Neuer Recyclinghof im Ahrntal

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Neuer Recyclinghof im Ahrntal

Steinhaus – Er ist noch nicht zur Gänze fertiggestellt, überzeugt aber bereits zur Gänze. Der neue Recyclinghof in Steinhaus ist ein gutes Beispiel dafür, dass funktionelle Architektur durchaus auch ästhetisch sein kann.


234 Tage Bauzeit. Das ist auf den ersten Blick nicht viel. Dennoch zog sich die Bauphase etwas länger hin, da nach Baubeginn im vergangenen Jahr die Arbeiten in den kalten Wintermonaten von Jänner bis April pausieren mussten. Gegenstand des Projektes war der Bau des neuen Recyclinghofes der Gemeinde Ahrntal in Steinhaus neben dem bestehenden Gemeindebauhof, und das auf einer Fläche von ca. 1.700 Quadratmetern. Der bisherige Recyclinghof bestand aus ein paar Containern beim Gemeindebauhof und entsprach nicht den heutigen technischen und funktionalen Standards. Er war somit eher provisorischer Natur und es war schon lagen klar, dass hier etwas getan werden musste. In beengten Verhältnissen im Gemeindebauhof integriert, konnte kaum eine moderne Recyclinghofstruktur entstehen. Aus diesem Grund wurde nach einem geeignetem Grundstück gesucht und glücklicherweise war die daneben liegende Parzelle wie gemacht für den Bau des neuen Recyclinghofs. Durch die Neuplanung des Recyclinghofes in unmittelbarer Nähe zum Gemeindebauhof war es nun möglich, beide Strukturen gut aufeinander abzustimmen, Synergien zwischen den beiden öffentlichen Einrichtungen zu fördern und das vorhandene Areal optimal zu nutzen. Besonderes Augenmerk wurde bei der Planung natürlich auch auf die optimale Platzausnutzung, die hohe organisatorische Funktionalität und die architektonische Einbindung in das benachbarte Umfeld gelegt. Es mussten dabei auch viele Vorschriften und Gefahren, wie z.B. die Hochwassergefahr der Ahr, berücksichtigt werden. Insgesamt wurde vom Ingenieurbüro Weiss, dem Architekten Werner Reifner und der Geologin Sonja Pircher eine architektonische Lösung erarbeitet, welche in ihrer Form und Gestaltung eine optimale Funktionalität ermöglicht und sich zugleich in das gesamte Ensemble aus Wiesen, Fluss, Straße und benachbarte Gebäude harmonisch einfügt. Aus Kostengründen wurde das Projekt jedoch in zwei Ausführungsphasen aufgeteilt. In der 1. Ausführungsphase werden alle wesentlichen Baueinheiten, die für den vollwertigen betrieb des RHs benötigt werden, realisiert. In einer 2. Phase wird das Flugdach über die Halte- und Fahrspur der Anlieferebene bis zu den Außenmauern hin erweitert und ermöglicht somit auch einen reibungslosen Winterbetrieb. Sobald das gesamte Flugdach über den Containern in der 2. Ausführungsphase komplett ist, kann auch die Holzverkleidung beim Dachrand realisiert werden, welche dem Recyclinghof erst das besondere architektonische Erscheinungsbild verleiht.

Für die Bürger, für die Umwelt
Das Ziel der Neuerrichtung des Recyclinghofes war es, die Wert- und Schadstoffsammlungen auf Gemeindeebene soweit wie möglich auszubauen und zu modernisieren, sodass zum einen weniger Hausmüll für die Bürger anfällt und zugleich Wertstoffe dem Recyclingzyklus zugeführt werden können. Somit erfolgt durch diese Einrichtung ein Dienst an dem Bürger, welcher durch die Schaffung einer modernen zentralen Entsorgungsmöglichkeit privaten Hausmüll reduziert, eine bürgernahe Umweltberatung, der durch geschultes Personal und unmittelbare Anschaulichkeit, Beratung ermöglicht wird, eine Qualitätskontrolle, welche durch das Personal gewährleistet wird und eine Vermarktung der Wertstoffe für die Gemeinde, welche Einnahmen generiert. „Als Resultat all dieser Bemühungen kann die Sammelquote von Wertstoffen weiter hochgeschraubt werden, was sich auf der ökonomischen Seite durch Einsparen von Müllvolumen auf den Deponien und anderen Entsorgungseinrichtungen auf Landesebene niederschlägt. Laut Erfahrungswerten kann der Restmüll durch eine strikte getrennte Sammlung bei vollständiger Ausschöpfung der Möglichkeiten auf bis zu 40-50 Gewichtsprozent des Hausmülls reduziert werden“, erklärt Ingenieur Martin Weiss, der die neue Anlage in Steinhaus geplant hat.

Drei Hochbauten
Die Anlage des Recyclinghofes in Steinhaus ist in drei wesentliche Bauelemente gegliedert: der Anlieferungs- und Verkehrsbereich für die Bürger, das Flugdach über den Wertstoffcontainern und das Gebäude mit Verwaltungsbüro und Lagern für Elektroabfälle und Schadstoffe. Der Anliefer- und Verkehrsbereich wurde auf zwei Ebenen aufgeteilt, damit die Wertstoffe auch einfach von oben in die Container geworfen werden können. Grundsätzlich ist jedoch die Befüllung der Container auch vom darunter liegenden Platz möglich. Die Höhenkoten des Platzes müssen wegen der Hochwassergefahr etwas höher liegen. Die Verkehrsabwicklung ist so organisiert, dass das Areal im Einbahnverkehr befahren wird. Über eine Fahrspur kommt man auf die daneben liegende Haltespur. Hier können die Bürger das Auto parken und über die Gehspur die Container befüllen. Alle Container sind über Podeste erreichbar. Das Flugdach schützt die Wertstoffe und die Menschen vor Regen und Schnee. In der ersten Ausbauphase ist jedoch nur die Gehspur überdacht, zu einem späteren Zeitpunkt soll auch die Halte- und Fahrspur überdacht werden. Somit funktioniert auch der Winterbetrieb reibungslos. Im Gebäude ist ein Büro für das Personal, als auch ein Bad vorhanden. In zwei weiteren Lagern können Schadstoffe, wie Lacke, Öle oder Säuren abgegeben werden, als auch Elektroabfälle wie Computer, Fernseher oder sonstige Geräte. Durch diese Anordnung können in kurzer Zeit viele Ankömmlinge abgewickelt werden und das übliche Chaos beim Recyclinghof wird vermieden. „Das zentrale architektonische Element der Anlage bildet das Flugdach, welches die Container und den Anlieferungsbereich überdeckt. Um den winterlichen Verhältnissen im Ort Rechnung zu tragen, werden alle 12 Container und der Gehweg und zu einem späteren Zeitpunkt auch die Halte- und Fahrspur komplett überdacht und durch eine Holzverblendung mit Lamellen visuell abgeschottet“, so Ingenieur Weiss. In Übereinstimmung mit dem vorhandenen Dorfbild wurde für die Überdachung ein Satteldach und nicht wie üblich ein überdimensionale Pultdach gewählt. Die lichte Höhe der Traufe beträgt auf allen Seiten ca. 6,0 Meter. Diese Höhe ist aufgrund der verwendeten Maschinen notwendig. Die Haupttragkonstruktion besteht aus einem Stahlrahmen mit Säulen, Riegel und Diagonalstäben. Die sekundäre Dachkonstruktion bilden Holzleimbinder mit darauf liegenden Sandwichpaneelen, welche passend zum Holz dunkelbraun sind. Um den Recyclinghof von den benachbarten Gebäude abzuschirmen und die Einsichtigkeit des Recyclinghofs von der Straße und der gegenüberliegenden Talseite zu beschränken wird der Eingangsbereich und die Rampenkurve mit offenen Lärchenholzlamellen beplankt werden, ebenso die seitlichen Flanken. Die verwendeten Materialien ergeben sich aus dem Anspruch, einen ökonomischen und nachhaltigen Recyclinghof zu schaffen und sollen die gesamte Anlage harmonisch in den gewachsenen Umgebungskontext integrieren. Zufrieden zeigt sich Martin Weiss auch mit der Zusammenarbeit mit den einheimischen Firmen: „Die Zusammenarbeit war sehr gut und ich muss ein großes Lob aussprechen. Die Baufirmen arbeiten sehr zuverlässig, lösungsorientiert, verantwortungsvoll und arbeiten mit hoher Qualität. Wir sind in ganz Südtirol tätig, aber die Zusammenarbeit auf dieser Baustelle war besonders gut und der Fokus lag auf der guten Realisierung des Projekts.“

Bereicherung für die Gemeinde
Der neu errichtete Recyclinghof ist eine große Bereicherung für die Gemeinde Ahrntal. Er ist nicht nur technisch auf dem neuesten Stand, auch der Grundriss wurde so geplant, dass später weitere Umbauten und Änderungen einfach möglich sind und das neu entstandene Gebäude somit für viele Jahre den Anforderungen der Gemeinde genügen wird. Vor allem auch seine Lage neben dem bestehenden Gemeindebauhof bringt viele Vorteile, da sich gewisse Tätigkeiten zwischen Gemeindebauhof und Recyclinghof überschneiden und die Arbeiter nur die Straßenseite wechseln müssen, um die moderne, technische Ausstattung des Recyclinghofs zu nutzen. „Da dieser sich direkt neben der viel befahrenen Ahrntaler Straße befindet und Steinhaus auch ein touristisch geprägtes Dorf ist, haben wir uns gleich auf eigene Initiative mit dem Architekten Werner Reifner von „undja Architektur“ zusammen geschlossen, damit dieser einen architektonischen Entwurf für das Areal ausarbeitet. Unser Anspruch war, dass auch ein Zweckbau den architektonischen Anforderungen genügen soll und sich die Gemeinde Ahrntal auch auf diese Weise präsentieren kann“, erzählt Martin Weiss. So basiert die Architektur auf einem abgestimmten Farbkonzept mit überlegter Materialwahl, klarer Linienführung und Einfachheit. Das spiegelt sich vor allem auch in den Ausführungsdetails wider, auf welche viel Wert gelegt wurde, beispielsweise bei der Gestaltung der Geländer, der frei schwebenden Podeste, die verschiedenen Abdeckungen mit Blechen, das Fugenbild des Betons beim Gebäude und die Fenster- bzw.-Toraufteilung beim Gebäude. „Das besondere an der Architektur des Recyclinghofes ist jedoch das schräg zulaufende Dach und die Holzverblendung der Lamellen, welche aus Kostengründen jedoch erst in einer zweiten Ausführungsphase realisiert werden“, sagt Ingenieur Weiss. Die Lamellen reduzieren den Einblick auf das Geschehen im Recyclinghof und verleihen ihm ein kompaktes Erscheinungsbild. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Vorzeigerecyclinghof, aber wir hoffen jedoch, dass die Dacherweiterung realisiert wird, damit der Recyclinghof dann vollendet ist“, betont Winfried Weiss. (SH)