„Menschen sind heute länger alt“

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12. Juli 2018
Bruneck – Freiwilliger Landeszivildienst.
12. Juli 2018
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„Menschen sind heute länger alt“

Und wieder hat der Seniorengemeinderat Bruneck die Anliegen von Senioren aufgespürt und handelt. Seit Juni läuft eine kostenlose psychologische Beratung mit dem Psychologen und Psychotherapeuten Paul Hofer und ein Internetkaffee soll mit digitalen Sorgen aufräumen.

„Es ist oft schwierig, auf bestimmt Situationen einen Rat zu geben oder die Situation richtig einzuschätzen, wenn man kein Fachmann ist. Deshalb haben wir es im Seniorengemeinderat als wichtig empfunden die Menschen in psychologischen Fragen zu unterstützen“, erzählt die Präsidentin des Seniorengemeinderates Bruneck, Christina Gianotti. Heute sei es vielfach so, dass Senioren viel alleine sind: „die Kinder wohnen, studieren oder arbeiten oft im Ausland und leben nicht mehr zuhause. Senioren sind deshalb meist auf sich allein gestellt. Dazu kommt, dass die Menschen heute immer älter werden und damit länger alt sind“, sagt Christina Gianotti. Die neuesten Erhebungen des Landesinstitutes für Statistik (ASTAT) unterstützen die Aussage der Präsidentin. Die Daten zeigen, dass in den letzten Jahrzehnten die Lebenserwartung bei der Geburt, dank einer Reihe wichtiger Faktoren, stark gestiegen ist. In der Region Trentino-Südtirol betrug der Zuwachs der Lebenserwartung zwischen 1976 und 2016 mehr als 10 Jahre. Dazu kommt, dass die Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren in den letzten 40 Jahren kontinuierlich zugenommen hat: 1976 betrug sie auf gesamtstaatlicher Ebene 13,2 Jahre für den Mann und 16,5 Jahre für die Frau, 2016 bereits 19,1 Jahre für den Mann und 22,3 Jahre für die Frau. Nicht nur deshalb bräuchten Senioren eine Anlaufstelle, wo sie gehört werden, erläutert die Präsidentin. So auch mit dem Angebot der psychologischen Beratung. Das Angebot enthält verschiedene Punkte, zu denen bei Bedarf eine Beratung gemacht wird: so ist zum Beispiel der Übergang vom Beruf zur Pension oder ein Generationskonflikt in der Familie und im Betrieb, auf der Liste, die für die Senioren aufgehängt wurde. Aufgelistet sind auch depressive Verstimmungen, Sinnfragen, Trauerbegleitung, Süchte und Abhängigkeiten und Partnerschaftskonflikte. „Die Senioren können sich bei uns im Rathaus im 3. Stock oder auch telefonisch anmelden und wir vereinbaren dann einen Termin bei Paul Hofer, der ihnen dann mit fachmännischem Rat zur Seite steht“, erklärt die Präsidentin. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich das Angebot der Beratungen zu verschiedenen Themen, die Senioren bewegen, sehen lassen kann. Die angebotene Beratung zur Patientenverfügung des Seniorengemeinderates laufe seit ca. zwei Jahren. In dieser Zeit hätten sich an die 140 bis 150 alte Menschen gemeldet und informiert. Auch die Beratung zu Rechtfragen wie Testament, Familien- und Vertragsrecht und Sachwalterschaft, die jetzt über ein Jahr laufe, sei sehr gut angenommen worden, erörtert Christina Gianotti.

Die Präsidentin des Seniorengemeinderates Bruneck, Christina Gianotti.

Der Psychologe und Psychotherapeut Paul Hofer.

DAS SENIOREN-INTERNETKAFFEE
Diese Aktionen sind nur einige, die die Mitglieder des Seniorengemeinderates in den letzten Jahren für alte Menschen ins Leben gerufen haben. Eine völlig neue Idee, die jetzt im Raum stehe, sei ein Internetkaffee für Senioren, sagt die Präsidentin. Man sei gerade dabei die geeigneten Räumlichkeiten zu suchen. „Wir würden uns freuen, wenn wir in der alten Gemeinde in Bruneck, die gerade umgebaut wird,  einen geeigneten Raum für unser Vorhaben finden könnten. Die zunehmende Digitalisierung ist für viele Senioren ein großes Problem, deshalb haben wir uns entschlossen ein Internetkaffee einzurichten, wo die Menschen wirklich tagtäglich hingehen können, wenn sie digitale Fragen haben. Ein Kurs reicht heute nicht mehr aus. Fast jedes Dokument wird heute digital gebraucht. Viele Senioren können mit Computern und Internet einfach nicht umgehen und wollen es auch gar nicht. Wir möchten in diesem Kaffee ehrenamtliche Mitarbeiter, die sich in digitalen Dingen auskennen und den Senioren helfen, zudem soll das Kaffee zentral gelegen sein, damit es die Senioren leichter erreichen können. Wir sind guter Dinge, dass wir dieses Projekt umsetzen können“, erklärt Christina Gianotti. „Es ist diese und die nächste Generation betroffen – 80 Prozent der heutigen Senioren brauchen dringend digitale Hilfe. Das ist ein großes Phänomen unserer Zeit“, so Christina Gianotti, die seit der Gründung des Seniorengemeinderates im Jahr 2000 Präsidentin ist.

WARUM EINE PSYCHOLOGISCHE BERATUNG?
„Das Ziel des psychologischen Angebotes im Rahmen des Seniorengemeinderates ist eine Orientierungshilfe zu bieten, wie Menschen mit Fragen rund um das Leben umgehen können und wo sie bei Bedarf die notwendige Hilfe bekommen. Der Übergang ins Alter bietet bestimmte Herausforderungen, die jeden mit dem eigenen Leben konfrontieren. Wie kann ich mich mit meinem Leben, wie es war, wie es ist und wie es in Zukunft sein wird aussöhnen?“, erläutert der Psychologe und Psychotherapeut Paul Hofer.

„LEBE ICH MEIN ALTER?“
Zentral sei und bleibe das Thema: „Lebe ich mein Alter, mein Älterwerden( aktive Haltung) oder werde ich von meinem Alter/Älterwerden gelebt ( passiv-resignative Haltung). Da steht jeder Mensch vor einer herausfordernden Lebensaufgabe, die für ihn zugleich aber zur Gelegenheit für neue Möglichkeiten werden kann. Man weiß im Leben letztlich nie, wo der Schatz im Acker liegt – manchmal gerade da, wo man ihn am wenigsten vermutet“, erklärt Paul Hofer. Ein wichtiges Thema, das auch auf der Liste des Seniorenbeirates steht, ist der Übergang vom Beruf in die Pension. „Alle Übergänge in unserem Leben bedeuten für uns Menschen auch Herausforderungen: das Leben braucht eine neue Orientierung. Ein solcher wichtiger Übergang ist der Wechsel vom Beruf in das Pensionsalter.

VOM BERUF ZUR PENSION
„Einerseits kann vieles abgegeben werden, andererseits steht die betreffende Person vor einer neuen Aufgabe, die herausfordernd und auch belastend sein kann. Fragen, die in dieser Situation auftauchen: wie gestalte ich jetzt meinen neuen Lebensabschnitt? Wo und wie verändern sich Partnerschaften und andere zwischenmenschliche Beziehungen? Kann ich das immer Älterwerden mit seinen vielen Fragen und Problemen und vielleicht auch Krankheiten annehmen?“, erklärt der Psychologe und Psychotherapeut. In solchen Phasen des Übergangs und der Veränderung sei es ganz verständlich, dass auch depressive Verstimmungen und Angstzustände  – bis hin zu Suizidgedanken – auftauchen, betont Paul Hofer und führt aus: „Kann und darf ich solche Ängste und Gedanken überhaupt zulassen oder schäme ich mich dafür? Ganz wesentlich ist auch die Frage: was hat mein Leben in dieser Phase noch für einen Sinn? Kann ich den Gedanken an den eigenen Tod zulassen und was löst das alles in mir aus? Religiös-spirituelle Fragen tauchen auf und verlangen nach Antworten – sofern solche Fragen und Themen überhaupt zugelassen werden.“

TRAUER UND TOD
Die Trauerbegleitung nach Todesfällen und schweren Verlusten sei laut dem Psychologen und Psychotherapeuten ein nächstes wichtiges Thema, das zum Älterwerden dazugehöre. „Wenn Menschen aus unserem bisherigen Umfeld krank werden oder sterben, werden viele mit dem Thema des Loslassens konfrontiert. Wie gestalten wir unser Alleinsein und vielleicht auch Einsamsein?“, fragt Paul Hofer. Bei diesen Herausforderungen sei es wichtig, sich nach neuen sozialen Kontakten umzusehen und die Endlichkeit des Lebens anzunehmen, sich dem Thema anzunähern, indem Gespräche mit Fachleuten gesucht werden.

PARTNERSCHAFTSKONFLIKTE
Auch Partnerschaften und freundschaftliche Beziehungen seien in dieser Lebensphase unweigerlich Veränderungen unterworfen, würden Konflikte und Krisen mit sich bringen und wollen demnach neu gestaltet werden. Zwischenmenschliche Beziehungen würden in dieser Lebensphase naturgemäß abnehmen, seien andererseits aber besonders wichtig für die alltägliche Lebensgestaltung, so Paul Hofer.

SÜCHTE UND ABHÄNGIGKEITEN
„Bei der Konfrontation mit diesem Lebensabschnitt und bei dessen Gestaltung können als ‘Hilfsmittel‘ Süchte und Abhängigkeiten wie Alkohol, Tabletten oder Spielen zum besonderen Thema werden bzw. sich noch verschärfen, wenn sie vielleicht vorher schon in irgendeiner Weise aktuell waren“, erklärt Paul Hofer. Hier wäre es wichtig, sich zu fragen, was mögliche Alternativen wären? Was suche ich eigentlich in meiner Sucht? Sinnfragen und verdrängte, religiöse Lebensthemen würden sich häufig dahinter verbergen, hält der Psychologe und Psychotherapeut fest.

DESUNDHEIT UND KRANKHEIT
„Manche kommen nicht damit zurecht, dass ihre körperlichen Kräfte zunehmend nachlassen. In dieser Situation ist es gut, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie ich Hilfsmittel gezielt einsetzen kann, die mich im Alter unterstützen oder dass ich mir Überlegungen zu einem geeigneten Training mache. Das Alter fordert, dass wir bedächtiger, langsamer und bewusster werden.“

BERATUNG UND ANMELDUNGEN LAUFEN
Bis jetzt sei die psychologische Beratung von den Senioren gut angenommen worden. „Gar einige Senioren haben nachgefragt und wollten wissen, um was es bei diesen Beratungen geht, sie waren sehr interessiert. Es haben sich auch einige angemeldet, erzählt Christina Gianotti. Inhaltlich ging es bei diesen Sitzungen vorwiegend um Themen, wie schwierige, familiäre Beziehungsfragen und Probleme mit Trennungen und partnerschaftliche Beziehungen, sagt der Psychologe und Psychotherapeut Paul Hofer.

Die kostenlose psychologische Beratung läuft seit Juni. Anmelden können Sie sich persönlich oder telefonisch +39 0474 530209 im Büro des Seniorengemeinderates im 3. Stock des Rathauses zu folgenden Öffnungszeiten: mittwochs von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 15 bis 17 Uhr. (TL)