersten paar Wochen weg musste, viel mir der Abschied schwer.
Dein Heimatverein ASV Pichl-Gsies veranstaltet Ende August die Italienmeisterschaften. Ist das Rennen vor deiner Haustür ein wichtiges Saisons-Highlight und welche anderen Ziele hast du dir gesteckt?
Mit Sicherheit! Die Italienmeisterschaft ist das erste nationale Rennen auf den neuen Kalender und ein absoluter Höhepunkt, hoffentlich kann sie stattfinden! Die technisch anspruchsvolle Strecke liegt mir; wenn ich meinen Heimvorteil ausspielen kann ist sicherlich einiges möglich. Im Oktober wären dann die Weltmeisterschaften in Leogang, was auch nur einen Katzensprung von Südtirol weg ist. Ein Ort der im Weltcupkalender eigentlich nicht drinnen ist und somit eine unbekannte Strecke für die Meisten. Irgendwo im Hinterkopf spiele ich zunehmend mit dem Gedanken Olympische Spiele. Vor diesem Jahr hätte ich diesen Traum gar nicht zu träumen gewagt, durch die Verschiebung auf 2021 habe ich nun noch etwas Zeit um Punkte für die Qualifikation zu sammeln. Italien ringt mit Deutschland um einen zusätzlichen Quotenplatz. Würden wir diesen erhalten hätte Italien zwei Startplätzte, die wir fünf Mädels unter uns ausfahren müssten. Dabei wären meine Chancen auf eine eventuelle Teilnahme gar nicht so schlecht!
Vielen Dank für das interessante Gespräch! (MT)
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