Stefan Riße
Beim seinem Vortrag, der im Rahmen der Herbstveranstaltungen des Raiffeisen InvestmentClubs organisiert wurde, ließ Stefan Riße keine Zweifel daran, dass die Wahl von Trump große Veränderungen für Europa und damit auch für uns einleitet.
Sehr geehrter Herr Stefan Riße, Die US-Wahl 2024 ist Geschichte. Donald Trump ist wieder Präsident der Vereinigten Staaten. Die Kapitalmärkte scheinen sich darüber zu freuen?
Stefan Riße: Donald Trump steht für Unternehmenssteuersenkungen, was für mehr Nachsteuererträge für Aktionäre sorgt. Außerdem steht Trump ja generell für weniger Regulierung und Wirtschaftsfreundlichkeit. Die Börsen erinnern sich zudem an die erste Amtszeit von Donald Trump, die für die Aktien ausgesprochen positiv war.
Stefan Riße
Was machen Anleger am besten aus dieser Situation?
Aktien bleiben tatsächlich ein Muss in den nächsten Jahren. Die geplanten Zölle, die nicht ohne Gegenreaktionen bleiben werden, dürften zu einem Anstieg der Inflation zur Folge haben. Der Zins von festverzinslichen Anlagen wird so aufgefressen, Aktiengesellschaften können die Preiserhöhungen weitergeben, wie wir beim Anstieg der Inflation 2021/22 gesehen haben. Dementsprechend gut haben sich die Aktien in der Zeit entwickelt.
Einige Wochen nach der Wahl zeigt sich der Dollar stark. Wie schätzen Sie die Situation ein, ist sie von Dauer?
Das glaube ich nicht. Betrachtet man die Kaufkraftparität des Dollars, dann ist dieser massiv überbewertet. Jeder der in die USA fährt, kann das beobachten. In Euro gerechnet sind die USA teuer als die Schweiz. Trump will keinen festen Dollar, weil er die Exportchancen der heimischen Industrie immer weiter verschlechtert. Der Effekt der Zölle würde so konterkariert.
Gibt es US-Unternehmen, die man als Anleger vielleicht gut im Blick haben sollte oder sollten wir besser auf binnenmarktorientierte Unternehmen setzen?
Grundsätzlich sind Dienstleistungsunternehmen, also z.B. solche, die ihr Geschäft im Internet machen nicht von Zöllen betroffen, genauso wie eben Unternehmen, die eher binnenmarktorientiert sind. Das ist schon richtig.
Wie ist der Zusammenhang Weißes Haus – Börse zu verstehen, schließlich macht es an der Wall Street einen Unterschied, wer gerade US-Präsident ist, stimmt’s?
Der Unterschied ist über viele Jahrzehnte betrachtet nichts so groß. Gibt da immer wieder Statistiken, die besagen in welcher Konstellation Weißes Haus und Kongress es die beste Aktienperformance gab. Aber die Politik ist immer eine andere. Auch die Parteien haben sich verändert. Früher galten die Demokraten als konservativ und protektionistischer, heute ist es umgekehrt. Insofern würde ich hiervon keine Anlageentscheidungen ableiten.
Welche Konsequenzen hat das Wahlergebnis allgemein für die Finanzmärkte – auch für unsere?
Insbesondere für unsere könnte sich die America First Politik noch negativ auswirken. Es bleibt abzuwarten, was nur Drohgebärden Donald Trumps sind, und was er tatsächlich umsetzt. Auch die Standortsicherheit Europas wäre natürlich anders zu betrachten, wenn Trump das Beistandsversprechen der Nato aufkündigt und/oder die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellt.
Neben den Zöllen wird unter Trump ein weiterer Anstieg des Haushaltsdefizits und der Inflation befürchtet. Welche Auswirkungen hat das auf die Finanzmärkte?
Die Zinsen werden nicht steigen, wenn die Inflation wie erwartet anzieht. Das sollte sich niemand allzu große Hoffnung machen. Die Welt ist viel zu verschuldet für noch höhere Zinsen als aktuell. Und die weiter wachsende Verschuldung lässt sich allenfalls nur Schultern mit tiefen Zinsen. Eher werden die Notenbanken das Inflationsziel auf vier Prozent anheben, wie dies immer wieder gerade zuletzt gefordert wird. Aktien sollten wie erwähnt der Profiteur sein, wahrscheinlich auch Gold und Immobilien. Sachwerte bleiben ein Muss! Der Dollar könnte bei zu starkem Wachstum des US-Staatsdefizits eher fallen.
Inwieweit kann sich die Regierung Trump also auch auf die Inflation hier in Südtirol auswirken?
Da Europa auf neue Zölle der USA sicher mit Gegenmaßnahmen reagieren wird und wahrscheinlich auch gegenüber China Zölle erhöhen muss, wenn die USA dies tun, dürfte auch in Europa und auch in Südtirol der Preisanstieg ankommen.
Auswirkungen auf die Finanzmärkte bedeutet auch Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik – was kann abschließend vielleicht noch dazu gesagt werden?
Die kommende zeit kann sehr herausfordernd sein. Ein richtiger Handelskrieg würde wohl zu einer Rezession bei gleichzeitig steigenden Preisen führen – einer Stagnation also. Eine solche Konstellation ist die denkbar schlechteste, die die ohnehin schon erstarkten politischen Kräfte an den Rändern weiter stärken wird. Es geht insofern nicht nur in den USA, sondern auch im Rest der westlichen Welt um unsere demokratischen Werte.
SH