Ulten: Bauernbadl „Überwasser“ unter Denkmalschutz
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Schicksalstag für Prags

Der 5. August 2017 versprach ein schöner Hochsommertag zu werden, doch es kam anders. Dieser Tag wurde zum Erinnerungstag für eine der schlimmsten Naturkatastrophen des Pragser Tals: nach einem gewaltigen Gewitterregen am Abend folgten mehrere Murenabgänge.

Am Morgen des 5. August 2017 schien alles so, wie jeden Tag: Ein schöner Tag war zu erwarten, die Bauern hatten die Heuernte schon eingebracht, zahlreiche Touristen verbrachten ihre Ferientage in Prags. „Es gab eine Zivilschutzmeldung Status „ALFA“ bezgl. starkes Gewitter, die es aber in letzter Zeit öfters gegeben hatte. Wir hatten uns schon daran gewöhnt und waren geneigt, so etwas zu ignorieren“, erzählt Erwin Steiner von der Gemeinde Leitstelle. Um 20.30 Uhr habe ein großer Gewittersturm das gesamte Tal eingenommen, Starkregen ging in Hagel über. Um 20.57 Uhr sei bei der Feuerwehr Prags die Alarmierung eingegangen: „Bach im Roder Pragis über die Ufer getreten. Nur eine Minute später sei die weit folgenschwerere Alarmierung eingegangen:„Murenabgang Zone Weißlahne“.

DAS INFERNO NIMMT SEINEN LAUF
„Die Mure war eine der schlimmsten Naturkatastrophen, die Prags seit Menschengedenken erlebt hat. Im gleichen Atemzug, muss aber auch von einem Wunder gesprochen werden, dem Wunder, dass angesichts dieses Jahrhundertereignisses kein einziger Mensch dabei umgekommen ist“, erzählt Erwin Steiner. Der Feuerwehr Prags sei es gelungen die Bewohner des Bodnerhofes sofort unversehrt aus dem Hause zu evakuieren. Dramatischer sei die Lage beim Roderhof gewesen, der direkt von der Mure getroffen wurde.

„WIR STANDEN UNTER SCHOCK“
Rita Burger befand sich währenddessen ca. 100  Meter von ihrem Wohnhaus entfernt, da sie mit dem Auto unterwegs gewesen war. Sie stieg aus:„Ich wusste gar nicht genau, was da jetzt passiert, ich hörte unsere Schafe und Ziegen blöken, ich wusste, dass mein Mann, meine Schwiegermutter, mein Sohn und meine Tochter, zusammen mit unseren Gästen im Haus waren und wollte unbedingt dahin. Da ich kein Handy hatte, lieh ich mir eines von einem Passanten, der das Geschehen ebenfalls aus der Ferne beobachtete. Ich konnte aber niemanden erreichen. Ich sagte immer wieder, ich muss da hin. Einer der Passanten hielt mich davon ab“, erzählt Rita Burger vom Roderhof. Einige Zeit später sei sie dann mit den anderen Passanten zum Tuscherhof gekommen, wo die Einsatzzentrale eingerichtet wurde und sie erfuhr, dass ihrer Familie nichts passiert sei. Ich kann heute sagen, dass mir das Erlebte erst nach zwei bis drei Wochen wirklich bewusst geworden ist. „Wir waren alle unter Schock“, beschreibt Rita Burger die damalige Situation heute. „Ich denke oft an diesen 5. August zurück, sagt Arnold Burger, der Besitzer des Roderhofes. Er habe das Geschehene „gut verkraftet, aber meine jüngste Tochter und mein Sohn, sind auch heute bei einem Gewitter noch sehr nervös.“ Arnold Burger, seine beiden Kinder und seine Mutter Luise seien während des Murenabgangs im Haus im Parterre gewesen. „Meine Mutter wurde in ihrem Zimmer eingeklemmt, weil viel Material ins Haus eingedrungen ist. Wir haben sie dann gemeinsam mit Feuerwehrmännern befreit und sie wurde ins Krankenhaus gebracht. Ich und meine beiden Kinder sind in den ersten Stock hinauf gerannt zu unseren Gästen, wo wir auch die Nacht dann verbracht haben. Wir haben kein Auge zugetan“, erzählt Arnold Burger. Das Erlebte zu beschreiben sei kaum möglich, meint Arnold Burger, „ich dachte mir, ich bin im falschen Film, das muss man erlebt haben“.

VERWÜSTUNG WAR GROSS
Die Zentrale der E-Werk Prags GmbH sei gänzlich bis an die Dachkante verschüttet worden. Im Gebäude habe sich zum Glück niemand aufgehalten. Auch der gesamte Bereich rund um die Kirche von Schmieden sei überflutet und umliegende Gebäude mehr oder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen worden, weiß Erwin Steiner.
Ab Schmieden sei der Pragserbach im noch vorhandenen Bachbett zu einem reißenden Fluss angeschwollen, in dem gleich anschließend an den Murenabgang neben ganzer Baumstämme auch einige Autos, vorbeigeschwemmt wurden. „Wir mussten davon ausgehen, dass sich Menschen in den Fahrzeugen befinden. Der Einsatz der Feuerwehr und der Zivilschutzkommission gestaltete sich sehr schwierig, da einige Zufahrtsstraßen, aber vor allem auch die Feuerwehrhalle (Einsatzzentrale) vermurt worden sind. Dementsprechend wurde die Einsatzzentrale in die noch trockenen und mit einem Notstromaggregat ausgestatteten Räume den Tuscherhofs verlegt. Als erstes wurden alle verfügbaren Bagger ins Pragsertal geordert und an die in der Nacht zu erkennenden neuralgischen Punkte verteilt“, sagt Steiner. Kurz nach Mitternacht seien bereits 18 Bagger im Einsatz gewesen, um Brücken von angeschwemmten Holz und anderem Material zu befreien, weniger stark vermurte Straßen wieder zu öffnen und die entstandenen Wasserläufe in halbwegs geregelte Bahnen zu leiten. Gleichzeitig habe das Rettungsteam das Vereinshaus mit Notbetten ausgestattet und soweit organisiert, dass jene Menschen, die nicht mehr in ihre Häuser zurück können, dort versorgt werden konnten. Eines von mehreren Problemen dabei, sei der Totalausfall es Stromnetzes im gesamten Tal gewesen.

KEIN MENSCHENLEBEN GEFORDERT
Hauptaugenmerk sei das Auffinden von Einheimischen und Gästen gewesen, die nicht mehr in ihre Häuser, bzw. Hotelunterkünfte zurück konnten und deshalb als verschollen galten. „Hilfestellung dabei gab es vom Kommandant der Berufsfeuerwehr Bozen, vor allem aber von der Vizequästorin, welche aufgrund ihrer Informationskanäle stark dazu beigetragen hat, laufend Menschen ausfindig zu machen, die wegen der Situation im Tal, irgendwo auswärts Quartier gefunden haben. Spannend wurde es nochmal, als die Meldung kam, dass auch das voll belegte Hotel in Brückele von einer Mure bedroht wird, Kommunikation aber keine mehr war. Es gab zwar eine enorme Vermurung, aber das Gebäude war nicht in Mitleidenschaft gezogen“, erzählt Steiner und führt aus: „Mit einem beeindruckenden Nachtflug wurden 5 Pragser Jugendliche im Bereich der Stolla-Alm abgeholt, welche dort die Nacht verbringen wollten. Die allerletzten Verschollenen wurden in den frühen Morgenstunden in einem Hotel in Toblach ausgemacht, wodurch zur Freude der Einsatzleitung klar wurde, dass das Inferno des Vorabends im Pragsertal definitiv kein Menschenleben gefordert hatte.“

DANK AN 180 FREIWILLIGE HELFER
Das gesamte Ausmaß der Verwüstung sei erst im Laufe des anbrechenden Tages nach und nach sichtbar gewesen. Was nun folgte, sei eine Welle der Solidarität gewesen. „Nicht nur die dafür zuständigen Institutionen, sondern auch viele Freiwillige aus dem Tal und Nah und Fern halfen mit, um die Schäden im Dorf schnellstmöglich zu beseitigen. Allein die Tatsache, dass in den Folgetagen bis zu 180 Freiwillige Helfer nach Schmieden kamen und bei den Betroffenen Häusern Hand anlegten, zeigt auf, dass es auch in der heutigen Zeit noch möglich ist, sich gegenseitig zu helfen“, erzählt Steiner begeistert. Für die damalige Hilfe ist Rita Burger heute noch sehr dankbar: „Wir möchten uns nochmal bei allen, die uns damals geholfen haben, auch bei den vielen freiwilligen Helfern, ganz, ganz herzlich bedanken. Jeden Tag haben uns 50 bis 60 Menschen geholfen, die von überallher gekommen sind, auch Gäste aus Deutschland und Italien waren dabei. Es war unfassbar, wie viel Hilfe wir bekommen haben.“ Seinen Dank möchte auch Arnold Burger allen aussprechen, die beim Wiederaufbau geholfen haben: „ein großer Dank geht an Bürgermeister Friedrich Mittermair, der sich sehr für uns eingesetzt hat, auch den beteiligten Firmen, möchte ich danken und da wäre noch der Jagdverein Prags, der eine Aktion gestartet hat, wo jeder Jäger seinen Abschuss spenden konnte“, sagt der Roderhofbauer.

WIEDERAUFBAU FAST ABGESCHLOSSEN
Der finanzielle Schaden, der durch die Mure damals entstanden ist, habe ca. an die 370.000 Euro betragen. Unterstützung sei von Seiten des Notstandsfonds, der Autonome Provinz Bozen Südtirol gekommen und „auch die Caritas hat ein Spendenkonto eingerichtet“, hält Rita Burger fest. Bereits eine Woche nach der Vermurung seien sämtliche Straßen und die allermeisten Keller wieder trocken gelegt worden. Parallel dazu seien auch die Aufräumungs-und Instandsetzungsarbeiten abseits des Dorfes angelaufen. Jeden Tag habe man neue Schäden und Verwüstungen gesehen, so Steiner, der betont: „Federführend bei den Arbeiten waren die Forstbehörde und vor allem die Wildbachverbauung.“ „Bis zum 6. Dezember 2017 haben wir aufgeräumt, an diesem Tag haben wir wieder für die Gäste geöffnet. Die Kühe haben wir zum Weihnachten in den Stall geholt und wir sind noch nicht ganz fertig mit dem Wiederaufbau“, hält Rita Burger fest. „Die Außengestaltung ist noch ausständig und die Hackschnitzelhütte müssen wir noch errichten“, präzisiert Arnold Burger, der bei allen Widrigkeiten betont: „Wichtig ist, dass niemand verletzt wurde, der materielle Schaden lässt sich ersetzen.“ (TL)

 

Die Mure von 2017 hat Schmieden voll getroffen.

 

Die Verswüstung machte vor nichts Halt.

 

Rita und Arnold Burger vor ihrem Haus in Prags. Spuren der Verwüstung sind noch teilweise sichtbar, auf anderen Flächen ist schon etwas Gras gewachsen (im Bild Hintergrund).