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Projekt: Wir werden ein Bergsteigerdorf

CAMPILL – Nach Matsch ist nun auch Lungiarü zum Bergsteierdorf ernannt worden. Der Puschtra hat sich mit der Projektleiterin Anna Pichler unterhalten, um mehr über ein Bergsteigerdorf in Erfahrung zu bringen:

Puschtra: Welche Voraussetzungen braucht ein Dorf, um als Bergsteigerdorf zu gelten?

Anna Pichler: Projektträger der Initiative „Bergsteigerdörfer“ sind die alpinen Vereine: Österreichischer Alpenverein (ÖAV), Deutscher Alpenverein (DAV), Alpenverein Südtirol (AVS), Slowenischer Alpenverein (PZS) und Club Alpino Italiano (CAI). In einer internationalen Steuerungsgruppe aus Vertretern der Vereine wird über die Aufnahme eines neuen Bergsteigerdorfes auf Grundlage von strengen Kriterien befunden sowie auf Grundlage der Einschätzung des jeweiligen Alpenvereins wo die Bewerbung stattfindet. Bergsteigerdörfer sind kleine und ruhiggebliebene Ortschaften oder Gemeinden, die von großen technischen Erschließungen und Landschaftseingriffen wie Skigebieten, überdimensionalen Wasserkraftwerken mit deutlich sichtbaren Stauseen, großen Hotelanlagen oder Passstraßen verschont geblieben sind. Sie zeichnen sich also durch eine intakte alpine Natur und Landschaft aus, einen hohen Schutzgebietsanteil, eine hohe Ortsbildqualität, ein sehr gutes Wege- und Schutzhüttennetz, viele Möglichkeiten zur Bewegung in den Bergen, lebhafte Traditionen und durch eine Bevölkerung, die diese Philosophie mitträgt und lebt. Bergsteigerdörfer setzen auch auf die Stärkung regionaler Kreisläufe, die Aufrechterhaltung der Nahversorgung und auf nachhaltige Mobilität. Da es sich um ein Alpenvereinsprojekt handelt, ist für den Alpenverein Südtirol (AVS) auch das Vorhandensein einer lokale AVS-Sektion oder Ortsstelle Voraussetzung für eine Bewerbung.

Puschtra: Welche Kriterien erfüllt Lungiarü?

Anna Pichler: Lungiarü ist das erste ladinische Bergsteigerdorf und das erste Bergsteigerdorf in den Dolomiten. Die Ladinische Sprache und Kultur ist Teil der Identität. Ein Bergsteigerdorf in den Südtiroler Dolomiten zu finden war für den AVS nicht mehr selbstverständlich, sondern eher eine Überraschung, wenn man die derzeitige touristische Entwicklung im Dolomitengebiet beobachtet: Lungiarü ist wie ein „gallisches Dorf“ mitten in den Dolomiten abseits der Tourismuszentren des Gadertals. Weitere Besonderheiten von Lungiarü sind die gut erhaltenen und für das Gadertal typischen Viles. Diese Gehöftegruppen oder Weiler thronen oberhalb des Dorfkerns auf den klimatisch begünstigten Südhängen. Weitere Zeugnisse des früher und heute sehr bäuerlich geprägten Bergsteigerdorfes sind die zahlreichen Mühlen im Val di Morins/Mühlental. Das Gebiet ist früher wie heute alpinistisch interessant und es finden Erstbegehungen statt, die letzte erst im Sommer 2018. Auch Kletterer kommen auf ihre Kosten. Im Winter lockt Lungiarü mit lohnenden Schitouren verschiedenster Schwierigkeitsgrade und Schneeschuhwanderungen.

Puschtra: Welche Auswirkungen hat die Ernennung zu einem Bergsteigerdorf für Lungiarü in Zukunft?

Anna Pichler: Diesen Orten soll eine Alternative zu harten Tourismusformen wie dem Skitourismus geboten werden. Bergsteigerdörfer sind gelebte Alpenkonvention und bieten Gemeinden und Talschaften eine Chance, ihre Zukunft selbstbewusst und nachhaltig zu gestalten und Bestehendes in Wert zu setzen. Für die Dorfbevölkerung ist das Attribut Bergsteigerdorf ein Zeichen der Anerkennung für den achtsamen Umgang der Dorfgemeinschaft mit der Natur, der Landschaft und den Kulturzeugnissen. Sie trägt diese Philosophie mit und sieht darin eine Zukunftsperspektive, ihr Dorf vor Massentourismus oder einer fremdbestimmten Entwicklung zu bewahren. Gewisse Projekte sollten daher also von vornherein gar nicht aufs Tapet kommen. Eine Entwicklung ist aber nicht ausgeschlossen, sofern sie umweltverträglich ist.

Puschtra: Gelten noch weitere Dörfer als Auswahl zu einem Bergsteigerdorf, wenn ja, welche?

Anna Pichler: In das Alpenvereinsprojekt kann man sich nicht durch eine Mitgliedschaft einkaufen. In Südtirol gibt es nicht mehr allzu viele Ortschaften, welche die Kriterien der Bergsteigerdörfer erfüllen könnten. Vielleicht eine Handvoll. Das Prädikat ist daher exklusiv! (LP)

 

Lungiarü und St.Martin

Simeoni Costabiei am Tag der Beitrittsfeier am 6.August

Viles: Lungiarü