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America first

Die USA sind Europameister. Klingt komisch, ist aber so, zumindest im Broomball. Die favorisierten US-Boys setzten sich beim Turnier Anfang November in Neumarkt nur knapp durch. Im Halbfinale gegen die Bad Boys aus Steinhaus wankte der Favorit aus Amerika gehörig.

Broomball ist in unseren Breiten gemeinhin als Besenhockey bekannt und Südtirol dominiert diese Sportart auf nationalem Niveau seit Jahren. Der Serienmeister Sharks Leifers sowie die Bad Boys aus Steinhaus im Ahrntal sind die hiesigen Schwergewichte, wenn es darum geht mit Turnschuhen über spiegelglattes Eis zu sausen und dabei einen kleinen runden Ball mit einem Holz-Kunststoffschläger ins gegnerische Tor zu befördern.
Anfang November ging in Neumarkt im Südtiroler Unterland die Europameisterschaft im Broomball über die Bühne. Das Turnier wurde in drei verschiedenen Kategorien ausgetragen: zum einen für Nationalmannschaften, zum anderen für Mixed-Mannschaften (also Männer und Frauen) sowie für Club-Mannschaften. In der letztgenannten Kategorie waren auch die Bad Boys aus Steinhaus mit am Start. 2011 hatten die Jungs aus dem Toul die Kontinental-Meisterschaft gewonnen, beim letzten Turnier vor zwei Jahren hingegen schnitten sie eher enttäuschend ab. Entsprechend ehrgeizig gingen Hofer, Platter & Co. diesmal ins Turnier.
Dabei waren die Vorzeichen nicht besonders rosig. Die nationale Meisterschaft startet erst im Dezember, den Bad Boys fehlte also die nötige Spielpraxis und vor allem das notwendige Training. Zudem müssen sie in der heurigen Saison den Ausfall von Spielertrainer Harald Egger verkraften, der aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich die gesamte Spielzeit pausieren muss. Ohne ihren Leitwolf fuhren die Bad Boys also nach Neumarkt und starteten gleich mit einer ordentlichen Klatsche ins Turnier.
Der Gegner in der ersten Partie hieß Dolomiti Warriors. Das Team aus Auronzo ging als leichter Favorit ins Match. Einige Spieler des Italienmeisters Sharks Leifers hatten sich nach dessen Auflösung Ende der vergangenen Saison den Warriors angeschlossen. Der geballten Klasse dieses neu formierten Spitzenteams hatten die Bad Boys leider nur wenig entgegen zu setzen, auch, weil es für die Boys das erste Saisonspiel überhaupt war. Die Pusterer wirkten bei diesem ‚Kaltstart‘ etwas überfordert und so war es zwar enttäuschend aber wenig überraschend, dass sie am Ende mit 0:3 baden gingen. Der Auftakt war also ordentlich in die Hose gegangen, die Ernüchterung nach Spielende riesig, der Druck für die folgenden Spielen ebenso.
Doch die Bad Boys fingen sich. Unter Führung des neuen Trainergespanns Martin Hofer und Matthias Marchiori besannen sie  sich auf ihre alte Stärke und so gelang im zweiten Match gegen das Team der Wild Foxes ein ungefährdeter 2:0 Sieg. Es war ähnlich wie in den Play-Offs der Vorsaison: damals hatten die Boys ihre Titelchancen in der Golden League mit ein, zwei unterdurchschnittlichen Leistungen leichtfertig verspielt. Was folgte war eine Trotzreaktion und der Durchmarsch zum Titel in der Silver League.
Und so war es auch diesmal, bei der Euro. Der Auftaktniederlage folgte eine konstante Steigerung. Das Team war wach gerüttelt, mit dem Elan des Sieges gegen die Wild Foxes ging man in Spiel Nummer drei gegen die Gastgeber aus Neumarkt, die vor heimischem Publikum überzeugen wollten.
Die Unterlandler waren auf dem Papier ein ebenbürtiger Gegner und hatten obendrein den Heimvorteil auf ihrer Seite, was den Bad Boys allerdings herzlich egal war. Sie spielten schnörkellos, schossen zwei Tore, hielten ihren Kasten sauber und waren somit wieder auf Kurs und gleichzeitig qualifiziert fürs Viertelfinale, in dem die Red Devils aus Stilfes warteten. Jetzt fehlte nur noch ein Spiel, ein Sieg, um ins Halbfinale gegen die USA einzuziehen. Die Partie gegen die Red Devils verlief sehr ausgeglichen, was auch mit der ähnlichen Spielanlage der zwei Mannschaften zu tun hatte, die sich beide vornehmlich aufs Konterspiel verlegen. Am Ende holten die Bad Boys mit viel Einsatz und der nötigen Cleverness ein knappes 1:0 und erfüllten sich damit den Traum vom Spiel gegen die haushohen Favoriten aus den USA.
Wobei dieser Traum prinzipiell mit Vorsicht zu genießen war. Die US-Cracks hatten ihre Vorrunden-Spiele nicht bloß gewonnen, nein, sie hatten ihre Gegner zu Sparrings-Partnern degradiert und regelrecht auseinander genommen. Ohne ein Gegentor zu kassieren hatten sie in zwei Spielen sage und schreibe zehn Tore geschossen. Die Amerikaner waren nicht nur spielerische ein Macht, sie überragten auch körperlich das Gros ihrer Gegenspieler und gingen als klare Favoriten ins Semifinale gegen die Bad Boys. Aus dem Traumspiel hätte also durchaus auch ein Alptraum werden können.
Doch es kam anders als die meisten gedacht hatten. Die Bad Boys warfen alles in die Waagschale. Sie zögerten nicht und ließen sich auch auf das körperbetonte Spiel der Amerikaner ein. Diese machten mächtig Druck auf das Tor von Goalie Christian Oberhollenzer, doch der Führungstreffer wollte ihnen nicht gelingen. Die Bad Boys liefen zu Hochform auf, sie hielten dagegen, zeigten ihr bestes Broomball und mussten erst nach langem hin und her das 1:0 hinnehmen. Der Bann war gebrochen und viele im Publikum vermuteten bereits ein ähnliches Torfestival, wie es die Amerikaner schon in den Spielen zuvor geliefert hatten. Doch weit gefehlt, denn den Pusterern gelang sensationell der Ausgleich. Sie fügten den Amerikanern den ersten Gegentreffer überhaupt zu. Plötzlich war wieder alles offen und das Spiel hätte gut und gerne auch eine andere Wendung nehmen können, hätte der überforderte Schiedsrichter nicht irgendwann eine Strafe gegen die Boys verhängt, die sie in Unterzahl brachte. Dem Goliath aus den USA bot sich die Chance wieder in Führung zu gehen. Prompt fiel das 2:1 und damit waren Hofer & Co. gezwungen ihre eng gestaffelte Verteidigung aufzugeben. Diese Gelegenheit ließ sich der Gegner nicht nehmen und so kassierten die Boys schließlich das 3:1. Die Niederlage war besiegelt, der Favorit hatte sich durchgesetzt, wenngleich der Außenseiter einer Sensation verdammt nahe gekommen waren.
Es war das mit Abstand beste Match im Turnier der Clubmannschaften, eine Schlacht, die an den Nerven und an den Kräften der Bad Boys gezehrt hatte. Dieser enorme Verschleiß machte sich im Spiel um Platz drei bemerkbar. Pochi ’89, das Team aus Buchholz, dem die Bad Boys im Rahmen der italienischen Broomball-Meisterschaft regelmäßig begegnen, fand Mittel und Wege um die Boys zu provozieren. Es war kurios: Zwar fielen keine Tore, doch die Anzeigetafel im Stadion von Neumarkt war rammelvoll – voll mit verhängten Strafminuten, die gegen beide Teams ausgesprochen wurden. Es war ein ruppiges, ein zerfahrenes Spiel, das schließlich eskalierte, auch, weil die Schiedsrichter keinen kühlen Kopf bewahrten und das Geschehen auf dem Platz nicht mehr im Griff hatten. Sage und schreibe neun Minuten am Stück spielten die Boys in Unterzahl. Dazu gab es  Fehlentscheidungen und aufgeheizte Diskussionen. Das Spiel glich einem Drama, nur Tor wollte keines fallen. Bis zur letzten Minute. Denn wenige Sekunden bevor die reguläre Spielzeit zu Ende ging, zeigten Pochi ’89 eine sehenswerte Kombination, die mit einem wunderbaren Treffer abgeschlossen wurde.
Die Dramatik dieser letzten Partie, das Gefühl den verdienten dritten Platz denkbar knapp verspielt zu haben, hinterließ bei den Bad Boys zunächst einen bitteren Nachgeschmack. Dabei hatten sie mit ihrer Leistung im Halbfinale gegen den späteren Titelträger USA  eindrucksvoll bewiesen, dass sie auch heuer wieder zu den Favoriten in der italienischen Golden League zählen werden. Sobald die Enttäuschung der Last-Minute-Niederlage gegen Pochi ’89 abgeklungen sein dürfte, darf man sich bei den Bad Boys also definitiv auf die neue Saison freuen.