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Hansjörg Viertler aus Toblach

„Jeder Arbeit sollte man einen tieferen Sinn geben, so mühe- oder freudvoll sie auch sei. Damit habe ich meinen Lebensslalom bewältigt.“

 

Hansjörg Viertler erhielt in Innsbruck die Verdienstmedaille des Landes Tirol für seine Verdienste im Tourismus. Der 70-Jährige setzte im Hochpustertal einzigartige Initiativen, die zu einem internationalen Aushängeschild geworden sind und kulturelle Kostbarkeiten für Einheimische und Gäste bedeuten.

Herr Viertler, überraschte Sie die Auszeichnung?
Als ich den Brief mit den Logos von Nord- und Südtirol erhielt, war ich schon angenehm überrascht. Der Termin überschnitt sich mit einer geplanten Familienfeier in Berlin, aber die Fahrt nach Innsbruck konnte ich doch noch arrangieren. Es freut mich, dass gewisse Initiativen nicht umsonst waren und dass sie anerkannt werden.

Sie haben die Gustav Mahler-Musikwochen in Toblach mit ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Die Mahler-Gesellschaft in Wien bemühte sich bereits in den 1950er-Jahren, dem Komponisten in Toblach ein ehrendes Gedenken zu setzen. Als ich mit etwa 30 Jahren Direktor des Tourismusvereins Toblach wurde, entstand 1981 mit dem damaligen Präsident, Herbert Santer, der Gedanke, ein Musikfestival zu organisieren. Wir bildeten ein eigenes Komitee für kulturtouristische Veranstaltungen; weder in Bozen noch in Meran gab es Vergleichbares. Es war eine verrückte Idee, in einem alpinen Dorf, das sich mit Bergsteigen oder Wintersport definiert, ein klassisches Musikfestival aufzustellen. Die finanzielle Verantwortung war groß, aber mit Zuversicht und jugendlichem Elan konnten wir die Konzertreihe erfolgreich fortführen. Die Musikwochen sind heute nach 40 Jahren international geschätzt und fördern den Kulturtourismus im Land.

War die Aufbauarbeit schwierig?
Es bedurfte viel an Improvisation, zumal wir keinen Konzertsaal hatten und die Aufführungen in der Pfarrkirche Toblach oder in den Nachbarorten stattfanden. Trotz der ungünstigen Austragungsorte war der Anklang überwältigend. Wir vermochten, internationale Koryphäen hierher zu bringen und nannten es das Wunder von Toblach. Wir hatten auch Glück, denn zeitgleich in den 80er-Jahren begann in Italien die Gustav Mahler Renaissance. Organisatorische Fehler wurden uns aufgrund unserer jugendlichen Unbekümmertheit und Einsatzfreude verziehen.

Sie haben auch das Kulturzentrum Grand Hotel aus der Taufe gehoben.
Die Musikwochen machten den Ruf nach einem Konzertsaal bzw. Kulturhaus immer lauter. Mit der Besitzübergabe des ehemaligen Grandhotels 1992 an das Land Südtirol, konnten auch die kulturellen Infrastrukturen verwirklicht werden, der Hotelbetrieb blieb in eigener Verwaltung bei der Kirche. Ich war damals Direktor des Tourismusverbandes Hochpustertal, wechselte dann zur Geschäftsführung des Vereins Kulturzentrums, der es im Auftrag der Gemeinde Toblach rund 18 Jahre lang verwaltet hat und viele Initiativen entwickeln konnte.

Wie kam es zu den Toblacher Gesprächen?
Hans Glauber und ich haben als Verein mit zwei Mitgliedern den Grundstein für die Toblacher Gespräche gelegt. Der Verein ist gewachsen und es hat sich daraus ein bis heute anerkanntes Umweltforum entwickelt.

Wollten Sie immer schon kulturtouristisch etwas bewegen?
Nein. Ich studierte Sprachen und so ergab sich das Angebot, für eine italienische Stahlfirma zu arbeiten, die in Brandenburg in der damaligen DDR ein Stahlwerk baute. Ich übersetzte Diskurse oder Schriftstücke in die jeweilige Sprache und führte die Formalitäten mit Behörden und Zoll durch. Gewohnt habe ich mit meiner Familie in West-Berlin und fuhr zur Arbeit in den Osten. Die Menschen in der DDR waren freundlich und das Arbeitsklima war gut. Einmal jedoch kam mir auf einem Seitenweg ein sowjetischer Panzer in die Quere und demolierte die Seitenlänge meines Autos. Mit der Fertigstellung des Stahlwerks 1980 endete mein Vertrag und ich erhielt in der DDR Angebote, weitere Projekte zu begleiten. Meine Familie wollte sich aber nach Südtirol orientieren. Nie hätte ich gedacht, dass sich mein Leben im Tourismus definieren würde, vielmehr schwebte mir ein Lehramt vor. Für die Stelle als Direktor des Tourismusvereins bewarb ich mich mehr zufällig, weil die Stelle freigeworden war.

Was bedeutet für Sie die Musik von Gustav Mahler?
Für mich hat sich mit Mahler ein Lebensweg eröffnet, seine Musik lässt mich nicht los und wird mich immer begleiten. Nach dem Tod meiner ersten Frau hatte ich das Glück, nochmal heiraten zu dürfen. Sybille Werner, eine Dirigentin und Mahlerforscherin, lernte ich durch Mahlers Musik kennen. Mein Leben erhielt durch Mahler einen Sinn, persönlich, privat und auch dadurch, dass wir in Toblach etwas mit Bestand schaffen konnten, das neue Möglichkeiten für die Zukunft eröffnet und für Südtirol und darüber hinaus von Bedeutung ist. Man muss sich Mahlers Musik öffnen und sich über Liebe und Tod in himmlische Sphären führen lassen. Oberflächlich beschwingt lässt er dich nicht rein in seine Musik. (IB)