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Hedi Gruber Aichner aus Sand in Taufers

„Ich blicke mit Dankbarkeit auf ein erfülltes Leben zurück.“

Hedi Aichner war Pharmazeutin und betrieb mit Ihrem Mann Ende der 1950er-Jahre die Apotheke in Sand in Taufers. Die heute 93-Jährige erzählt gerne aus ihrem Lebensbuch.

Frau Aichner, erzählen Sie uns von früher …
Ich wuchs in Kufstein als Kind einer Bäckersfamilie auf. Wie meine drei Geschwister half ich bereits früh in der Bäckerei meines Vaters, der aufgrund seines Berufes für die Grundversorgung der Bevölkerung, nicht in den Zweiten Weltkrieg musste. Die Gesellen aber wurden alle eingezogen, weshalb eben dann wir Kinder anpacken mussten. Meine Mutter war eine großherzige Frau und unterstützte Leute, wenn sie in der Kriegszeit keine Brotmarken hatten. Ich übernahm die Kontrolle der Brotmarken, das musste alles genauestens registriert und am Ende eines jeden Monats an das Gesundheitsamt übermittelt werden. Von den registrierten Brotmarken hing ab, wieviel Mehl mein Vater zur Brotproduktion zugestellt bekam. Uns ging es gut und wir mussten nie Hunger leiden. Wir hatten generell ein schönes Zuhause, dafür bin ich sehr dankbar. Überschattet wurde meine unbeschwerte Kindheit 1940 durch einen schweren Arbeitsunfall in der Bäckerei, deren Folgen ich ein Leben lang zu tragen hatte.

Wie kamen Sie zum Studium der Pharmazie …
Das geschah auf Anraten unseres Hausarztes, der meinte, dass dies ein netter Beruf für ein Mädchen sei. Ich war skeptisch, da im Gymnasium nicht Chemie gelehrt worden war, aber der Arzt meinte, „des Patzl Chemie wirst ano derlernen“. Mit dem „Patzl“ Chemie war ich bedient, denn ohne Grundlagen war es schwierig, aber ich schaffte das Studium schließlich doch problemlos. Während des Studiums in Innsbruck lernte ich meinen späteren Mann, Georg Aichner aus Rasen, kennen. Nach dem Abschluss des Studiums arbeitete ich noch kurze Zeit in einer Apotheke in Kufstein.

… und wie nach Südtirol?
Nach der Hochzeit 1957 mit Georg folgte ich ihm nach Sand in Taufers, nachdem Ende der 1950er dort die Apotheke Liensberger zur Pacht frei geworden war. Der Umzug nach Sand brachte für mich insofern etwas an Eingewöhnung mit sich, da die Struktur im Vergleich zu Kufstein veraltet war, auch dass ich kein Italienisch sprach, bereitete mir einige Hürden. Abgesehen von der Arbeit in der Apotheke, kümmerte ich mich vor allem um die Buchhaltung. Unserer Ehe entsprossen die Kinder Jörg, Hans und Sigrid. In diese Zeit fällt auch der Verlust von drei weiteren Kindern kurz nach deren Geburt, auch dies war ein schwerer Schicksalsschlag, den zu tragen nicht leicht war. Neben dem Haushalt und der Erziehung der Kinder, war ich bemüht, doch noch in der Apotheke zu arbeiten, damit mir das Wissen nicht entgleitet, es kamen ja ständig neue Medikamente auf den Markt.
Wie war damals die pharmazeutische Versorgung?
Früher erhielt man die Medikamente nicht fein säuberlich abgepackt, wie wir es heute kennen. Magistralrezepturen wurden nach Verordnung des Arztes bei uns in der Apotheke hergestellt, ebenso Salben, Medizin, Hustensäfte oder Tinkturen. Sogar Zäpfchen haben wir selbst angefertigt und auch Medikamente für das Vieh. Früher haben sich die Leute auch viel selber mit Kräutern beholfen, zum Arzt ging man ungern, auch konnten sich viele die Medikamente nicht leisten. Anfang der 1970er-Jahre kam die Pille auch zu uns ins Tal. Die Frauen hier waren sehr aufgeschlossen und erfreut über das Verhütungsmittel, das sie auf Rezept bei uns in der Apotheke erhielten. Etwas zurückhaltender waren die Frauen in den abgelegenen Orten, oft auch durch den Einfluss der Kirche.

Hatten Sie Heimweh nach Kufstein?
Eigentlich nicht. In Sand habe ich mich bald wohlgefühlt, da gab es keinen großen Unterschied zu den Leuten in Nordtirol. Ich traf sogar Optanten, die mich aus Kufstein kannten und dann wieder nach Südtirol zurück sind, auch kam meine Familie mich immer wieder besuchen. Eine große Freude war mir, als ich nach Jahren das Klavier, das ich daheim in Kufstein hatte, nach Sand geliefert bekam. Daheim hatten wir das Klavier im Zimmer über der Backstube, da wurden die Bäcker von meinem Üben beglückt. Ich begann hier wieder Klavierstunden zu nehmen, das Klimpern machte mir Spaß, ich vergaß dabei den Alltag. Es ist gar nicht so lange her, dass meine Klavierlehrerin mir noch Stunden gab!

Ihr kurzes Lebensresümee
Ich blicke mit großer Dankbarkeit auf ein erfülltes Leben zurück. Ich hätte keinen besseren Mann finden können als Georg. Auch die Kinder sind fleißig und arbeitsam. Es war ein gutes Leben. (IB)