Krimml/Kasern – Es war pure Dramatik, verbunden mit kluger Logistik: Vor genau 75 Jahren wurden Tausende Juden über den Krimmler Tauern geschleust. Am 3. Juli fand das bereits 16. „Alpine Peace Crossing“, eine Gedächtnisüberquerung des Krimmler Tauern zur Erinnerung an die Judenflucht in den Sommermonaten des Jahres 1947, statt.
Das Programm im Rahmen des Apline Peace Crossing 2022 am 2. und 3. Juli war allen verfolgten Menschen gewidmet und soll als Friedensappell nachhaltig wirken. Die Verfolgung des jüdischen Volkes kann gerade in heutiger Zeit stellvertretend für die vielen Flüchtlinge weltweit gesehen werden. Und in der Tat hat sich im Jahr 1947 ein Stück Weltgeschichte in Krimml abgespielt: Vermutlich ca. 8.000 jüdische Flüchtlinge haben damals einen schwierigen Weg in die Freiheit beschritten, nämlich über den 2633 m hohen Krimmler Tauern, den Übergang vom Krimmler Achental nach Kasern.
Schwieriger Weg in die Freiheit
Österreich war nach dem Ende des 2. Weltkrieges zur Drehscheibe des Exodus für ca. 200.000 Juden aus Zentral- und Osteuropa geworden. Während des Krieges waren 90 Prozent der osteuropäischen Juden zwischen Baltikum und Balkan ermordet worden. Der geringe Teil der jüdischen Bevölkerung, der den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten entgangen war oder diese überlebt hatte, spielte eine zentrale Rolle in den Flüchtlingstragödien der Nachkriegszeit. Von 800.000 Überlebenden konnten oder wollten mehr als ein Viertel nicht mehr an jenen Stätten weiterleben, an denen ihre kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Lebensgrundlagen zerstört worden waren. Zwangsumsiedlungen, Grenzverschiebungen und Antisemitismus ließen bei vielen Juden die Sehnsucht nach Auswanderung und Neuanfang wachsen. Ihr dringender Wunsch nach Heimat und Sicherheit wurde von einer ganzen Reihe jüdischer Organisationen unterstützt; auf diese Weise entstand eine der größten organisierten Fluchtaktionen, die es in Europa je gab. Da die Grenze nach Italien versperrt war, mussten verschiedenste Routen gewählt werden, die wenig oder gar nicht bewacht wurden. Der lange Fußmarsch über den Tauern war wohl die anstrengendste und spektakulärste Fluchtroute für Tausende Männer, Frauen und Kinder. Bis zu drei Mal wöchentlich flüchteten Gruppen von jeweils 150 – 200 Personen auf dem jahrhundertealten Kulturweg, der bereits zur Römerzeit benutzt wurde und den Flüchtlingen Kraft und Kondition abverlangte, nach Südtirol und von dort weiter nach Genua. Ziel der Flucht war Palästina.
Friedensdialog und –wanderung
Um an diese Ereignisse zu erinnern, die nun 75 Jahre zurückliegen, startete der gebürtige Salzburger Ernst Löschner die Initiative „Alpine Peace Crossing“, die allen Flüchtlingen auf der Welt gewidmet ist – eine Initiative, die mit Blick auf die derzeitigen Geschehnisse in der Ukraine nichts an Aktualität verloren hat. Die Vorträge und Diskussionen im Vorfeld sowie der Friedensdialog mit anschließender Friedenswanderung, die ca. 250 TeilnehmerInnen am 3. Juli Schritt für Schritt auf denselben Weg führte, den genau 75 Jahre zuvor die Flüchtlinge gegangen waren, fanden auch heuer wieder unter Ernst Löschners Organisation statt. Ein Gemeinschaftsprojekt der Gemeinden Krimml, Ahrntal und Prettau. „Damit verknüpfen wir eine Botschaft des Friedens. Wir appellieren an alle Menschen, jenen zu helfen, die auf der Flucht sind“, beschreiben die Organisatoren das Hauptziel dieser Veranstaltung. (SH)
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