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In Würde altern – In zwei Höfe zieht Leben ein

Im Dorfzentrum von St. Georgen stehen die beiden Bauernhöfe, der Raderbauerhof und der Kaninshof, schon seit 15 Jahren leer. Jetzt sollen beide Gebäude eine Funktion erhalten: Aus den alten Bauernhöfen soll durch einen Umbau ein Sozial- und Seniorenzentrum entstehen und im Dorf für neues Leben sorgen.

Vor 20 Jahren habe die Stadtgemeinde Bruneck und die Fraktionsverwaltung von St. Georgen die zwei alten Höfe Kanins und Rodabauer erstanden. Ursprünglich sollten diese zwei Höfe abgerissen und für die Friedhofserweiterung genutzt werden. Auf Initiative des damaligen Pfarrgemeinderats in Zusammenarbeit mit der Fraktions- und Gemeindeverwaltung habe man aber eine viel bessere Lösung auf der Ostseite des bestehenden Friedhofs gefunden, erzählte der Fraktionspräsident Klaus Graber. „Nun stand offen, was mit den Höfen passieren soll. Es wurden Möglichkeiten besprochen, auch ein Ideenwettbewerb wurde abgehalten, aus dem hervorging beide Höfe zu renovieren und sie als Seniorenwohnheim zu nutzen“, sagt Klaus Graber. 2013 wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die an dem Projekt des Sozial- und Seniorenzentrums gearbeitet habe, berichtet Klaus Graber. In dieser Arbeitsgruppe sitzen heute der Arzt Rudi Gruber, der Direktor der Wohn- und Pflegeheime Mittleres Pustertal Werner Müller, der Stadtrat Felix Brugger, der Gemeindevertreter Manfred Aichner und der Fraktionspräsident Klaus Graber sowie das Mitglied vom Fraktionsausschuss Hans Mitterhofer. „Wir haben als Arbeitsgruppe über viele Jahre Gespräche mit verschiedenen politischen Vertretern und zuständigen Beamten geführt und Ideen eingeholt bis dieses Projekt herangereift ist“, so Klaus Graber. Mit der Stadtgemeinde Bruneck, die Eigentümerin des Kaninshofes ist, sei gemeinsam beschlossen worden die beiden Höfe einer sozialen Zweckbestimmung zuzuführen. Der Gemeindeausschuss habe Ende Juli den Bürgermeister beauftragt, die entsprechende Vereinbarung mit der Fraktionsverwaltung von St. Georgen abzuschließen. Die Vereinbarung und das Raumprogramm würden die Voraussatzung für die weitere Projektentwicklung bilden, berichtet der Fraktionspräsident und holt aus: „Die Bauarbeiten werden von der Stadtgemeinde Bruneck in Auftrag gegeben und die Kosten je zur Hälfte zwischen Fraktionsverwaltung St. Georgen und Stadtgemeinde aufgeteilt, abzüglich der Landesbeiträge. Insgesamt werden die gesamten Planungs- und Umbaukosten an die 2,5 Millionen Euro ausmachen“, rechnet Klaus Graber. „Die Vorplanung ist bereits abgeschlossen, der nächste Schritt ist jetzt die Endplanung mit dem Ausführungsprojekt und dann wird ausgeschrieben“, informiert der Präsident über den momentanen Stand der Dinge. 20 Jahre sei eine lange Zeit und jetzt sei es „wirklich an der Zeit, dass dieses Projekt endlich verwirklicht wird“ lässt Klaus Graber wissen. Er hofft, dass mit Ende 2020 die Arbeiten ausgeschrieben werden können und bereits 2021 mit dem Bau begonnen werden kann.

Projekt: Rodabaur – Kanins
Der denkmalgeschützte Kaninshof, der 1391 erstmals urkundlich erwähnt wird und der Raderbauerhof aus dem 16. Jahrhundert werden nach dem Umbau zu einem Ensemble zusammenwachsen und gleich mehrere soziale Funktionen haben: Das Führungskonzept sieht neben der Errichtung einer Arztpraxis und eines Stützpunktes des Hauspflegedienstes auch die Errichtung von Seniorenwohnungen und einer Seniorenmensa vor. Hinzu kommt ein Angebot des begleiteten Wohnens durch das Konsortium Pflegeheime Mittleres Pustertal. Zudem entsteht ein vielfältig nutzbarer Veranstaltungs- und Versammlungsbereich für die gesamte Dorfbevölkerung.
Die Arztpraxis mit Sprengelsitz wird im Erdgeschoss des Kaninshofes entstehen. Der große Gang werde später als Warteraum genutzt. Zudem solle im Erdgeschoss ein behindertengerechtes Gemeinschafts-WC für die gesamte Anlage entstehen, „das zudem von den Friedhofsbesuchern und Kirchgängern genutzt werden kann“, erklärt Klaus Graber. Im 1. und 2. Stock der beiden Höfe werden insgesamt elf Seniorenwohnungen für Begleitetes Wohnen entstehen. Jede Wohnung ist für zwei Personen geplant: ein großes Zimmer, eine Kochnische sowie ein behindertengerechtes Bad mit eigener Waschmaschine werden realisiert. Gegenüber im Raderbauerhof wird laut Konzept die ehemalige Stube im Parterre zum großen Gemeinschaftsraum und eine kleinere Stube und eine kleine Küche entstehen. Ein Waschraum und ein Bewegungsraum macht das Erdgeschoss komplett und steht für die Senioren oder auch für andere Vereine für ihre Tätigkeiten zur Verfügung. Geplant sind auch einige Parkplätze für Besucher und ein Vorgarten mit Blumen und Gemüse. Zudem ist ebenfalls eine Grünfläche für Beschäftigungen und Ruhephasen mit Bänken geplant.

Potenzial Kleinstruktur

Der Fraktionspräsident Klaus Graber

Klaus Graber ist von der Zukunft solch kleiner Strukturen überzeugt: „Ein würdiges alt werden hat sich jeder verdient und Investitionen für soziale Belange kommen schlussendlich jedem zu Gute. Die öffentliche Hand kann sich durch solche kleine Strukturen sogar Geld sparen“. Die Betreuung koste viel weniger als in einem Wohn- und Pflegeheim und zudem sei viel Hilfe und Unterstützung von Freiwilligen vor Ort zu erwarten. Es entwickle sich eine Eigendynamik, meint Klaus Graber. Gleichzeitig schaffe so eine Einrichtung Arbeitsplätze im Dorf und belebe das Ortszentrum. Die Arbeitsgruppe habe sich im Vorfeld mehrere Einrichtungen angeschaut und gesehen wie viel Potenzial für das Dorf und seine Gemeinschaft darin enthalten sei. Solche Strukturen für die ältere Generation zu schaffen sei aller höchste Zeit, meint Klaus Graber und mit diesem Projekt komme man sicher einen großen Schritt weiter, so der Fraktionspräsident. Gerade die Fraktion sei verpflichtet für soziale Belange im Dorf einzustehen. Früher sei diese Aufgabe mit Zuweisung von Brennholz und Zuverfügungstellung von Weide- und Anbauflächen gewährleistet worden, so Klaus Graber. Heute sei diese Art von Sozialhilfe nicht mehr zeitgemäß und deshalb sei die Realisierung dieses Projektes zukunftsweisend. „Wichtig ist, dass dieses Projekt jetzt auch effektiv umgesetzt wird. Wir können keine fünf Jahre mehr warten“, sagt Klaus Graber entschieden. In den nächsten Jahren würden Reparaturarbeiten an den Dächern notwendig, die wiederum Mehrkosten verursachen würden.
Vom Sinn der Kleinstruktur ist auch Hans Mitterhofer, Mitglied vom Fraktionsausschuss, überzeugt. Er betrachtet so eine Einrichtung als “absolut notwendig“, vor allem, wenn man die zukünftige Bevölkerungsentwicklung im Auge habe. „In den nächsten Jahren ist die Betreuung der Senioren eine der großen Herausforderungen, die auf uns alle zukommt“. Sinnvoll sei es deshalb die Dorfbevölkerung so gut wie möglich in diese Betreuung mit einzubeziehen, da jede Familie in irgendeiner Form betroffen sei, meint Hans Mitterhofer.

Senioren und Menschen mit Handicap
Das geplante Sozial- und Seniorenzentrum solle nicht ausschließlich alten Menschen, sondern auch Menschen mit Handicap offenstehen, meint Klaus Graber. Gerade für all diese Menschen sei es wichtig, dass sie im eigenen Dorf, beziehungsweise in der gewohnten Umgebung untergebracht sind, wo die Möglichkeit der Begegnung mit verschiedenen Altersgruppen gegeben ist. Genau dort würden diese Menschen zu einer unbezahlbaren Bereicherung für das gesamte Dorf, so Klaus Graber.

Im Inneren der Gebäude nagt der Zahn der Zeit.

Auch Hans Mitterhofer informiert: Einerseits gebe es kleine Wohnungen für Senioren ab 65 Jahren, die über einen Aufzug erreichbar sind. „Wir möchten Menschen von St. Georgen bevorzugen, die der ersten oder zweiten Pflegestufe angehören und die den Alltag noch selbstständig bewältigen können“, sagt das Fraktionsausschussmitglied. Der Gedanke sei, dass Menschen miteinander in einer Struktur leben, wo sie sich gegenseitig unterstützen, sich innerhalb der Höfe in gemeinschaftlichen Räumen treffen können und im Zentrum des Dorfes gut in die Gemeinschaft eingebunden sind. Eine gewisse Anzahl von Stunden soll sich auch Fachpersonal von außen um die Menschen kümmern“, beschreibt Hans Mitterhofer. Andererseits seien im Konzept auch noch andere Zielgruppen berücksichtigt, so zum Beispiel Menschen mit Handicap, die in der Struktur mithelfen könnten. „Von dieser Struktur sollen alle im Haus und auch im Dorf profitieren“, schließt Hans Mitterhofer. (TL)