Über Instrumente der Zeitpolitik soll Südtirol und seine Gemeinden noch familienfreundlicher werden. Bei einer Online-Tagung der Familienpolitik haben darüber Experten und Fachleute informiert.
Um die gemeindeorientierte Zeitpolitik für Familien ging es heute (22. Oktober) bei der ersten Online-Tagung der Familienagentur des Landes. Mit Praxisbeispielen aus dem In- und Ausland sowie Erfahrungsberichten aus der Wissenschaft wurde das Thema beleuchtet und über Vor- und Nachteile diskutiert. „Moderne Familienpolitik ist auch Zeitpolitik, welche den Faktor Zeit in den Fokus rückt und auf lokaler Ebene konkrete Verbesserungen für Familien zum Ziel hat. In Südtirol sind wir in einigen Gemeinden bereits gut unterwegs, es braucht jedoch sicher ein Mehr an Vernetzung untereinander und der unterschiedlichen Handlungsebenen“, unterstrich Familienlandesrätin Waltraud Deeg. So gibt es bereits abgestimmte Bring- und Abholzeiten in Kindergarten und Schule (in St. Martin in Thurn), verlängerte Öffnungszeiten in der Bibliothek (in Jenesien) oder einen erweiterten Mensadienst (in Vintl), um Familien entgegenzukommen. Dies seien gute Beispiele und Vorbilder, um auch in Südtirol die lokale Familienzeitpolitik weiter auszubauen.
Zeitpolitik durch vielfältige Maßnahmen
In ganz Italien gebe es bereits gute Beispiele: So habe man in Bozen unter der damaligen Stadträtin Ingeborg Bauer Polo schon vor Jahren Pionierarbeit im Bereich der Zeitpolitik geleistet, hob Ulrich Mückenberger, Professor für Rechts- und Politikwissenschaften in Bremen, hervor. Seit einigen Jahren ist auch die Stadt Bergamo sehr aktiv. So berichtete Assessor Giacomo Angeloni über einen verstärkten Digitalisierungsprozess unterschiedlicher Dienste der Gemeinde, über die Verlegung der Wahlsprengel außerhalb von Schulgebäuden oder über die bereits 2015 eingeführte Möglichkeit und Einschulung in den Bereich Smartworking für die Gemeindeangestellten. „All diese Maßnahmen führen zu Zeitersparnissen. Zeitpolitik ist ressortübergreifend“, betonte Angeloni. Er sprach sich für einen Politikwechsel im Bereich der öffentlichen Verwaltung hin zur Politik der Viertelstunde (politica del quarto d’ora) aus – dies bedeute, dass wesentliche Dienste innerhalb einer Viertelstunde erreichbar und für den Bürger kontaktierbar sind. Unter anderem hätten durch diese Vorleistungen in Bergamo die Dienste der Gemeinde trotz enormer coronabedingter Einschränkungen aufrecht gehalten werden können.
„Zeitpolitik muss überörtlich und fachübergreifend verankert werden“, betonte Professor Mückenberger, der gleichzeitig für eine stärkere europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich warb. Welche finanziellen Auswirkungen Maßnahmen der lokalen Familienzeitpolitik haben, zeigte Referent Axel Plünnecke auf. Der Leiter des Kompetenzfeldes „Bildung, Zuwanderung und Innovation“ beim Institut der Deutschen Wirtschaft resümierte, dass sich Familienzeitpolitik in vielerlei Hinsicht lohne, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich. „Zentral ist dabei die Vernetzung, da die Zeitpolitik immer eine Querschnittaufgabe ist“, stimmte Plünnecke seinen Vorrednern zu. Auch in Südtirol wolle man diese Richtung beibehalten, betonte Familienlandesrätin Deeg. So werde derzeit mithilfe einer Arbeitsgruppe an konkreten Handlungsempfehlungen und der Erhebung von Best-Practice-Modellen gearbeitet. Auch im Familienbeirat sei das Thema immer wieder präsent. „Im Sinne unserer Familien braucht es alle Ebenen und eine gute Vernetzung dieser. Wir sind auf einem guten Weg und wollen in guter Zusammenarbeit diesen Weg weitergehen“, sagte Familienlandesrätin Deeg.
Weitere Informationen, Unterlagen und das Video zur Online-Tagung sind auf dem Familienportal der Internetseite des Landes Südtirol im Bereich Fachtagungen abrufbar. (ck)
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