Bruneck – Je weiter wir in die Vergangenheit zurückschauen, umso schwieriger präsentieren sich die Umstände, unter denen die Menschen früher zu leben gezwungen waren. Vor allem dann, wenn Krankheiten sie befielen, waren sie diesen ausgeliefert, meist ohne Aussicht auf Heilung.
Im europäischen Bereich änderte sich die Lage mit dem Aufkommen des Christentums, das in der Nächstenliebe die primäre Tugend sah. Da spendeten wohlhabende Leute den Armen und Hilfsbedürftigen Geld und Lebensmittel, die dann vor allem von kirchlichen Vertretern verteilt wurden. Einen besonderen Schwerpunkt bildete die Krankenfürsorge, für die schon sehr früh Häuser errichtet und eingerichtet wurden, die man Spitäler bzw. Hospitäler (von hospes, lateinisch Gast, Fremder) nannte. Die Betreuung der Kranken übernahmen immer öfter Mönche und Nonnen. Es gab auch auf die Krankenpflege spezialisierte Ordensleute, die sowohl von kirchlicher als auch von weltlicher Seite sehr stark gefördert wurden.
Die Pest als die Krankheit des Mittelalters
Die Pest galt im Mittelalter als die schrecklichste aller Krankheiten. Besonders gefürchtet war die Beulenpest, welche die Haut mit brandigen Beulen überzog, sodass sie eine ganz dunkle Färbung annahm, weswegen man von der Schwarzen Pest oder vom Schwarzen Tod sprach. Gegen die Beulenpest gab es keine Hilfe, normalerweise verlief sie tödlich. Diese Infektionskrankheit trat im Laufe des Mittelalters und der frühen Neuzeit immer wieder auf. Ihren Höhepunkt erreichte sie um das Jahr 1348, als in Europa an die 25 Millionen Menschen umgekommen sein sollen. Damals war auch Tirol von der Pestseuche betroffen, es gibt aber einige Hinweise darauf, dass das Pustertal, und hier vor allem die Stadt Bruneck, einigermaßen günstig davon gekommen ist. Eine Ursache dafür dürfte gewesen sein, dass in der damals neu erbauten Stadt die Absperrmaßnahmen besser griffen als in älteren Ortschaften. Als damals die Pest ihre Wucht verlor, hatten die Herrschenden alle Hände voll zu tun, das Abwandern von Personen zu verbieten, da breite Landstriche bereits entvölkert waren. Man scheint in Bruneck unmittelbar nach dem Abklingen der Seuche einiges getan zu haben, um die Folgen abzuschwächen und eine Wiederholung der Katastrophe nicht zuzulassen.
Die Brunecker Badehäuser und die Beginen
Es dürfte in Bruneck nach dem Pestjahr 1348 zur Gründung einer Bruderschaft gekommen sein, deren Hauptaufgabe die Krankenpflege war. Leider wissen wir darüber aber nichts Genaues. Sicher ist, dass die zwei Bäder, die es im mittelalterlichen Bruneck gab, eine wichtige sanitäre Aufgabe zu erfüllen hatten. Das „obere Badehaus“ lag in der heutigen Bruder-Willram-Straße gegenüber dem Müllerhause, das „untere Badehaus“ war das Vorgängergebäude des Gasthofs „Mondschein“. Die Bäder hatten in allen mittelalterlichen Städten eine mehr oder weniger wichtige medizinische Funktion, und das nicht nur in Bruneck. Ähnliches lässt sich auch von den Beginen (oder Begutten oder Betschwestern) sagen, die im 12. Jahrhundert in den Niederlanden erstmals auftraten und sich in viele europäische Länder verbreiteten. Es handelte sich dabei um den Ordensschwestern verwandte Gemeinschaften. Sie kannten keine Gelübde oder Ordensregeln, wählten sich aber eine Vorsteherin und wohnten meist in eigenen Heimen, den Beginenhöfen. Auch in Bruneck gab es die Beginen. Sie wohnten in der „Peunte“ gegenüber dem Ragenhaus. Um 1430 traten sie urkundlich erstmals auf, nach 1519 verliert sich ihre Spur.
Dass Bruneck als zentraler Ort im mittleren Pustertal heute mit ca. 15.000 Einwohnern über ein Hallenbad und ein offenes Schwimmbad verfügt, entspricht seiner Bedeutung. Es wundert einen aber, dass es in der Stadt auch schon im Mittelalter bei nur 1.200 Einwohnern zwei öffentlich zugängliche Bäder gab, die nicht nur die körperliche Reinigung zum Ziel hatten, sondern auch medizinische Aufgaben erfüllten und zudem soziale Treffpunkte waren. Das „Obere Badehaus“ gehörte am Ende des 15. Jahrhunderts einem Wundarzt aus Hall, der es 1494 an den Brunecker Bürger Hannsen Prenner verkaufte. Im Jahre 1508 stiftete dessen Frau Regina ein „Seelbad“ für die Armen der Stadt, die sich das Eintrittsgeld ins Bad nicht leisten konnten. Sie sollten am Montag nach dem Palmsonntag gratis baden dürfen, aber erst nach einem gesungenen Seelenamte und vier gesprochenen Messen, wofür man eine kirchliche Aufenthaltsdauer von etwa drei Stunden anzusetzen haben wird. Außerdem durften sich die Leute drei Blutegel setzen lassen. Dieses „Schröpfen“ war im Mittelalter und weit darüber hinaus ein häufig gebrauchtes medizinisches Mittel, das gegen fast alles half oder es zumindest sollte. Die Bader waren nicht nur für die Warmwasserbereitung zuständig, sondern mussten auch die Dienste des Badknechtes und der Reiberinnen garantieren. Darüber hinaus übten sie sehr lange auch ärztliche Funktionen aus. Die dafür verrechneten Honorare waren relativ hoch. Im 17. Jahrhundert zahlte man dem Bader in Bruneck für das Schröpfen 2 Kreuzer und gleichviel auch für das Haarschneiden. Das Ausbrechen eines Zahnes kostete doppelt so viel. Zum Vergleich: damals verdiente ein Zimmerer oder Maurer pro Tag 8 Kreuzer und die Kost, eine weibliche Tagwerkerin 3-4 Kreuzer und die Kost.
Die mittelalterlichen Badesitten waren sehr freizügig. Männer und Frauen trafen sich im Bade so, wie Gott sie geschaffen hatte und setzten sich nebeneinander in den Badezuber, wo sie aßen und tranken. Erst als die Kirche in sittlichen Fragen nach dem Konzil von Trient die Zügel anzog, gelang es ganz allmählich, die Badefreuden nicht nur einzuschränken, sondern ganz zurückzudrängen. Das war nicht nur das Ende der „schamlosen Zeit“, sondern auch des städtischen und ländlichen Badewesens.
Die Gründung des Spitals
Es spricht für die Brunecker, dass sie im Gefolge der größten Pestkatastrophe der Geschichte sich darüber Gedanken machten, wie in Zukunft derartige Katastrophen zu vermeiden wären. Es begann damit, dass eine Brunecker Bürgerin, die Frau Diemut die Wittelspekin, den Kirchen im Raum Bruneck eine ansehnliche Ölspende zukommen ließ und der zuständigen Bruderschaft eine größere Menge Getreide. Hauptzweck dieser Stiftung war aber, „dass man ain Spital wolt machen zu Brunegk“. Die Stadt nahm die Sache in Angriff, allerdings vergingen zehn Jahre, bis der Bau des Spitals endlich Form annahm. Im Grunde hing alles von der für das Spital getätigten Stiftung ab, die vom reichen Brunecker Bürger Heinrich dem Stuck im Jahre 1358 zur Verfügung gestellt wurde. Heinrich der Stuck war ein Bruder von Niklas, dem Erbauer der Rainkirche. Er übergab eine Reihe von Gütern an den Kirchenprobst der Unser-Frauen-Kirche in Bruneck mit der Bedingung, dass aus dem Erlös arme Jungfrauen beraten und arme Leute versorgt würden. Wenn aber das Spital zustande kommen sollte, waren die von Heinrich dem Stuck gestifteten Güter diesem zu übergeben. Damit war die Finanzierung des Spitalsbaues gesichert, sodass dieser in Angriff genommen werden konnte. Das Verzeichnis der von Heinrich dem Stuck gestifteten Güter enthält u. a. folgende: Ein dem Stuck gehörender Hof in Pfalzen, dann ein Gut, das der Stuck käuflich erworben hatte, ein Hof in Länzing, eine Hube zu Neunhäusern und eine zu Niederrasen, gekauft vom Bruder Chunrich des Heinrichs der Stuck, dazu Geldsummen u. a. Wülenbach betreffend. Zum Schluss verzichtet Heinrich der Stuck „ewiglich“ für sich und seine Erben auf alle seine Güter und niemand sollte ein Recht darauf haben. Datum: 1358, nächster Mittwoch vor St. Jakobenstag.
Die Familie Stuck
Die Familie Stuck dürfte vom Gründerbischof der Stadt, Bruno von Bullenstätten und Kirchberg, von Schwaben nach Bruneck geholt worden sein und daher zu den ältesten Familien der Stadt gehört haben. Sie dürfte es zunächst im Dienste des Bischofs und dann wohl im Handel zu erheblichem Wohlstand gebracht haben, sodass die von ihr ausgehende reiche Spitalsstiftung eigentlich nur eine zeitgemäße Folge ist und zwar nicht die einzige, hatte doch Nikolaus der Stuck schon einige Jahrzehnte früher die Rainkirche erbauen lassen und dort eine ewige Messe gestiftet. Conrad, vielleicht ein weiterer Bruder der zwei genannten Stuck, der die Herrschaft Buchenstein besaß, tat sich ebenfalls durch Spendenfreudigkeit hervor, vor allem unterstützte er den Bau des Spitals mit ganz erheblichen Mitteln. Die Gründungsurkunde des Spitals ist mit dem Christtag 1375 datiert und ist wieder mit einer größeren Geldsumme verbunden, die an den Schatzmeister des Spitals ging. Schatzmeister war Jakob Kirchmayr zu Ragen.
Die Stadt Bruneck lebte von den Stiftungen ihrer Spitzenbürger so gut, dass man befürchten musste, wenn sie ausstürben, wäre das mit einem Niedergang der städtischen Kultur verbunden. Dem war dann allerdings nicht so. Der letzte der in Bruneck lebenden Stuck war Lienhard, der 1368 starb und in der Rainkirche begraben wurde. Damit endete die Zeit des stuck´schen Sponsorings, das dann aber u. a. von der Familie Söll wieder aufgenommen und weitergeführt wurde. (RT)
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