CORVARA – Ines Papert ist ständig auf der Suche nach Neuland. Die deutsche Profi-Kletterin hat in ihrem Leben schon viele unglaubliche Abenteuer bei ihren Erstbegehungen und Expeditionen in Fels und Eis erlebt. Einige dieser Momente hat sie am 10. September in Corvara bei ihrem Vortrag „Riders on the storm“ aufleben lassen. Der Puschtra hat mit der Extremsportlerin gesprochen.
Puschtra: Ihr Vortrag nennt sich „Riders on the storm – Zwischen Sturm und Stille in den einsamen Wänden der Erde“ warum dieser Titel?
Ines Papert: „Riders on the storm“ ist der Name einer Route in Patagonien, die ich schon sehr lange wiederholen und als erster Mensch frei klettern wollte. Bis ich diese Begehung realisieren konnte, hat es einige Zeit gedauert. Dass ich in der Vorbereitungszeit an den Bergen der Welt unterwegs war, ist Thema meines Vortrages.
Sie waren auch in den Dolomiten unterwegs, sind eine Route durch die Nordwand der Großen Zinne als erster Mensch frei klettert. Was war bei dieser Begehung das schönste Erlebnis für Sie?
Grenzerfahrungen sind immer etwas Besonderes, aus wenn es hier an den Zinnen mehr eine sportliche Herausforderung inmitten der Zivilisation war. Mich fasziniert es, wie diese Nordwände so derartig steil aus dem Erdboden empor ragen. An diesen Wänden wurde Alpingeschichte geschrieben, aber auch neuer Routen erschlossen. Lisi Steuere und ich hatten die Erlaubnis von den Erstbegehern, ihre Route als erste frei zu klettern. Ein ganz besonderes Geschenk. Dass es am Tag unserer freien Begehung um die Null Grad kalt war, hat unsere Erwartungen schon beim Einstieg schrumpfen lassen. Manchmal erlebt man an solchen Tagen Überraschungen. So standen wir am Abend nach erfolgreicher freier Begehung am höchsten Punkt. In solchen Momenten erlebst du das große Glück, und je mehr Kraft du investiert hast, um an dein Ziel zu kommen, desto größer ist das Glücksgefühl.
Mit der Bergsteigerin Mayan Smith-Gobat haben Sie in Patagonien die erste freie Begehung der geschichtsträchtigen Route „Riders on the Storm“ realisiert. Mit welchen Herausforderungen waren Sie in der 1.300 Meter hohen Ostwand des Torre Central in den Torres del Paine konfrontiert?
Wir hatten uns die erste freie Begehung zum Ziel gemacht, konnten es aber nicht ganz erreichen. Fünf von 37 Seillängen blieben unvollendet. Was für mich aber einen genauso großen Wert hatte, war die Gipfelbesteigung. An solch einem Berg zählt nicht nur jeder gekletterte Meter, und hier in einer der stürmischsten Ecke der Erde ist ein Gipfelerfolg alles andere als selbstverständlich. Das Wetter hat hier seine eigenen Regeln. Wir waren als 2er-Frauenteam nicht wirklich überbesetzt und haben harte Arbeit geleistet, nicht nur beim Klettern. Eine böse Überraschung war der Grund, dass unsere Entscheidung, aufzugeben auf der Kippe stand.
Diesen Gipfelmoment bezeichnen Sie als „magisch“. Was hat sich Ihnen gezeigt?
Dort oben hat sich an diesem Tag etwas Besonderes ereignet. Der Gipfel ist total ausgesetzt und mit dem erreichen setzte der Wind für ein paar Minuten total aus. Wir hatten eine Fernsicht vom Inlandeis bis zur Küste auf der anderen Seite. So ein Naturschauspiel hab ich noch nie erlebt.
Sie sind nicht nur Extrembergsteigerin, sondern auch Mutter. Wie kriegen Sie Beruf und Familie unter einen Hut?
Emanuel ist kürzlich 18 geworden und inzwischen ein richtig guter Kletterer. Ich bin stolz auf ihn und freue mich über seine Ambitionen für diesen Sport und Lebensstil. Das Reisen hat ihn als jungen Mensch sehr geprägt. Er hat es immer verstanden, wenn ich auch oft ohne ihn aufgebrochen bin. Ich wusste ihn immer in guten Händen zuhause, so dass ich mich völlig auf meine Vorhaben konzentrieren konnte. Aber zwischen den Expeditionen genießen wir die viele Zeit, die wir gemeinsam verbringen (immer noch!)
Welchen Berg werden Sie als nächsten besteigen?
Ich habe inzwischen den Kyzyl Asker auf einer neuen Route erreicht, und konnte somit bei meiner dritten Expedition nach China/Kirgistan endlich erfolgreich sein. Ich bin aber auch kürzlich an der Shishapangma Südwand gescheitert und habe eine schreckliche Erfahrung mit einer Lawine gemacht. Das muss erst mal verdaut werden. Momentan bin ich viel mit meinem Freund Luka Lindič aus Slowenien alpenweit unterwegs. Wir haben grad keine große Lust in einem Basislager auf besseres Wetter zu warten. Nächstes Jahr planen wir eine Expedition in die kanadischen Rocky Mountains. (HS)
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