Wenn vom kulturellen Zentrum des Gadertals die Rede ist, ist damit St. Martin in Thurn gemeint. Hier werden nicht nur Sprache, Kultur und Tradition, sondern auch die verschiedenen Wirtschaftszweige gekonnt gepflegt.
In diesem Sommer haben viele von uns ihren Urlaub in Südtirol verbracht oder tun dies noch. Eine gute Gelegenheit, die Traumregion vor der eigenen Haustür besser kennenzulernen und ihre vielen Vorzüge zu genießen. Doch was genau ist es eigentlich, das Südtirol so interessant macht? Sind es die traumhaften Landschaften, die gute Küche, die zahlreichen Sonnentage oder Tradition und Kultur, die viele Gäste aus aller Welt zu uns locken? Vielleicht ist es ganz einfach die beeindruckende Vielfalt unseres Landes, denn wohl kaum eine andere Region Italiens kann so viele Urlaubswünsche auf einmal erfüllen. Ein Streifzug durch das Gadertal macht dies einmal mehr deutlich und veranschaulicht auf einzigartige Weise die Schönheit der Dolomiten mit der traditionellen Kultur der Ladiner und einem hervorragenden touristischen Angebot. Die einzigartige Naturlandschaft, die das Gadertal umrahmt, birgt wahre Schätze, zudem ist es reich an Tradition und Geschichte. Ein Ort, in dem sich die ladinische Kultur und Tradition über die Jahrhunderte hinweg bewahren konnte, ist beispielsweise St. Martin in Thurn, ladinisch San Martin de Tor. Die gleichnamige Gemeinde ist eine der fünf ladinischen Gemeinden des Gadertals und umfasst die Ortschaften St. Martin, Pikolein, Campill und Untermoi. Mit ihren etwa 1.750 Einwohnern erstreckt sich die Gemeinde über ein Gebiet von 76 Quadratkilometer, das von 1115 Meter hinauf auf 2875 Meter reicht. In den letzten Jahrzehnten hat San Martin de Tor sich zu einem beliebten Ferienziel etabliert, nichtsdestotrotz ist es stark von Landwirtschaft und Handwerk geprägt. So sind hier auch noch die typischen „Viles“ anzutreffen, ursprüngliche Weiler, die eine der ältesten Siedlungsformen dieses Gebietes darstellen. Diese Weiler – bestehend aus drei bis zehn Hofeinheiten und Wirtschaftsgebäuden – überraschen Besucher in immer neuen Gruppierungen und vielfältigen Ausgestaltungen. Auch wenn der Tourismus in San Martin de Tor nicht so stark ausgeprägt ist wie beispielsweise in Alta Badia oder St. Vigil in Enneberg, ist man stets bemüht, auch in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen und besonders in Campill versucht man vermehrt, auf einen naturnahen Tourismus setzen. Dort basiert der Tourismus zum Teil auf sehr kleinen Familienbetrieben – beispielsweise im Segment „Urlaub auf dem Bauernhof“.
Kultur und Handwerk
Im Hauptort St. Martin in Thurn befindet sich das kulturelle Zentrum des ladinischsprachigen Gadertals, das ladinische Kulturinstitut „Micurà de Rü“; zudem beheimatet das Dorf inmitten der einzigartigen Dolomitenlandschaft auch ein wichtiges Wahrzeichen des Gadertals, nämlich die weithin sichtbare mittelalterliche Burganlage Schloss Thurn, ladinisch Ciastel de Tor. In diesem altehrwürdigen Gebäude ist das Ladinische Landesmuseum, das Museum Ladin „Ciastel de Tor“, untergebracht. Dieses versteht sich als Tor zu den Dolomiten und den Bewohnern, den Ladinern, und ist das Aushängeschild für die ladinische Kultur. In der mittelalterlichen Burg werden Archäologie, Sprache, Handwerk, Tradition und Geschichte der ladinischen Täler vorgestellt und mit modernen multimedialen Techniken auf einfache und verständliche Weise erklärt. Tradition und Kultur sind seit jeher stark mit dem Handwerk verbunden. Dieses hat in St. Martin in Thurn immer noch einen hohen Stellenwert. So ist im Hauptort eine gut genutzte Handwerkerzone zu finden, die sich entlang der Gader hinzieht und sich zu einem wichtigen wirtschaftlichen Zentrum entwickelt hat. Schließlich ist es das Handwerk, das derzeit den stärksten Wirtschaftszweig im Gemeindegebiet darstellt. Die einheimischen Handwerker zeichnen sich durch Fleiß und Professionalität aus, und es ist zudem bemerkenswert, dass auch viele Landwirte einer handwerklichen Tätigkeit nachgehen. Insgesamt haben sich die Betriebe der Nachfrage angepasst und es hat den Anschein, dass sie zunehmend größere Flexibilität entwickeln. Sie übernehmen verhältnismäßig viele Aufträge auch außerhalb des Gadertals und auch außerhalb Südtirols und führen diese mit großem Einsatz aus.
Landschaftspflege durch Land- und Forstwirtschaft
Am Fuße des 2875 Meter hohen Peitlerkofles befindet sich Untermoi, die höchstgelegene Ortschaft der Gemeinde St. Martin in Thurn. Das sonnige Bergdorf liegt an der Passstraße, die über das Würzjoch vom Gadertal ins Eisacktal führt. Nicht nur zwei Talschaften treffen am landschaftlich reizvollen Würzjoch aufeinander, hier fließen auch verschiedene Kunstformen, Sprachen und Traditionen ineinander über. Untermoi ist für seine herrliche Naturlandschaft, aber vor allem auch für die Quellen von Bad Valdander bekannt, dessen heilendes Nass bis heute für Bade- und Trinkkuren verwendet wird. Es ist ein erdiges, alkalisches Wasser, das eine auflösende und stärkende Wirkung haben soll. Das ehemalige „Bauernbadl“ mit Kapelle und Badegebäude ist heute denkmalgeschützt. Der Name „Valdander“ kommt ursprünglich von Val d’Anter, was soviel wie „Höhlental“ bedeutet. Seit Jahrhunderten sollen Arme und Kranke hierher gekommen sein und in der Felsgrotte, in der die Quelle entspringt, Bäder genommen und während dieser Zeit sogar in den Höhlen dieser Gegend gewohnt haben. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten beheimatet auch die Ortschaft Campill. Es ist eines der historischen Zentren der zahlreichen „viles“ an den umliegenden Hängen und Geländekuppen. Die urtümlichen und gut erhaltenen Weiler oder Höfegruppen – bestehend aus drei bis zehn Hofeinheiten und Wirtschaftsgebäuden – sind hier in immer neuen Gruppierungen und vielfältigen Ausgestaltungen vorzufinden. Sie ziehen Campills Besucher immer wieder in ihren Bann. Schließlich sind es die „viles“, die der Landschaft hier ihren unverkennbaren Charakter verleihen und sind Ausdruck eines über Jahrhunderte gereiften Gemeinschaftssinns. Das harmonische Zusammenspiel der Gebäude ist dabei kein Zufall, es zeugt von einer sorgfältigen Planung bereits in mittelalterlichen Zeiten. Die meisten der Weiler in Campill sind sehr alt und bestehen aus maximal zehn Gebäuden. Erwähnenswert ist natürlich auch das idyllische Mühlental, das einem bewanderbaren Freilichtmuseum ähnelt. Insgesamt präsentiert sich das traditionsreiche Campill als wahres Kleinod inmitten herrlicher Berglandschaft. In Pikolein befinden sich einige wichtige historische Gebäude, wie beispielsweise das Haus „Ciasa dl Maier“ oder das im 14. Jahrhundert erbaute Gebäude „Ciastel Freieck“. Zudem sind hier seit ungefähr hundert Jahren die ursprünglich ersten sozialen Einrichtungen des Gadertals angesiedelt. Die schöne St. Antonius-Kirche und die schöne Lage der Ortschaft ziehen immer wieder zahlreiche Besucher an. Besonders im Winter genießt man im Gemeindegebiet von St. Martin in Thurn außerdem die direkte Verbindung zum Kronplatz, durch die moderne Aufstiegsanlage auf der Südwestseite des „Piz de Plaies“ mit der Talstation in Pikolein. Was die vier schmucken Fraktionen der Gemeinde St. Martin in Thurn verbindet, ist ihre landwirtschaftliche Prägung. Wie im restlichen Gadertal sind auch hier Land- und Forstwirtschaft aufgrund ihrer Funktion als Landschaftspfleger und als Lieferant von typischen regionalen Produkten für Handel, Handwerk, Industrie und Tourismus von großer Bedeutung. Zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe liefern Milch an die Sennereigenossenschaften, einige betreiben Hofkäsereien nach neuestem Standard oder beteiligen sich an der Aufzucht traditioneller Nutztierrassen. Leider gibt es auch im Gemeindegebiet von St. Martin in Thurn immer weniger Vollerwerbsbauern, da die Höfe in der Regel relativ klein sind. Andererseits gibt es eine weitere Tendenz zu beobachten, nämlich, dass sich einige Landwirte nicht mehr auf die Milchkuhhaltung konzentrieren, sondern sich vielmehr in der Flächenbewirtschaftung spezialisiert haben. Deshalb bearbeiten sie nicht mehr allein die eigenen Wiesen, sondern bewirtschaften auch die landwirtschaftlichen Flächen ihrer Nachbarn und darüber hinaus. Ein Angebot, das für viele Landwirte eine große Hilfe darstellt. Und auch in der Forstwirtschaft hat sich in den letzten Jahren einiges getan: Sie hat wieder sehr stark an Bedeutung gewonnen, nicht nur weil die Holzpreise angestiegen sind, sondern vor allem auch wegen ihrer wichtigen Funktion als Landschaftspfleger. Nach den mehrmaligen Unwetterschäden der vergangenen Jahre war und ist sie stark gefragt und gefordert. (SH)
Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.