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Eine Frau mit Energie und Weitblick

Mühlen in Taufers – Adele Obermair Wieser ist die rechte Hand von Firmenchef und Ehemann Franz Wieser. Der Betrieb für Tief- und Hochbau in Mühlen in Taufers besteht seit rund 60 Jahren und wurde von ihrem Schwiegervater Karl Wieser gegründet.

Die Firma Wieser gehört zu den Pionieren im alpinen Tiefbau und hat bis heute mit ihren Schwerpunkten: Bau von Skipisten, Speicherbecken, E-Werken und Beschneiungsanlagen, wesentlich die touristische Landschaft und Infrastruktur in Südtirol und weit darüber hinaus gestaltet sowie Hunderte Arbeitsplätzen geschaffen.

Eine neue Philosophie
Jetzt verfolgt man eine andere Philosophie. „Wir wollen die Firma nachhaltiger und qualitativ noch hochwertiger führen“, betont Adele Wieser, „das Streben nach immer mehr, immer größer ist nicht mehr zeitgemäß.“ Der Betrieb verfügt bereits über eine Umweltzertifizierung und hat Akzente gesetzt bei: Digitalisierung, GPS-Kontrollsystemen, Cloud-Modellen, Elektrifizierung des Fuhrparks mit Supercharger-Ladepunkten und ökologischer Schotterzertifizierung. Frau Wieser selbst ist geprüfte Auditorin für das Qualitätsmanagement und Abfallbewirtschaftung und hat sich außerdem um das Personalwesen, um Baustellenverwaltung, Projektkontrolle, Buchhaltung, Finanzen und Geschäftsleitung gekümmert. „Es war mir wichtig, in allen Sparten des Betriebs zu arbeiten, um die Komplexität der Firma zu verstehen und gleichzeitig einwirken zu können.“ Aus dieser Erkenntnis – ihrer 35-jährigen Mitarbeit und Erfahrung sowie nicht zuletzt dem Impuls ihrer Kinder – heraus, wollen sie und ihre Familie den Betrieb in eine Zukunft führen, wo Ökologie und Ökonomie ein Zusammenspiel ergeben und sich nicht gegenseitig ausschließen. Es ist gewiss oft eine Gratwanderung, aber im Schatten der Klimakrise wird es zu einem Muss für alle Wirtschaftszweige.

Die nächste Generation
Auch ihre Tochter Felizitas arbeitet in der Firma. „Für uns war es nie ein Thema, ob Mann oder Frau in einem Betrieb die Zügel halten, auch aus dem Grund, weil meine Schwiegermutter und Firmengründerin, Anna, bereits so taff und kompetent war. Ich mag grundsätzlich keine Klischees, schon gar nicht in der Genderfrage. Bei uns besetzen Frauen auch LKWs oder projektieren als Geometerinnen auf der Baustelle. Fachliche Kompetenz lässt sich lernen und mit Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein hat eine Frau in sogenannten Männerberufen kein Problem. Das Allerwichtigste ist Mut. Und Mut entsteht im Tun und ist deshalb unerschöpflich“, sagt Adele Wieser.
Sohn Benedikt ist nach elf Jahren im Ausland in den Betrieb zurückgekehrt. Er studierte Architektur und Städtebau, und von seinem letzten Wirkungsort, Hongkong, holte ihn vor allem die dortige instabile politische Lage heim nach Mühlen. Getrieben durch immer striktere gesetzliche, urbanistische und bauliche Anforderungen will man sich künftig vermehrt der Planung und Beratung widmen. „Die Nachfrage ist groß“, so Benedikt Wieser, „wir werden zur Beratung auch in andere Länder gerufen, weil man dort nicht die Fehler früherer Jahre wiederholen möchte.“

Adele Wieser, die Verwaltungsrätin
Adele Wieser sitzt weiters seit sieben Jahren im Verwaltungsrat der Speikboden Seilbahnen AG. Sie will ein Wir-Gefühl schaffen und dass die Einheimischen stolz auf ihr kleines, feines Wander- und Skigebiet sind. Ihr geht es um technische Erneuerung, vor allem durch Investitionen in erneuerbare Energien. „Mein Credo ist, dass wir Nachhaltigkeit nicht mit einem Verzichtgedanken sehen und es einem Schuldmanagement unterordnen. Nachhaltigkeit sollte kein Moralthema, sondern ein Innovationsthema sein. Ich bin in der Wirtschaft beheimatet und begeistere mich für eine neue Mentalität und Sensibilität, für ein Management, das vorwegnimmt, was eines Tages sowieso Rechtsnorm werden wird.“
Um diesen Ideen Basis und Entwicklung zu verleihen, ist Adele Wieser zudem Mitbegründerin und Verwaltungsrätin im Konsortium „Zukunft Ahrntal“. Ziel ist es, die gesamte Talschaft auf dem Weg der Nachhaltigkeit nach den GTSC-Kriterien zu zertifizieren: den Lebens-, Wirtschafts- und Landschaftsraum sichern, alle Entscheidungen im Einklang mit Ökonomie, Ökologie und Sozialem treffen, lokale Kreisläufe fördern, Natur und Landschaft erhalten und pflegen, ehrliche Gastfreundschaft leben und ein offenes Miteinander verfolgen. Dazu gehören CO²-Messung in den Skigebieten, Investitionen in nichtfossile Energien, Mülltrennung und -vermeidung, Mobilitätskonzepte, Förderung von Green Events usw.

Freundeskreis UNESCO Tauferer Ahrntal
„Wir dürfen nicht glauben, dass Dinge immer mit dem aktuellen Wissen in dieser Wahrscheinlichkeit eintreten, sondern wir sollten Visionen und Perspektiven von einer möglichen Zukunft entwickeln unter Einbeziehung der Antizipation und Vorstellungskraft“, so Adele Wieser. Aus dieser Überlegung gründete sie jüngst den Freundeskreis UNESCO Tauferer Ahrntal und veranstaltet Vorträge und Diskussionsrunden, wo es um Klimakrise, KI, Digitale Technologien, Demografischen Wandel, usw. geht. Unterstützt wird sie dabei vom gebürtigen Tauferer Politikwissenschaftler, Politologen und Forschungsprofessor DDDr. Roland Benedikter.

Adele Wieser privat
Ein Steckenpferd von Adele Wieser ist die Musik, Richtung Blues und Rock. Bereits als 15-Jährige verdiente sie ihr Taschengeld als Sprecherin bei der damaligen Freien Welle Pustertal mit Sitz in Sand in Taufers. „Es machte mir riesigen Spaß, nachmittags nach der Schule, im Studio Musiksendungen zu gestalten und zu moderieren, Werbeclips aufzunehmen usw. Ich hatte damit zehn Jahre lang einen recht großen Erfolg, erhielt auch Angebote von mehreren Rundfunkanstalten und kurz vor meiner Heirat sogar eine Anstellung in der Redaktion und als Sprecherin bei Rai Südtirol. „Es wäre mein Traumjob gewesen, den ich immer angestrebt hatte und der mich total erfüllt hätte. Aber es siegte die Liebe und ich entschied mich, meinen Mann Franz im Betrieb zu unterstützen.“ Wegen der aufreibenden Herausforderungen ihres stressigen Alltags – sie war seit zehn Jahren nicht mehr im Urlaub, nur auf kurzen Wochenendtrips zum Ausspannen – findet sie vor allem nachts Zeit für ihre Leidenschaft, das Lesen von Fachliteratur, politischen Berichten und Lyrik; sie schreibt übrigens selbst Gedichte. Sie ist überzeugte Europäerin und Demokratin, tolerant, ausgleichend und willensstark. „Und an den Ruhestand denke ich noch lange nicht!“, sagt die 60-Jährige Powerfrau voller Charme und Esprit. IB