„Ich bin dankbar und fühle mich privilegiert, ich hatte viel Glück am Berg.“
Wenn Konrad Renzler vom Bergsteigen spricht, strahlen seine Augen und er nimmt sein Gegenüber mit am imaginären Seil zu Wänden und Gipfeln. Drei Generationen von Bergsteigern hat der 84-Jährige durchlebt.
Schon als Bub nahmen mich meine beiden älteren Brüder mit zu Touren. Mein erster Lehrmeister am Berg wurde Hans Frisch aus Bruneck. Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2000 kletterten wir die Watzmann-Ostwand und die Dachstein-Südwand. Mit Siegfried Hilber und Ernst Steger waren wir in den 1960er-Jahren eine eingespielte Dreierseilschaft. 1978 gelang mir mit Reinhold Messner die Erstbesteigung der Breach Wall am Kilimandscharo. In den 1990er-Jahren schließlich war ich viel mit Christoph Hainz unterwegs. Jetzt ist mein Sohn Tobias mein Begleiter.
Wie sehen Sie die Entwicklung im Alpinismus?
Zu Beginn kletterte ich mit Bergschuhen und Hanfseil, ohne Klettergurt. Die Bergschuhe ließen wir uns viele Male vom Schuster neu besohlen, man konnte sich nicht ständig ein neues Paar leisten. Ich erlebte die ganze Kletterentwicklung. In den 1980ern wurde mit den Kletterpatschen das Reibungsklettern möglich. Meine erste Tour damit war die Lacedelli-Führe an der Cima Scotoni. Die Patschen lieh mir Friedl Mutschlechner, allerdings waren sie mir zu klein und dementsprechend groß die Schmerzen. Das Gefühl der Reibungshaftung war eine neue Dimension! Dann entstand das Freiklettern. Später kam das Zeitmaß dazu; Routen wurden schnellstmöglich abgehakt. Die heutigen Kletterleistungen in den hohen Schwierigkeitsgraden sind ein Wahnsinn und ich bewundere die Leistung. Der „Mord“ für den Klettersport aber sind all die gebohrten Routen. Da bleibt kaum Freiraum für neue Abenteuer. Solange die Bohrhaken der Sicherheit dienen sind sie berechtigt. Ich bin alt und sehe es so. Die Jungen haben das Recht, es anders zu machen.
Nennen Sie uns Ihre schönsten Touren …
Da gibt es viele. Ich war auf den Bergen in Peru, Ecuador, Mexiko, Neuseeland und unternahm Expeditionen zum Aconcagua, Dhaulagiri, Cho Oyu, Ama Dablam usw. Mein Hauptgebiet waren die Alpen: von Nord bis Süd und von Ost bis West. Die Krönung meiner Bergsteiger-Laufbahn erlebte ich 2017, als mich mein Sohn Tobias zu meinem 80. Geburtstag durch die Comici-Führe an der Nordwand der Großen Zinne begleitete. 1960 war ich das erste Mal dort, damals mussten wir biwakieren. Mit Tobias saß ich am Gipfel mit nassen Augen vor Glück. Der alte Vater mit seinem 25-jährigen Sohn. Es kostete Überwindung, den Abstieg anzutreten, zu aufregend war der Moment.
Was ist die Faszination am Bergsteigen?
Beim Klettern ist es der Reiz, das eigene Können zu steigern und schwierige Routen zu meistern. Neben der Tour faszinieren mich die vielen kleinen Wunder am Wegesrand: das Licht, der Wind, die Stille, die Erhabenheit und die Vielfalt der Natur. Mein volles Tourenbuch verdanke ich aber vor allem meiner Frau Martha, die immer große Verständnis für meine Leidenschaft hatte, mir den Rücken freihielt und die Betriebe führte.
Was machten Sie beruflich?
Ich hatte ein Lebensmittel- und ein Sportgeschäft sowie einen Getränkehandel. Als uns ein spätes Elternglück geschenkt wurde, verpachtete ich das Geschäft, um mich dem Sohn zu widmen. Diese Jahre habe ich echt genossen! Mit fünf Jahren führte ich Tobias auf die Große Zinne. Von 1969 bis 1980 war ich Bürgermeister der Gemeinde Rasen-Antholz und insgesamt 28 Jahre in der Gemeindeverwaltung. In meiner Zeit als Bürgermeister hoben wir auf Initiative von Paul Zingerle den Biathlon-Sport in Antholz aus der Taufe.
Sie engagieren sich für den Natur- und Umweltschutz. Was ist Ihre Botschaft?
Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt, verschmutze Meere, Verkehr und Lärm und eine Wohlstandsgesellschaft ohne Verzicht zeigen uns, dass dieses ständige, hastige Streben nach Mehr keine vernünftige Entwicklung ist. In Südtirol brauchen wir Mengenbegrenzungen und neue touristische Konzepte. Ich sehe auch meine Generation in der Schuld und dafür verantwortlich, denn sie hat die Grundsteine für diese Entwicklung gelegt. Die fulminante Entwicklung ist kaum zu bremsen und nicht mehr überschaubar. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken, wofür es die Wende braucht! Kämpfen wir um den Erhalt der Natur, lieben wir unsere Heimat, pflegen wir bewusst die bodenständigen Traditionen und erhalten wir den Glauben.
Gibt es Wünsche?
Ich wünsche mir, dass die Natur mehr Wertschätzung erfährt. Unsere Landschaft wird geschunden, die massiven Eingriffe können nicht zurückgebaut werden und das Land wird billig verschleudert. Es wird eng für die Menschheit, sei es vom Raum wie vom Klima her. Wir haben nur diese eine Welt zum Leben. Schützen wir sie doch! (IB)
Es gibt derzeit keine bevorstehenden Veranstaltungen.